Moor-Wiedervernässung: Was gegen Trockenheit im Moor hilft

    Interview

    Gegen Trockenheit im Moor:"Bäche befreien" für Friedländer Große Wiese

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    Moore speichern mehr Kohlenstoff als Wälder. Doch in Deutschland sind fast alle von ihnen trockengelegt und stoßen nun Treibhausgase aus. Wie sie wieder nass werden können.

    Eine Person mit Rucksack steht inmitten einer Moor-Landschaft
    Vielerorts wurden Moore für konventionelle Landwirtschaft trockengelegt. Doch eine Bewirtschaftung ist auch im nassen Moor möglich - mit neuen Methoden.05.10.2024 | 29:44 min
    Mehr als 95 Prozent der deutschen Moorflächen wurden für Landwirtschaft und Besiedlung ausgetrocknet. Doch wenn Luft statt Wasser an den Torfboden gelangt, zersetzen sich die darin enthaltenen Pflanzenreste und Kohlenstoffdioxid wird freigesetzt. Die trockenen Moore in Deutschland stoßen rund 50-mal mehr CO2 aus als der innerdeutsche Flugverkehr. Was zur Wiedervernässung von Mooren wie der Friedländer Großen Wiese notwendig ist, erklärt Irene Kalinin.
    Eine Luftaufnahme von der Friedländer Großen Wiese, ein Moor in Mecklenburg-Vorpommern
    Die Friedländer Großen Wiese von oben: Die Wiedervernässung des Niedermoors soll seinen Fortbestand sichern.
    Quelle: Markus Zahn

    ZDFheute: Die Friedländer Große Wiese in Mecklenburg-Vorpommern ist eines der größten Niedermoore Deutschlands. Sie wollen ihm mehr Wasser zuführen, doch das ist gar nicht so einfach, denn die Reserven im Umland reichen nicht aus. Warum?
    Irene Kalinin: Viele Bäche rund um das Moor sind vor Jahrzehnten in unterirdische Rohre verlegt worden, als man große Ackerflächen für die Ernährung der Bevölkerung brauchte. Man hat später erst gemerkt, dass man so die Landschaft wasserarm gemacht hat. Die Rohre sind geschlossene Systeme, die kein Wasser an den Boden abgeben, sondern es aus der Landschaft herausleiten. Heute müssen wir zusätzliches Wasser aus einem weit entfernten Fluss her pumpen.

    Irene Kalinin, Ingenieurin für Wasser- und Kulturbau
    Quelle: Sarah Pohl

    … ist Ingenieurin für Wasser- und Kulturbau und leitet den Wasser- und Bodenverband "Landgraben" in Mecklenburg-Vorpommern. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, das jahrzehntelang entwässerte Moor Friedländer Große Wiese wieder mit Wasser zu versorgen.

    Auf dem Bild ist die Luftaufnahme eines Moores zu sehen.
    Im niedersächsischen Meppen liegen die Moore praktisch direkt vor den Haustüren. Die staatliche Moorverwaltung setzt sich vor Ort für den Moorschutz ein.22.09.2023 | 1:56 min
    ZDFheute: Wie wollen Sie es schaffen, in Zukunft wieder mehr Wasser aus dem direkten Umland des Moores zu beziehen?
    Kalinin: Wir wollen so viele Bäche wie möglich aus den Rohren befreien und renaturieren. Entlang eines offenen Baches kann sich der Boden mit Wasser vollsaugen und kann dann auch wieder Wasser abgeben, wenn es trockener wird. Zudem können natürliche Teiche entstehen, die das Wasser länger in der Landschaft halten. So haben wir einen längeren, gleichmäßigen Abfluss in unser Moor, selbst zu Trockenzeiten.
    Irene Kalinin steht mit einer Kollegin an einem freigelegten Bach.
    Die Renatuierung von Bächen soll die bestehende Wasserknappheit eindämmen.
    Quelle: Jonas Geisler

    ZDFheute: Die unterirdischen Gewässer liegen oft unter Ackerflächen. Um sie auszugraben, brauchen Sie die Zustimmung der Landwirte. Wo liegen die Hürden?
    Kalinin: Wenn Gewässer überirdisch fließen, gibt es viele Auflagen, die den Bauern vorgegeben werden. Zum Beispiel müssen sie beim Düngen einen Abstand von fünf Metern zu beiden Seiten des Baches einhalten und so haben sie weniger Ertrag. Und das wollen sie natürlich nicht. Wir versuchen, wenn möglich, ihnen mit Hilfe des Landwirtschaftsministeriums Ersatzflächen anzubieten. Aber teilweise sind diese Prozesse noch sehr bürokratisch und langwierig.

    Sehen Sie die Doku "Die Macht der Moore" von plan b am 5. Oktober um 17:35 Uhr im ZDF oder jederzeit in der ZDF-Mediathek.

    ZDFheute: Wie können auch die Landwirte von den renaturierten Bächen profitieren?
    Kalinin: Wasser in der Landschaft ist wichtig für die gesamte Pflanzen- und Tierwelt - und davon kann auch der Mensch profitieren. Wenn ich hier ein Bachbett habe, mit Gebüsch und mit Bäumen, dann ist das auch Lebensraum für Vögel und für nützliche Insekten aller Art.

    Eine gesunde, intakte Natur schützt auch den Acker.

    Man muss vielleicht nicht mehr so viel Insektizide ausbringen.
    Moorwasser im Degermoos im Allgäu
    Feuchtgebiete, wie Moore, sind wichtige CO2-Speicher. Europa will bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden - ohne renaturierte Moore wird das nicht zu schaffen sein.13.06.2024 | 2:26 min
    Und dann kommt hinzu, dass wir um so ein Gewässer, das oberirdisch fließt, auch ein besonderes Mikroklima haben. In trockenen Zeiten kommt es durch die Verdunstung in der Nacht zu Taubildung. Der Tautropfen kann am Getreide zu den Wurzeln laufen und so die Pflanze mit Wasser versorgen.
    Mit der Zeit kommt es zum Umdenken. Es gibt viele Bauern - gerade die kleineren, die die Familienbetriebe weitergeführt haben -, die sind eigentlich oft für die Renaturierung der Bäche. Die kennen das teilweise aus ihrer Kindheit, so wie ich, dass die da auch an den Bächen gespielt haben. Die finden das gut.
    Das Interview führte Jonas Geisler.

    Umweltpreis für Moorforscherin
    :Wie Moore den Klimaschutz voranbringen

    Die Biologin Franziska Tanneberger hat sich dem Schutz von Mooren verschrieben. Für ihren Einsatz bekommt die Forscherin aus Mecklenburg-Vorpommern den Deutschen Umweltpreis 2024.
    von Tabea Volz und Andreas Ewels
    Rohrkolben gehören zu den Hoffnungsträgern der nassen Moornutzung. Franziska Tanneberger setzt sich unter anderem bei Landwirtinnen und Landwirten dafür ein. Am 27. Oktober in Mainz erhält die Moorforscherin den diesjährigen mit 500.000 Euro dotierten Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), den sie sich mit Diplom-Ingenieur Thomas Speidel teilt.
    mit Video

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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