Selbstheilender Beton: Nachhaltig bauen mit Bakterien
Interview
Selbstheilender Beton:Wie Bakterien Risse in Bauwerken schließen
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Beton ist der wichtigste Baustoff weltweit und ein echter Klimakiller. Deshalb setzt ein niederländischer Professor auf Beton, der sich selbst reparieren kann.
Eine mobile Brücke und selbstheilender Beton für schnelle Reparaturen.15.02.2025 | 29:45 min
Um Bauwerke langlebiger zu machen, forscht Erik Schlangen mit seinem Team an der Technischen Universität Delft an nachhaltigen Baustoffen. Dabei haben sie sogenannten selbstheilenden Beton entwickelt.
ZDFheute: Welches Problem haben wir zurzeit mit unseren Brücken und Tunneln?
Erik Schlangen: Viele Brücken und Tunnel sind in den 60er- und 70er-Jahren gebaut worden, das heißt sie sind mehr als 60 Jahre alt. Bei vielen Bauwerken ist der Beton noch in Ordnung, aber er wird brüchiger und muss saniert werden.
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... ist Professor für Bauingenieurwesen an der TU Delft in den Niederlanden und führender Kopf des Fachbereichs der Experimentellen Mikromechanik. Im Jahr 2005 gehörte er zu den ersten, der neue Materialien mit selbstheilenden Eigenschaften entwickelte. Seit 2015 ist der selbstheilende Beton auf dem Markt.
ZDFheute: Wie würde Ihr Beton das erreichen? Was ist die Idee dahinter?
Schlangen: Ich las von einer Studie, in der Wissenschaftler mit Hilfe von Bakterien Kalk produziert haben. Und ich fragte mich, ob man solche Bakterien auch in Beton verwenden kann, die dann mit Hilfe des Kalks Risse verschließen. Falls ja, könnte Beton viel länger haltbar gemacht werden. Da ich aber mit der Wissenschaft dahinter nicht vertraut bin, kontaktierte ich den Biologen Henk Jonkers und fragte ihn, ob das funktionieren könnte.
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ZDFheute: Wie reagierte er?
Schlangen: Henk war von der Idee sofort begeistert. In Steinformationen in Spanien hat er dann die passenden Bakterien gefunden. Unsere Tests zeigten: Ja, sie können die Risse im Beton verschließen. Das war unser Durchbruch.
Das Bakterium Sporosarcina pasteurii produziert Sporen, die die Wissenschaftler dem Beton in winzigen Tonkapseln zusammen mit Nährstoffen beimischen. Diese Sporen können in dem Beton sehr lange überleben, bis sie tatsächlich gebraucht werden. Aktiviert werden sie durch Regenwasser, das in die Beton-Risse eindringt. Durch die Kombination aus Wasser und Sauerstoff beginnen die Bakterien mit der Produktion von Calciumcarbonat, besser bekannt als Kalk. Dieser verschließt innerhalb weniger Wochen die Risse und der Beton bleibt länger stabil.
ZDFheute: Wo kann der selbstheilende Beton eingesetzt werden?
Schlangen: Eigentlich in allen Bauwerken, die dem Regen ausgesetzt sind. Er funktioniert nicht im Inneren von Gebäuden, zum Beispiel an Wänden, weil die nicht mit Wasser in Berührung kommen, das die Bakterien zur Aktivierung benötigen.
Erik Schlangen (l.) und Henk Jonkers von der TU Delft in den Niederlanden forschen im Labor an selbstheilendem Beton.
Quelle: ZDF
ZDFheute: Wie teuer ist dieser neue Beton in der Herstellung?
Schlangen: Noch ist der selbstheilende Beton in der Produktion teurer als herkömmlicher. Diese Mehrkosten werden durch die deutlich niedrigeren Reparatur- und Austauschkosten jedoch wieder reingeholt, so dass die Kosten am Ende viel niedriger sind. Außerdem habe ich eine längere Haltbarkeit und weniger CO2-Emissionen.
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ZDFheute: Wo wird der selbstheilende Beton bereits eingesetzt?
Schlangen: Unsere Kollegen der niederländischen Firma "Basilisk" vertreiben den Beton so erfolgreich, dass er inzwischen in Brücken, Tunneln und Wassertanks verwendet wird - also in jeder Art von kritischer Infrastruktur, bei der die Sicherheit der Gebäude von großer Bedeutung ist.
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ZDFheute: Was glauben Sie, warum ist Ihre Idee eine Lösung für die Zukunft?
Schlangen: Wir haben um die Ecke gedacht, weil wir zwei Disziplinen miteinander verbunden haben: das Bauingenieurwesen und die Biologie. Nur so konnten wir den preisgekrönten Beton entwickeln, der die Baubranche revolutionieren könnte und gleichzeitig unser Klima verbessern soll.
ZDFheute: Was wünschen Sie sich von der Baubranche?
Schlangen: Es wäre schön, wenn die Bauindustrie nicht mehr so konservativ wäre. Sie wollen oft keine innovativen Lösungen umsetzen. Aber um Veränderung zu erreichen, müssen Dinge ausprobiert werden. Deshalb brauchen wir mehr Projekte, in denen wir eine Art Feldlabor schaffen, in dem Forschende gemeinsam mit der Bauindustrie an der Anwendung bahnbrechender neuer Produkte arbeiten können.
Das Interview führte Jela Henning.
Quelle: dpa
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