Hochwasserschutz in Städten: Wie sieht das in Zukunft aus?

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    Architektur und Infrastruktur:Hochwasser: Ist das die Stadt der Zukunft?

    ZDFheute Update - Kevin Schubert
    von Kevin Schubert
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    Als Folge des Klimawandels werden starke Hochwasser häufiger. Städte müssen sich darauf einstellen, sagt ein Experte für Starkregen - und erklärt, wie das gelingen kann.

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    Das Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg war bereits das dritte in Deutschland in diesem Jahr. Und allen voran der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass solche Hochwasser-Ereignisse in Zukunft häufiger auftreten. Was also können Gemeinden und Städte tun, um Leben zu retten und Schäden zu minimieren?
    Theo Schmitt ist Experte für solche Fragen. Er forscht an der RPTU Kaiserslautern zum Starkregen-Risikomanagement für Siedlungsgebiete - und plädiert im Gespräch mit ZDFheute für eine neue Architektur und Infrastruktur in unseren Städten, auch wenn das eine "auf Jahrzehnte" ausgerichtete Aufgabe sei. Was Schmitt empfiehlt.
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    Blau-grüne Infrastruktur: So kann sie gegen Hochwasser helfen

    Um Überflutungen bei Starkregen-Ereignissen zu verhindern, muss Wasser ausreichend versickern, verdunsten oder abfließen können. Außerhalb von Städten können Maßnahmen wie Deiche, Rückhaltebecken oder die Renaturierung von Flüssen und Auenlandschaften das Hochwasser-Risiko verringern.
    Welche Maßnahmen helfen gegen Hochwasser? Die Infografik zeigt, dass Deiche besiedelte Gebiete schützen. Wenn Gebäude direkt am Ufer stehen, können Hochwasserschutzwände helfen. Des Weiteren gibt es Rückhaltebecken und Talsperren - aber auch die Kanalisation kann verbessert werden.
    Aber auch innerhalb von Städten gibt es eine ganze Reihe an Maßnahmen, die gegen Überflutungen helfen können - indem sie Wasser speichern, versickern oder abfließen lassen. Schmitt fasst sie als blau-grüne Infrastruktur zusammen:
    Um bei Starkregen-Ereignissen Überflutungen zu vermeiden, muss Wasser ausreichend versickern, verdunsten oder abfließen können. Mit sogenannter blau-grüner Infrastruktur können Städte Regenwasser managen - und nebenbei im Sommer auch die Temperaturen kühlen. Zu den Maßnahmen gehören etwa wasserdurchlässige Beläge, Versickerungsmulden, Feuchtbiotope, unteridische Zisternen, Notabflusswege, Fassadenbegrünungen, Gründächer und Tiefbeete.
    "Der Vorteil einer solchen Stadt", sagt Schmitt, "sind die Synergieeffekte. Wir haben nicht nur eine bessere Vorsorge gegen Überflutungen durch Starkregen, sondern durch Vegetation und Gewässer auch eine bessere Kühlung gegen Hitze." Eine "Win-win-Situation", sagt Schmitt. "Das bietet also eine große Chance."
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    Lassen sich unsere Städte denn so umbauen?

    Auch Schmitt weiß: "Deutschland ist nun einmal bebaut." Angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel "müsste zwar mehr Geschwindigkeit reinkommen", glaubt der Bauingenieur. "Aber den Bestand jetzt schnell zu verändern, ist sehr, sehr schwierig."
    Trotzdem sieht Schmitt in blau-grünen Städten die Zukunft. "Jede Chance, die sich bietet, auch ganz kleinräumig, muss ergriffen werden." Wenn etwa Quartiere umgewidmet würden, müssten Stadtplaner nicht nur Vegetation mitdenken, sondern auch, "wo sie Wasser gezielt zurückhalten können, wo es sich hinleiten lässt, wo es weniger Schaden anrichtet".
    Auch Hausbesitzer selbst hätten Möglichkeiten, sagt Schmitt. "Wenn mein Gebäude oder Grundstück extrem gefährdet ist, kann ich schauen, welche Maßnahmen helfen können, um Schäden zumindest zu reduzieren." Viele individuelle Maßnahmen seien dabei mit vergleichsweise geringem Aufwand verbunden, etwa die Abdichtung von Lichtschächten und außen liegenden Kellereingängen, Schwellen vor niveaugleichen Eingängen, Rückstau-Sicherungen im Keller und außen liegenden Kellerabgängen. "Für alle Fälle" empfiehlt Schmitt zudem, Sandsäcke bereitzuhalten.
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    Was braucht es noch zur Hochwasser-Prävention?

    "Der erste Schritt sind immer sogenannte Starkregen-Gefahrenkarten", sagt Schmitt. "Wo ist die Gefährdung durch Überflutungen besonders groß? Das ist nicht gleich verteilt, sondern von verschiedenen Faktoren abhängig, etwa der Topographie oder dem Verlauf der Kanalisation." Seien die besonderen Gefahrenpunkte bekannt, müsse die Bevölkerung informiert werden.

    In welchen Städten ist das Hochwasser-Risiko besonders hoch?

    Allein die starken Hochwasser in Deutschland in diesem Jahr zeigen, dass es sowohl Regionen mit Höhenunterschieden (Saarland, Baden-Württemberg, Bayern) als auch flache Regionen (Niedersachsen Anfang des Jahres) treffen kann. Schmitt unterscheidet zwischen Fluten durch Gewässer, die gesamte Flussläufe betreffen, und durch Starkregen-Ereignisse, die lokal besonders intensiv auftreten.
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    "Auch Starkregen-Überflutungen können grundsätzlich überall auftreten", sagt der Experte, "aber natürlich spielt die Topographie hier eine wichtige Rolle." In Ebenen könne sich Wasser gleichmäßiger verteilen, in bergigen Regionen sammele es sich in Tiefpunkten, wo das Wasser dann höher steigen könne. "Außerdem hat das Wasser bei einem Gefälle eine viel höhere Fließgeschwindigkeit", sagt Schmitt. "Diese reißenden Bäche, die man manchmal sieht, die dann talabwärts schießen, bringen noch einmal eine größere Gefährdung mit sich."

    Wie teuer wäre ein konsequentes Starkregen-Management?

    Schmitt spricht von einem hohen, mehrstelligen Milliarden-Bereich. Allerdings sind auch die Schäden durch Hochwasser enorm. Die Bundesregierung beziffert die Schäden der Flut im Ahrtal und der Erft im Juli 2021 mit 40,5 Milliarden Euro, was das Hochwasser dort zum bislang teuersten Extremwetter-Ereignis der deutschen Geschichte macht.
    Gesamtwirtschaftlich rechnet die Bundesregierung aufgrund des Klimawandels bis 2050 mit Kosten zwischen 280 und 900 Milliarden Euro.
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