Kokosnuss: Schattenseiten in Anbaugebieten des Superfoods

    Hoffnung EU-Lieferkettengesetz?:Die Schattenseiten des Superfoods Kokosnuss

    von Marie Weiser
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    Unser Kokos-Konsum sorgt für Probleme in den Anbauländern. Bringt das neue Lieferkettengesetz der EU mehr Kontrolle und Sicherheit für die Menschen vor Ort?

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    Kokosmilch, Kokoseis, Kokosflocken - die Tropenfrucht schmeckt nach Sommer und Urlaub. Doch die Anbaubedingungen sind oft wenig paradiesisch.05.05.2024 | 27:53 min
    Die Kokosnuss gilt als echtes Superfood - lecker, gesund und scheinbar grenzenlos einsetzbar. Die weltweite Nachfrage nach Kokosnuss steigt. Aber der zunehmende Konsum bringt Probleme in den Anbaugebieten mit sich. Kokosfarmer arbeiten unter gefährlichen Bedingungen und das oft für wenige Euro am Tag.

    Kokosfarmer: Leben in Armut und gefährliche Ernte

    Laut einer Oxfam-Studie leben geschätzt rund 60 Prozent der Kokosnussbauern auf den Philippinen unterhalb der Armutsgrenze. Sie sind abhängig von Zwischenhändlern und haben durch mangelnde Bildung oft wenig Ahnung vom Geschehen auf dem Weltmarkt. Als Lohn nehmen sie das, was man ihnen anbietet.
    Dazu kommen die gefährlichen Arbeitsbedingungen bei der Ernte. Es gibt keine Maschinen, die den Farmern das Klettern in schwindelerregender Höhe abnehmen können. Statistiken zu Stürzen oder Todesfällen findet man jedoch nicht.
    Fotomontage mit Bananen, Plantage, Flugzeug und im Hintergrund der grün leuchtende Spur-Fingerabdruck.
    Umweltfreundlich und fair produzierte Bananen - mit Nachhaltigkeitssiegeln werben Firmen um Kunden. Halten sie ihr Versprechen?13.09.2023 | 29:01 min
    Kokosnussfarmer Martin Lewar aus Flores Island in Indonesien berichtet von dem Risiko, das er und andere Farmer bei ihrer Arbeit eingehen:

    Ich habe einen Freund, der von einer Palme gefallen ist. Er war oben am Ernten und hat sich an einem Blatt festgehalten, das aber nicht stark genug war, um ihn zu halten.

    Martin Lewar, Kokosnussfarmer

    "Zum Glück", fährt Lewar fort, "wurde sein Sturz durch einen anderen Baum abgefangen. So ist er zum Glück nicht gestorben, sondern wurde nur schwer verletzt."

    Plantagenarbeit: Fehlende Daten und Kontrollen

    Das Problem: Bei uns ist über die Arbeitsbedingungen vor Ort wenig bekannt. Unter welchen Umständen Farmer wie Martin arbeiten, wird weder erfasst noch kontrolliert.
    "planet e.: Cashew und Co. - Genuss mit Beigeschmack": Cashewkerne.
    Nüsse sind Nährstoffbomben. Aber weite Transportwege und undurchsichtige Lieferketten trüben das Image. Eine Umverteilung könnte für mehr Fairness sorgen.07.05.2023 | 28:55 min
    Dass das ein großes Problem ist, weiß auch Prof. Dr. Melanie Speck von der Fakultät für Agrarwissenschaften der Hochschule Osnabrück. Sie erklärt: "Aus Forschungssicht ist es sehr traurig zu sehen, dass wir hier gerade unter dem Kontext der sozialen Sicherung und der sozialen Nachhaltigkeit keinerlei valide Daten und Fakten haben, wir haben kein Reporting und auch generell kein globales Monitoring zu sozialer Sicherheit."

    In dem Zuge ist es relevant, dass Europa über ein Lieferkettensystem nicht nur nachdenkt, sondern es auch umsetzt.

    Melanie Speck, Agrarwissenschaftlerin Hochschule Osnabrück

    Lieferkettengesetz: Faire Löhne und Arbeitsbedingungen?

    Auf dem Weg zu einem EU-weiten Lieferkettengesetz wurde die nächste Hürde genommen: Das EU-Parlament hat für ein Lieferkettengesetz gestimmt. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen dazu, in ihren Lieferketten gewisse Standards zu garantieren, und zwar an jedem Punkt der Lieferkette.

    EU-Parlament
    Quelle: phoenix

    ... hat das EU-Parlament am 24.04.2024 zugestimmt. Es gilt für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Beschäftigten, die einen jährlichen Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro haben.

    Bei der finalen Abstimmung in Straßburg stimmten 374 Abgeordnete für das Gesetz, 235 dagegen und 19 enthielten sich. Auch Deutschland enthielt sich, da innerhalb der Bundesregierung keine Einigkeit herrscht.

    Formal muss das Gesetz noch bestätigt werden, anschließend können die Mitgliedsstaaten es in ihrem nationalen Recht umsetzen.

    So will man zum Beispiel gegen Umweltverschmutzung, Kinderarbeit oder Menschenrechtsverletzungen vorgehen. Halten sich Unternehmen nicht an diese Vorgaben, können sie haftbar gemacht werden.
    Einige Handelsvertreter und Parteien haben das Gesetz kritisiert, da es zu viel Bürokratie für Unternehmen darstelle. Für die Menschen, die am Anfang der Lieferkette stehen, ist es ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz, Kontrolle und würdigen Arbeitsbedingungen. Auch Farmer Lewar könnte davon profitieren, indem er für seine Arbeit einen fairen Lohn bekommt.
    Reifenberg in Waldumgebung
    Das EU-Lieferkettengesetz soll garantieren, dass nach Europa keine Rohstoffe kommen, für die Regenwald gerodet wurde. Doch gerade bei Kautschuk ist dies kaum möglich.04.02.2024 | 28:40 min

    Zertifizierte Kokosprodukte: Bessere Konditionen für die Farmer

    Was können wir als Konsumenten tun, um abgesehen von Gesetzen einen Beitrag zu leisten? Schon jetzt kann man beim Kauf und Konsum von Kokosprodukten auf Zertifizierungen wie Fairtrade achten.
    Denn Produkte wegen zweifelhafter Anbaubedingungen komplett zu boykottieren und gar nicht mehr zu kaufen, würde den Farmern vor Ort ihre Lebensgrundlage komplett entziehen.
    Der Kokos-Boom hierzulande führt zu wachsenden Abhängigkeiten in den Anbauländern und erschwert kurzfristige Lösungen, die trotzdem die Existenz der Farmer vor Ort sichern könnte. Die Hoffnung liegt also in den langfristigen Veränderungen, die das Lieferkettengesetz anstoßen und konsolidieren will.

    planet e.

    Mehr Dokumentationen von planet e. finden Sie jederzeit in der ZDF-Mediathek oder sonntags um 15:45 im TV.

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