Die Strategie hinter der digitalen Reizflut | Terra-X-Kolumne
Kolumne
Terra X - die Wissens-Kolumne:Die Strategie hinter der digitalen Reizflut
von Lea Dohm
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Desinformation und manipulative Inhalte überschwemmen die Medien und steuern unsere Aufmerksamkeit. Wie wir uns gegen die "Flood the Zone"-Strategie wehren können.
Haben Sie das KI generierte Video von "Trump Gaza" gesehen, das US-Präsident Donald Trump kürzlich in den sozialen Medien teilte? Empörend! So empörend, dass viele Menschen es direkt anderen in ihrem persönlichen Umfeld oder ihrer Timeline zeigen wollten. Auch Medienhäuser griffen es auf und berichteten. Das Video war somit sehr erfolgreich, hat die digitalen Algorithmen perfekt bedient und seine Zwecke voll erfüllt, nämlich eine beeindruckende Reichweite und die emotionale Mobilisierung sehr, sehr vieler Menschen.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Die Strategie: "Flood the Zone"
"Alles, was wir tun müssen, ist jeden Tag zu überfluten. Wir schlagen ihnen drei Dinge gleichzeitig entgegen, sie werden auf eines anspringen und wir setzen unsere Agenda durch. Pang, bang, bang!" - so lässt sich das Originalzitat vom Ex-Trump-Strategen Steve Bannon übersetzen, mit dem er das Vorgehen im Fernsehsender PBS beschrieben hat.
"Flood the Zone" ist eine machtvolle Kommunikationsstrategie, die in ihrer Anwendung keineswegs auf den US-amerikanischen Raum beschränkt bleibt. Falsche oder irreführende Aussagen, um den Diskurs zu prägen oder Verwirrung zu stiften, werden auch hierzulande zuhauf gestreut - in Form manipulativer Inhalte, Halbwahrheiten und Verschwörungsmythen oder durch vereinfachende Aussagen, die gezielt Ängste und Ressentiments gegen bestimmte Menschengruppen schüren.
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Wie mediale Überflutung den Diskurs verzerrt
Es ist ein strategisches und machtvolles Agenda-Setting, das über soziale Medien und Nachrichtenkanäle auf uns einprasselt. Auch Redaktionen werden überflutet und kommen kaum mehr hinterher, Nachrichten auf ihren Realitätsgehalt zu prüfen und einzuordnen. Dagegen helfen Faktenchecks, die ein wichtiger erster Schritt sind, wie bereits mehrere Psycholog*innen zuletzt deutlich machten.
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Aufmerksamkeit bedeutet Macht
Wenn Menschen, erst recht mit einer gewissen Prominenz, stören, bekommen sie Medienpräsenz und damit in unserer schnelllebigen Zeit ein besonders wertvolles Gut: Aufmerksamkeit. Das gibt ihnen Macht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und ihre eigenen Narrative zu positionieren.
Und jede skurrile, absurde, zum Teil gar gefährliche Äußerung schwächt zugleich andere Themen, die für unsere Sicherheit und Gesundheit von höchstem Belang sind. Wo wurde zum Beispiel zuletzt öffentlichkeitswirksam über die Klimakrise gesprochen? Der ständige Druck, den reißerischen Algorithmus-Ködern etwas entgegenzusetzen, lenkt uns von existenziell wichtigen Themen ab.
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Nicht über jedes mediale Stöckchen springen
Genau hier müssen wir alle ansetzen und uns gegen diese Ermächtigung zur Wehr setzen. Die Überflutung mit Absurditäten muss von uns allen aktiv begrenzt werden, weil sie es nicht von allein tut und weil es andere, sehr wichtige Fragen zu diskutieren und Dinge zu tun gibt. Wir müssen nicht über jedes spektakuläre Stöckchen springen. Stattdessen gilt es zu reflektieren, welche Informationen wir mit anderen teilen und ob diese dazu beitragen, einen konstruktiven Diskurs zu den Problemen unserer Zeit zu schaffen.
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Ein bewussterer Umgang mit Informationen
Gleichzeitig braucht es natürlich flächendeckend die bereits vielfach geforderten Faktenchecks, die fortan zu einem Qualitätskriterium für zeitgemäßen Journalismus werden könnten. Und es ist entscheidend, dass insbesondere Medienschaffende sowie Menschen in Führungspositionen und mit Reichweite sich bewusst werden, welche Verantwortung sie in diesen herausfordernden Zeiten tragen. Diese Verantwortung muss man, wenn nötig, einfordern.
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Menschlichkeit als Gegenmittel zur Manipulation
Es ist ein Zeichen psychischer Reife, emotionsgesteuerte Impulse zu kontrollieren und auf die kurzfristige soziale Bestätigung durch Likes, Klicks und Reichweite verzichten zu können. Es ist doppelt schwer, weil digitale Reichweite heute einen wichtigen Platz im sozialen Leben einnimmt und oft mit Macht, Einfluss und finanziellem Erfolg verbunden ist. Was der "Flood the Zone"-Strategie jedoch fehlt, ist Mitgefühl, ein wertebasiertes Miteinander, authentischer Dialog, Tiefe und Glaubwürdigkeit. Kurz: Menschlichkeit.
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... ist Dipl.-Psychologin und Transformationsberaterin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) e.V. sowie Mit-Initiatorin der Psychologists for Future (Psy4F) e.V. Sie ist außerdem tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin mit einiger klinischer Erfahrung und Fach- und Sachbuchautorin. Für Menschen, die sich verletzlich und nahbar zeigen können, hat sie große Sympathien.
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