Was vernetzte Quantencomputer ermöglichen | Terra-X-Kolumne

Kolumne

Terra X - die Wissens-Kolumne:Was vernetzte Quantencomputer verändern

von Ingolf Baur
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Ein Team aus Oxford hat Quantencomputer und Quantenteleportation gekoppelt. Herausgekommen ist eine Maschine wie aus einer anderen Welt.

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Ingolf Baur

Man muss vorwegschicken, dass keiner, selbst die klügsten Physiker*innen nicht, so wirklich verstehen, wie Quantenphysik funktioniert. Wer es behauptet, hat sie nicht verstanden, so das Bonmot.

Zwei Quantencomputer miteinander verbunden

Es gilt das Prinzip: nicht reden, sondern rechnen und konstruieren. Und dass dabei Bahnbrechendes entstehen kann, hat ein Team um den Doktoranden Dougal Main aus Oxford gezeigt. Ihm ist es gelungen, zwei Quantencomputer mit zwei Meter Abstand "magisch" zu vernetzen.

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Und wenn sich zwei verbinden lassen, könnten es auch 100 oder 10.000 werden, das ist die Hoffnung. Damit ließe sich eine große Schwäche heutiger Quantencomputer ausbügeln: Je mehr elementare Bausteine sie haben, die sogenannten Qubits, umso instabiler werden sie. Ein System aus kleinen Quantencomputern könnte die Rechenleistung signifikant verbessern.
Grafik: Harald Lesch inmitten von Galaxien und bunten Linien
Wie funktioniert die Welt im Kleinsten? Und weshalb brauchen wir die Quantenmechanik?29.06.2022 | 16:50 min

Quantenteleportation ist wie Kopf und Zahl gleichzeitig

Quantencomputer, man ahnt es, lassen sich nicht mit Kabeln vernetzen. Sie brauchen Quantenteleportation. Und das ist die abgefahrenste Physik, die man sich (nicht) vorstellen kann: Elementarteilchen lassen sich nämlich verschränken. Das bedeutet, dass sie eine ganz besondere Verbindung eingehen: Sie verknüpfen ihre Eigenschaften so miteinander, dass jedes dieser Teilchen alle prinzipiell möglichen Eigenschaften gleichzeitig besitzt. Wie Münzen, bei denen Kopf und Zahl unkenntlich verschmiert sind.
Lesch & Co Quantensystem
So funktioniert die Quantenverschränkung - und Schrödingers Katze freut sich.27.07.2022 | 14:20 min
Wenn man diese Teilchen (in Oxford sind es zwei Lichtteilchen) nun auseinanderfliegen lässt, und das hat in anderen Experimenten bereits über Hunderte von Kilometern geklappt, bleibt ihre Verbindung erhalten.
Und das Unglaubliche ist: In dem Moment, in dem man eines der Teilchen vermisst, reagiert das andere unmittelbar, obwohl zwischen beiden keine Verbindung besteht. Man fängt quasi die Münze auf der einen Seite ein - völlig zufällig fällt sie auf Kopf oder Zahl - und in exakt demselben Moment zeigt das weit entfernte Geldstück das andere Symbol.

Quantenphänomene könnten alte Rätsel lösen

Bei mir stellt sich bei solchen Phänomenen das Gefühl ein, dass wir entscheidende Teile unserer Wirklichkeit nicht verstanden haben. Die Quantenphysik zeigt, dass es eine rätselhafte Komponente in unserer Welt gibt, so etwas wie eine alles durchdringende Informationsebene.
Spukhaft hat Einstein die quantenphysikalische Fernwirkung genannt. Er hat zwar seinen Nobelpreis für ein quantenphysikalisches Phänomen bekommen, die volle Wucht der Quantenphysik wollte er aber nicht akzeptieren. Wir Amateure fühlen mit.
Collage: Professor Harald Lesch
Wie machen wir uns quantenmechanische Effekte in unserem Alltag zunutze?24.08.2022 | 15:28 min
Doch Technologie und auch Wissenschaft sind längst weiter. Mittlerweile vermuten Physiker, dass Quantenphänomene selbst Lebensprozesse entscheidend beeinflussen: Die Photosynthese läuft viel zu effizient ab, als dass sie sich rein klassisch erklären ließe; Zugvögel könnten mit Magnetfeldern alleine nicht navigieren. Es wird vermutet, dass sie die Quanteneigenschaften des Lichts nutzen. Vielleicht beginnt das eigentliche Zeitalter der Quanten ja gerade erst.

Wie Quantencomputer die Zukunft verändern können

Und wie verändert das Oxford-Experiment jetzt unsere Welt? Vernetzte Quantensupercomputer können funktionieren, das wissen wir nun. Jetzt kommt das, was der Mensch am besten kann: Optimieren - konkret heißt das die Taktrate erhöhen, skalieren und Geschäftsmodelle entwickeln, damit sich die Welt noch ein bisschen schneller drehen kann.
Google hat kürzlich verraten, dass ihr Quantenprozessor Willow fünf Minuten braucht für eine Aufgabe, an der ein klassischer Supercomputer zehn Quadrillionen Jahre rechnen würde - also etwa 700 Billionen Mal das Alter des Universums. Noch Fragen?
Laptop auf einem Tischen, BIldschirm mit einer Anmeldemaske, Login und Passwort
Quantencomputer, die unsere Passwörter knacken? Durch ihre riesige Rechenleistung können Quantencomputer unlösbare Aufgaben bewältigen und nahezu jede Codierung entschlüsseln. Wie groß ist die Bedrohung?11.02.2025 | 7:14 min
Ein Netzwerk von Quantencomputern dürfte die Zukunft verändern: Krankheiten vorhersagen, neue Materialien erfinden, die Finanzmärkte pushen - an den Börsen zählt jede Millisekunde Vorsprung. Wer weiß schon, was kommt. Aber vielleicht lässt sich mithilfe der mysteriösen Quantenphysik ja auch der Vorhang zur Wirklichkeit etwas weiter aufziehen: echte Erkenntnis, das wäre doch ein Fortschritt.
Suzanna Randall in drei Zeitsprüngen
Sind Zeitreisen möglich? Natürlich nicht. Informationen können sich mmer nur in eine Richtung bewegen. Aber ein Experiment aus der Quantenphysik erweckt einen anderen Anschein.31.07.2024 | 14:31 min

... ist studierter Physiker und Wissenschaftsjournalist. Er moderiert das tägliche 3sat-Wissenschaftsmagazin NANO, bereist die Welt für spannende Reportagen und kann richtig gut singen. Sein Motto ist "Ökologie first - es geht um alles".

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