Ozeane extrem warm: Was das für Europa bedeuten könnte

    Rekordtemperaturen der Weltmeere:Ozeane extrem warm: Was heißt das für Europa?

    Elisa Miebach
    von Elisa Miebach
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    Die Weltmeere sind so warm wie noch nie zuvor, zeigen Messungen. Besonders die Nordatlantik-Extreme überraschen - langfristig könnte der Klimawandel sogar den Golfstrom gefährden.

    Rekordwerte im Ozean
    Die Temperaturen der Weltmeere sind so warm wie noch nie zuvor gemessen. Besonders im Nordatlantik sind die Extreme für die Forscher überraschend.28.03.2024 | 2:01 min
    Jeden Tag ein Rekord - seit über einem Jahr. Seit März 2023 ist die Durchschnittstemperatur der Weltmeere täglich höher als je zuvor gemessen. Der Trend hält weiter an und die Erwärmung hat Folgen vor allem für die wichtigsten Meeresströmungen - und für unser Wetter in Europa.
    Ozeantemperaturen unterliegen natürlichen Schwankungen. So ist etwa die Erwärmung im Pazifik auch auf das aktuelle Klimaphänomen El Niño zurückzuführen. Dies tritt alle paar Jahre auf und führt zu einer Erwärmung in Teilen des Pazifiks. Auch die Temperaturen anderer Ozeane schwanken durch natürliche Umstände.

    Forscherin: "So kann Ausprägung des Klimawandels aussehen"

    Ebenso können Faktoren, wie die Menge von Staub- und anderen Rußpartikeln in der Luft, die Temperaturen beeinflussen. Doch dadurch alleine lassen sich diese Rekorde nur schwer erklären, so Erdsystemforscherin Johanna Baehr von der Universität Hamburg. Sie sagt, vor allem die Werte des Nordatlantiks seien sehr ungewöhnlich im Vergleich zu allen bisher gemessenen Temperaturen.

    Das war einerseits sehr überraschend. Andererseits muss man sagen, dass das genau das ist, was seit Jahren letztlich gesagt wurde, so kann eine Ausprägung des Klimawandels aussehen.

    Johanna Baehr, Erdsystemforscherin

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    Während des Wetter-Phänomens El Niño kommt es zu Wetterextremen im Pazifikraum. Das hat verheerende Folgen.31.05.2023 | 1:32 min

    Nordatlantikrekorde prägen Wetter in Europa

    Die Temperaturen, vor allem des Nordatlantiks, haben einen direkten Einfluss auf unser Wetter in Europa. Die warmen Meerestemperaturen können Hitzewellen im Süden Europas und Stürme in Mitteleuropa, wie im vergangenen Jahr, begünstigen.
    Und die Ozeane erhitzen sich weiter. Denn das Wasser nimmt große Teile der Wärme auf, die durch den menschengemachten Klimawandel auf der Erde entsteht.
    Klimareport
    Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) warnt: 2023 war das heißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn. Die Bedrohung durch den Klimawandel sei ein "Anlass zu besonderer Sorge".19.03.2024 | 1:22 min

    Auch Golfstrom in Gefahr

    Eine langfristige Erwärmung des Meeres gefährdet auch die wichtigste Strömung für Europa: die atlantische Umwälzströmung, kurz AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation). Damit zusammen hängt auch der bekannte Golfstrom, der warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko nach Europa bringt. Eleanor Frajka-Williams, Ozeanographin an der Universität Hamburg, erklärt:

    Er versorgt den Kontinent mit einer Wärmequelle, ohne die das Wetter und das Klima in Europa ganz anders aussehen würden.

    Eleanor Frajka-Williams, Ozeanographin

    Der Golfstrom - die wichtigste Wärmequelle für das Klima in Europa.
    Der Golfstrom - die wichtigste Wärmequelle für das Klima in Europa.
    Quelle: ZDF

    Forscherin Frajka-Williams misst seit Jahren auf Expeditionen im Nordatlantik die Meerestemperaturen. Für die Veränderung der Atlantikströmung sei besonders die Eisschmelze in Grönland und in der Polarregion relevant, sagt sie. Das Eis ist gefrorenes Süßwasser, das Meerwasser im Atlantik hingegen ist sehr salzig. Und gerade der Salzgehalt macht hier den entscheidenden Unterschied.
    3D-Grafik, Eisberg,Sonnenstrahlen, Christa Orben
    Die Arktis erwärmt sich deutlich schneller als andere Regionen. Christa Orben erklärt, welche Folgen das für das Wetter in Europa hat.28.09.2023 | 0:39 min
    Bisher spielt sich ein wichtiger Teil der atlantischen Umwälzströmung im Norden des Atlantiks ab. Wenn das warme, salzige Wasser aus dem Süden die kalten Gebiete im Norden des Atlantiks erreicht, kühlt das Meerwasser ab und wird schwerer. Es sinkt und fließt in der Tiefe des Ozeans zurück nach Süden.
    Doch wenn viel Eis schmilzt, vermischt sich das salzige Meerwasser mit dem Süßwasser und wird zu leicht, um zu sinken - die Strömung verlangsamt sich. Es droht ein sogenannter Kipppunkt.
    Strömungen im Nordatlantik
    Erreicht das warme Wasser aus dem Süden die kalten Regionen im Norden des Atlantiks, kühlt es sich ab und sinkt.
    Quelle: ZDF

    Forscherin: Kreislauf könnte zusammenbrechen

    "Wenn nur ein bisschen Eis schmilzt, passiert erstmal nicht viel, aber dann schmilzt ein bisschen zu viel und plötzlich bricht der ganze Kreislauf zusammen", sagt Frajka-Williams. Es sei unbestritten, dass dieser Punkt möglich ist. "Wir fragen uns eher, wie genau diese Schwelle überschritten wird, und wann dies geschehen könnte."
    Der IPCC-Bericht des Weltklimarats sagt voraus, dass sich die Strömung in diesem Jahrhundert mit hoher Wahrscheinlichkeit verlangsamen wird und dass dies zu mehr Winterstürmen in Europa führen werde. In diesem Jahrhundert sei aber ein kompletter Zusammenbruch bisher nicht das wahrscheinlichste Szenario.
    Christian Sievers im Gespräch mit Anders Levermann
    Um die Temperatur des Planeten zu stabilisieren, müsse man "keine Verzichtdebatte, sondern tatsächlich eine Strukturwandel-Debatte" führen, so Klimaforscher Anders Levermann.19.03.2024 | 5:26 min

    Expertin: "System wird immer stärker herausgefordert"

    Die genauen Auswirkungen, die das Verlangsamen der Strömung auf unser Klima haben wird, werden noch berechnet, unter anderem von Erdsystemforscherin Johanna Baehr. Sie modelliert auch die möglichen Veränderungen für Europa. Es komme auch darauf an, wie viele Treibhausgase die Menschheit noch ausstößt, sagt sie.

    Das System wird immer stärker herausgefordert und jede neue Herausforderung, die man vielleicht in der Zukunft dann durch geringere Emissionen aufhalten kann, macht das Leben auf der Erde einfacher.

    Johanna Baehr, Erdsystemforscherin

    Die bisher ausgestoßenen Emissionen haben also eine Veränderung angestoßen. Doch jede zusätzliche Tonne CO2, die weniger ausgestoßen wird, kann für die Zukunft noch einen Unterschied machen.

    ZDFheute-KlimaRadar
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