Meer und Boden betroffen:Kunstdünger: Fluch für die Artenvielfalt?
von Susann Mertz
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Auf Felder und Äcker wird immer noch zu viel Kunstdünger und Gülle ausgebracht. Dies ernährt zwar Menschen, führt aber anderswo zu Artensterben und Gesundheitsschäden.
Mittlerweile ist ein Sechstel der gesamten Ostsee von Sauerstoffarmut betroffen. Der Grund: Die Ostsee ist überdüngt.
Quelle: dpa
Statt Urlaubsgefühlen erwartete die Badegäste am Greifswalder Bodden diesen Sommer ein grüner Algenteppich. Die Ostseeküste Schleswig-Holsteins verwandelte sich stellenweise in ein Meer aus Quallen. In Eckernförde wurden Ende letzten Jahres unzählige tote Schollen an Land gespült. Nur drei Beispiele dafür, dass es der Ostsee schlecht geht. Sie ist überdüngt.
Die Ostsee ist bedroht. Das gesamte Ökosystem des Binnenmeeres ist aus dem Gleichgewicht. Auf der Suche nach Erklärungen stoßen Wissenschaftler auch auf sogenannte Todeszonen.09.10.2022 | 28:44 min
Große Teile der Ostsee von Sauerstoffarmut betroffen
Überschüssiges Nitrat und Phosphor aus landwirtschaftlicher Düngung gelangen über Flüsse ins Meer. Algenblüten gedeihen prächtig im nährstoffreichen Wasser. Falls sie nicht als Nahrung für angelockte Ohrenquallen enden, werden sie unter hohem Sauerstoffverbrauch von Mikroorganismen zersetzt. Lebenswichtiger Sauerstoff, der nun anderen Meerestieren fehlt.
Aufgrund starker Überdüngung dehnen sich sauerstoffarme Zonen in der Ostsee aus. Sauerstoffmangel ist für marine Organismen tödlich.
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Prof. Dr. Martin Wahl, Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Mittlerweile ist ein Sechstel der gesamten Ostsee von Sauerstoffarmut betroffen, eine Fläche viermal so groß wie Schleswig-Holstein. Dieser als Eutrophierung bekannte Effekt kann alle Gewässer heimsuchen.
Eintrag von Stickstoff in Nord- und Ostsee durch deutsche Zuflüsse
ZDFheute Infografik
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Kunstdünger ermöglichte Ernährung der wachsenden Bevölkerung
Kunstdünger war für die Menschheit im 20. Jahrhundert zunächst ein Segen - dank der Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch. Ihr entwickeltes Verfahren ermöglicht, dass Stickstoff und Wasserstoff unter hohen Temperaturen und Druck zu Ammoniak reagieren. Daraus kann künstlicher Stickstoffdünger hergestellt werden.
Auch nährstoffarme Böden konnten nun genutzt werden, um Nahrung für eine schnell wachsende Weltbevölkerung zu erzeugen. Die Helmholtz Klima Initiative schätzt, dass circa die Hälfte der heutigen Weltbevölkerung indirekt durch künstlichen Stickstoffdünger ernährt wird.
Stickstoff ist Motor für Pflanzenwachstum. Doch nur in reaktiver Form ist er verwertbar.
78 Prozent der Atmosphäre bestehen aus dem stabilen Stickstoffmolekül N2. Dieser Stickstoff ist nicht reaktionsfreudig und steht Pflanzen somit nicht zur Verfügung. Reaktive Stickstoffe sind zum Beispiel Ammonium (NH4+) oder Stickstoffoxide wie Nitrat (NO3-). Sie entstehen natürlicherweise bei der Symbiose von Knöllchenbakterien und Pflanzen im Boden, bei Vulkanausbrüchen oder durch Blitze, die den Stickstoff der Atmosphäre aufsprengen und die Verbindung von Stickstoff und Sauerstoff anregen. Mit dem Regen gelangen die Stoffe in den Boden, wo Pflanzen sie nun aufnehmen können und dem Nährstoffkreislauf zuführen.
Auch Ausscheidungen von Lebewesen, wie die Gülle von Nutztieren, enthalten Stickstoff. Aufgetragen auf landwirtschaftliche Flächen sorgen Mikroorganismen im Boden dafür, dass aus diesem sogenannten Wirtschaftsdünger Nitrat entsteht.
Im "Nahrungswald" wachsen Obst, Nüsse und Gemüse. Ohne Pestizide und Dünger. Der Wald wächst von alleine und greift kaum in die Natur ein. Nur ernten muss der Mensch. Mima-Reporterin Lara Wiedeking zeigt, wie das funktioniert. 10.10.2024 | 4:35 min
Während der UN-Klimawoche in New York sorgt eine Studie für Druck: Die Belastungsgrenzen des Planeten werden weiter überschritten. Es bleiben fünf Jahre, um den Kurs zu ändern.
von Susann Mertz, Tabea Volz
Zaehle sieht aber auch positive Entwicklungen. So habe Deutschland seine Überschüsse seit 1990 deutlich reduziert. "Dies ist aber kein Grund zum Aufatmen, denn die Überschüsse verteilen sich regional unterschiedlich und sind teilweise, zum Beispiel im Nordwesten Deutschlands, noch sehr hoch", erklärt Zaehle.
Pflanzen können die Menge des aufgebrachten Düngers nicht in Gänze aufnehmen. Der Rest wird abtransportiert, zum Beispiel über Regen ins Grundwasser. Deutschland speist 70 Prozent seines Trinkwassers aus Grundwasserquellen. Nitrat selbst ist erst einmal unbedenklich. Nicht aber Nitrit, das im menschlichen Körper nach Aufnahme von Nitrat-lastigem Wasser entstehen kann und als krebserregend gilt.
Kampf gegen Todeszonen in der Ostsee
Das Projekt "Reallabor Eckernförder Bucht 2030" gründete sich zum Schutz der Ostsee. Künstliche Intelligenz hilft den Zustand des Wassers zu überwachen, um frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Der Einsatz von Blasentang-Algen beispielsweise hilft, überschüssige Nährstoffe aus dem Wasser zu ziehen.
"Großflächige Kulturen von Makroalgen binden CO2 und Nährstoffe", erklärt Martin Wahl vom Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Ernte dieser Algen könne zur Produktion von Biogas und als klimaneutraler und nachhaltiger Dünger in der Landwirtschaft genutzt werden.
So werden der Ostsee nicht nur Nährstoffe entzogen, sondern auch der Neueintrag selbiger gemindert.
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Prof. Dr. Martin Wahl, Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Algen sind unverzichtbar fürs Erdklima und können auf unterschiedlichste Weise genutzt werden.05.07.2023 | 6:14 min
Lösungsansätze kommen aus der Natur
Artenvielfalt im Boden ist der beste Dünger. So können unter anderem Regenwürmer zu mehr Bodenfruchtbarkeit und höheren Erträgen führen. Sie graben und belüften den Boden, verarbeiten totes Pflanzenmaterial und tragen Nährstoffe in den Boden ein. Eine Studie aus dem Jahr 2023 schätzt, dass sie zu 6,5 Prozent der globalen Getreideproduktion beigetragen haben.
Nachhaltige Landwirtschaft, die Artenvielfalt fördert und sich diese zu Nutze macht, lohne sich, meinen die Forschenden.
Böden werden verdichtet, versiegelt, als Spekulationsmasse betrachtet. Biobauer Benedikt Bösel erklärt, weshalb es Zeit ist, den Boden zu "retten" - und was jeder beitragen kann.
Interview
Quelle: dpa
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