Schutz unserer Gewässer: Gel gegen Mikroplastik im Wasser
Interview
Gel gegen Mikroplastik im Wasser:"Wir verklumpen und schöpfen ab"
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Das Ausmaß der Plastikverschmutzung in unserer Umwelt ist riesig. Chemikerin Katrin Schuhen hat daher ein Gel entwickelt, mit dem sie Mikroplastik aus dem Wasser holen kann.
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Ob in der Luft, im Boden oder in Gewässern - Mikroplastik ist kaum zu sehen und steckt überall drin. Im Umgang damit gibt es unterschiedliche Ansätze. Ein Weg: die winzigen Teilchen aufspüren und entfernen. Dr. Katrin Schuhen hat ein Verfahren entwickelt. Im ZDFheute-Interview erklärt sie, wie es funktioniert.
ZDFheute: Sie können Mikroplastik schnell aufspüren, kostengünstig entfernen und wiederverwerten. Wie machen Sie das?
Katrin Schuhen: Zuerst bestimmen wir die Belastung des Wassers mit Mikroplastik und suchen die Hotspots, also die Orte höchster Belastung. Dabei helfen Fluoreszenzmarker, die Mikroplastik-Partikel zum Leuchten bringen. Zwei bekannte Hotspots sind industrielle und kommunale Abwässer. Hier macht eine Entfernungstechnologie, wie wir sie entwickelt haben, Sinn. Der Clou liegt in der Einfachheit.
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Belastetes Abwasser wird in einen Reaktor gepumpt, durch Einsatz eines Rührers bildet sich eine Trombe. Das sieht dann so aus wie ein kleiner Mini-Tornado. Hier sammeln sich die vielen winzigen Mikroplastik-Partikel. Eine passgenau zusammengestellte Hybridkiesel-Mischung sorgt für das "Verklumpen" der vielen Kleinstpartikel zu wenigen großen Partikeln. Diese sogenannten Agglomerate treiben an die Wasseroberfläche, können einfach abgetrennt werden und gehen in die Wiederverwertung.
Quelle: Wasser 3.0 gGmbH
Dr. Katrin Schuhen (44) ist promovierte Chemikerin und Gründerin von Wasser 3.0. Sie arbeitete von 2008 bis 2012 als Mitarbeiterin in der Medizintechnik sowie der Polymerindustrie. Von 2012 bis 2018 war sie als Juniorprofessorin für Organische und Ökologische Chemie an der Universität Koblenz-Landau tätig. Hier entdeckte sie ihr Wundermittel - das Hybridkieselgel. Sie verließ die Uni und gründete 2020 die Wasser 3.0 gGmbH, ein gemeinnütziges Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe.
ZDFheute: Warum ist ihr Tun so wichtig?
Schuhen: Mikroplastik findet sich überall, in Boden, Luft und Wasser. Gelangen die Kunststoffpartikel mit einer Größe kleiner als fünf Millimeter in die Umwelt, zerstören sie das Gleichgewicht unserer Ökosysteme und sind ein enormes Risiko für unsere Gesundheit. Um das Risiko unmittelbar zu reduzieren, müssen wir die Einträge an den Hotspots reduzieren und unser Wasser schützen.
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ZDFheute: Was sind für Sie die größten Herausforderungen?
Schuhen: Eine der größten Herausforderungen ist, dass diejenigen, die Gamechanger sein könnten, nicht ins Machen kommen oder ins Machen kommen wollen. Und das liegt daran, dass die Gesetzgebung hinterherhinkt und proaktives Handeln in der aktuellen Situation immer weniger stattfindet. Denn: Die Implementierung eines neuen Prozesses kostet Geld. Das Geld sparen durch die Prozessverbesserungen setzt erst mit der Zeit ein. Der Mehrwert existiert in den meisten Köpfen der Entscheider*innen einfach nicht. Es braucht mehr Leuchttürme, Vorbilder, die ganze industrielle Segmente inspirieren und zeigen, dass sozial-ökologische Transformation auch ökonomisch funktioniert.
Als Mikroplastik bezeichnet man Kunststoffteilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind und auf vielfältigen Wegen in die Umwelt gelangen.
Primäres Mikroplastik Typ A kategorisiert und betrachtet Mikroplastik als Chemikalie. Diese Kategorie umfasst die Arten, die direkt zu Produkten (z. B. Körperpflegeprodukte, Putzmittel, Lacke) zugesetzt werden. Dieser Anteil wird bereits häufig durch wasserlösliche Polymere ("flüssiges Mikroplastik") ersetzt. Produkte werden dann häufig mit dem Zusatz "Mikroplastikfrei" oder "Ohne Mikroplastik" beworben.
Die Kategorie primäres Mikroplastik Typ B umfasst Kunststoffpartikel, die bei der Nutzung von Kunststoffprodukten entstehen und direkt (ohne Umwege) als Mikroplastik in die Umwelt eingetragen werden. Beispiele sind Reifenabrieb oder Kleidungsfasern von Synthetik-Kleidung.
Sekundäres Mikroplastik umfasst alle Mikroplastikpartikel, die durch langsamen Zerfall großer Plastikteile beziehungsweise Plastikmüll in der Umwelt entstehen. Dies kann durch jegliche Arten äußerer Einflüsse passieren, z. B. durch UV-Strahlung, Bakterien oder auch durch Reibung.
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ZDFheute: Wie geben Sie Ihr Wissen weiter?
Schuhen: Neben Forschungs- und Entwicklungsarbeit gehört Bildung und Kommunikation zu einem meiner Steckenpferde. Ich versuche den Bogen zu spannen und die Menschen, insbesondere die Kinder und Jugendlichen, für das Thema Wasser und die Mitarbeit in unseren Projekten zu begeistern.
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ZDFheute: Was wünschen Sie sich von der Politik?
Schuhen: Maximale Offenheit, Ministerien-übergreifende Arbeit und viel mehr Handlungsschnelligkeit. Es dauert alles viel zu lang. Hinzu kommt, dass in den Konferenzen und den Gremien immer die gleichen Menschen und feste Meinungen am Tisch sitzen. Aber es geht nicht um Meinungen, sondern um datenbasiertes Entscheiden. Es geht nicht um Regieren und Verhindern, sondern um Technologieoffenheit und Wirkungsbeschleunigung.
ZDFheute: Was wünschen Sie sich von uns als Verbrauchern?
Schuhen: Mut. Wissensdurst. Gemeinschaftliches Handeln. Wir alle sind das Herzstück des Umweltschutzes. Wir können echtes Umdenken und Handeln beschleunigen, indem wir Stellschrauben im eigenen Leben identifizieren, beispielsweise im Konsumverhalten. Oder in Form von gemeinsamen Aktivitäten mit gemeinnützigen Organisationen.
Das Interview führte Jenny Zimmermann.
Quelle: ZDF
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