Klimawandel: Was heiße Meere für Hurrikans bedeuten
FAQ
Folgen des Klimawandels:Wie das Hurrikan-Fenster immer größer wird
von Kevin Schubert
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Die Weltmeere sind immer noch rekordverdächtig heiß. Was heißt das für die Hurrikan-Saison in USA und Lateinamerika? Gibt es bald auch bei uns Wirbelstürme? Ein Überblick.
Hurrikan "Beryl" erreichte Anfang Juli die stärkste Kategorie 5 - so früh in der Saison wie kein Hurrikan zuvor. (Archivbild)
Quelle: AFP
Aktuell ist es ruhig auf dem Atlantik. Kein Sturm, kein Hurrikan, kaum Wolken. Lediglich eine Störung mitten über dem Atlantik könnte sich in den kommenden zwei Tagen ausweiten. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber gering - "10 Prozent", schätzt das National Hurricane Center in Miami, Florida.
Für die Karibik und die USA sind das kurz vor dem traditonellen Höhepunkt der Hurrikan-Saison erst einmal gute Nachrichten. In keinem Monat gibt es - historisch betrachtet - so viele tropische Stürme und Hurrikans wie im September. Zudem sind die Wassertemperaturen weltweit nach wie vor extrem hoch. Der Atlantik bildet da keine Ausnahme, wie Daten aus dieser Woche zeigen (Hinweis: Tag 239 ist in diesem Jahr Dienstag, der 27. August):
Temperaturen der Meeresoberfläche im Nordatlantik
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Wegen der hohen Temperaturen hatte die National Oceanic and Atmospheric Administration der USA bereits im Mai vor einer wahrscheinlich besonders starken Hurrikan-Saison gewarnt. Was sich Anfang Juli auch prompt bewahrheitete, als Hurrikan "Beryl" die stärkste Kategorie 5 der Saffir-Simpson-Skala erreichte. Das entspricht Windgeschwindigkeiten von mehr als 252 km/h - was so früh in der Saison, die vom 1. Juni bis zum 30. November geht, noch nie erreicht wurde.
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Ist die aktuelle Ruhe also trügerisch? Wie wirken sich Klimawandel und hohen Ozeantemperaturen langfristig auf Wirbelstürme aus - und wie beeinflusst uns das in Europa? ZDFheute gibt einen Überblick über den Stand der Wissenschaft.
Wie entstehen Hurrikans, Taifune und Zyklone?
Hurrikans, Taifune und Zyklone beschreiben - je nach Region - dasselbe Wetterphänomen: tropische Wirbelstürme, die sich auf Ozeanen bilden und Windgeschwindigkeiten von mehr als 118 km/h aufweisen.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Hurrikans aus?
Während Prognosen über die Häufigkeit von tropischen Wirbelstürmen noch vergleichsweise unzuverlässig sind, ist sich die Wissenschaft in einem einig:
Das sagt Physiker Anders Levermann, Leiter der Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Physik-Professor an der Universität Potsdam.
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Der Klimawissenschaftler Tom Knutson hat für die NOAA die aktuellen Forschungsergebnisse zusammengefasst - und listet unter anderem diese Erkenntnisse auf:
Höhere Niederschlagsmengen: Die vom Menschen verursachte Erwärmung führt zu einer feuchteren Atmosphäre. Modellstudien prognostizieren bei einer Erwärmung um 2 Grad Celsius bis zu 15 Prozent höhere Niederschlagsmengen im Umkreis von etwa 100 Kilometern um den Sturm.
Höhere Intensität: Modellprojekte rechnen mit einer um 1 bis zu 10 Prozent erhöhten Intensität - das Zerstörungspotenzial jedes Sturms ewäre dann prozentual noch größer.
Mehr intensive Stürme: Auch der Anteil tropischer Wirbelstürme, die sehr intensive Stufen (Kategorie 4 und 5) erreicht, wird voraussichtlich steigen.
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Welche Rolle spielt die Meerestemperatur?
Eine große. "Hurrikans beziehen ihre Kraft aus der thermischen Energie, die im Wasser steckt", sagt Anders Levermann. Je höher die Wassertemperatur sei, desto mehr Energie stehe tropischen Wirbelstürmen zur Verfügung. Auch das Zeitfenster für die Hurrikan-Saison werde sich zunehmend ausweiten.
Was heißt das für betroffene Küstenregionen?
Im Atlantik sind "besonders die karibischen Inselstaaten" stark exponiert, sagt Anders Levermann. "Sie bilden meist eine Pufferzone für die Vereinigten Staaten." Über den Landmassen der Karibik sorgten Hurrikans für enorme Verwüstungen, verlören Energie und erreichten dann häufig geschwächt die USA. Ausnahmen wie Hurrikan Katrina, der 2005 erst über dem Golf von Mexiko zum Hurrikan der Kategorie 5 wurde, sind dabei grundsätzlich möglich.
Klimawissenschaftler wie Levermann weisen auf weitere Effekte des Klimawandels hin, die die Zerstörung durch Hurrikans in Verbindung noch verstärken können. Durch den Anstieg des Meeresspiegels können tropische Wirbelstürme zu noch schwereren Überschwemmungen führen. Das Absterben von Korallenriffen in zu heißen Gewässern wiederum bedeutet, dass natürliche Schutzbarrieren in Küstennähe erodieren - und das von Hurrikans aufgepeitschte Meer ungebremst an Land brandet.
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Ist auch eine europäische Hurrikan-Saison möglich?
Die Antwort ist ein klassisches "Nein, aber". "Als tropischer Wirbelsturm gelangen Hurrikans nicht bis nach Europa", sagt Anders Levermann. Sie können sich allerdings zu einem außertropisches Tief werden - "was noch genauso aussehen kann und ebenfalls extrem starke Winde verursachen kann". Hurrikan "Ophelia" etwa zog als Sturm 2017 über Irland und Schottland bis nach Norwegen - und galt zumindest in Irland als einer der heftigsten Stürme der vergangenen 50 Jahre.
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Auch wenn es schwer sei, die Zugbahn von Hurrikans vorherzusagen und Unterschiede möglich seien, so folgten die tropischen Stürme doch häufig der allgemeinen Windrichtung im Atlantik, einer Art "Hufeisenform", sagt Levermann, also: Westküste Afrikas > amerikanischer Kontinent > Landfall oder Umkehr nach Nordosten Richtung Europa.
"Normalerweise sterben Hurrikans dann im Nordatlantik", sagt Levermann. Das Wasser sei zu kalt, Europa also von einer Kältebarriere geschützt.
Der Klimawissenschaftler fürchtet, dass die Schutzbarriere für Europa irgendwann so schwach sein könnte, dass es tatsächlich so etwas wie eine europäische Hurrikan-Saison geben könnte - "auch wenn das bei uns dann keine tropischen Stürme mehr sind, weil Europa sich nicht in den Tropen befindet", sagt Levermann.
"Uns würden maximal Ausläufer erreichen", sagt Levermann. Deutschland sei durch vorgelagerte Landmassen ausreichend geschützt, vor allem Portugal, Spanien, Frankreich und England schirmten uns vom Atlantik ab.
Tornados sind dagegen in Deutschland möglich. Bei Tornados handelt es sich um Windhosen, die aus einer Gewitterzelle heraus entstehen können. Sie treten im Gegensatz zu Hurrikans, die als Sturmsystem einen Durchmesser von mehr als 1.000 Kilometer erreichen können, nur lokal auf - und sind in Deutschland eher selten.
Nein. Dort gibt es gelegentlich das Wetterphänomen der sogenannten "Medicanes", ein Kunstwort aus "Mediterranean hurricane". Diese tropensturm-ähnlichen Sturmtiefs "können lokale Probleme sein, sind aber nicht vergleichbar mit Hurrikans", sagt Klimawissenschaftler Levermann. Auch ihre Intensität könnte in Zukunft allerdings mit der Temperatur des Mittelmeers steigen.