Was ist von der Weltklimakonferenz in Dubai zu erwarten?
Interview
Weltklimakonferenz:Was ist von der COP28 in Dubai zu erwarten?
von Christine Elsner
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Emissionen schneller verringern, Anpassungsmaßnahmen finanzieren, mit Schäden und Verlusten umgehen - Welche Weichen muss die COP28 stellen und was ist zu erwarten? Ein Interview.
Auf der COP28 beraten zehntausende internationale Vertreter über Möglichkeiten zur Eindämmung der Erderwärmung. Streitthema ist vor allem der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.30.11.2023 | 1:31 min
ZDFheute: Ein Ölkonzern-Chef wird die Klimakonferenz leiten. Sehen Sie darin Chance oder Hindernis?
Niklas Höhne: Bei einem Chef eines Ölkonzerns muss man eigentlich davon ausgehen, dass er Prioritäten hat, die nicht unbedingt mit dem Schutz des Weltklimas einhergehen. Selbst wenn das nicht so wäre - er hat von vornherein einen schwierigen Stand. Insbesondere, weil es bei dieser Konferenz auch darum geht, den Ausstieg aus fossilen Energien zu beschließen, also seinem eigenen Unternehmen die Existenzgrundlage zu entziehen.
Quelle: New Climate Institut
... ist Mitbegründer des "New Climate Institute" und Professor an der Universität Wageningen. Der Experte für nationale und internationale Klimapolitik hat zahlreiche Studien und wissenschaftliche Artikel zum diesen Themen verfasst. Als Wissenschaftler hat er viele Regierungen und Organisationen beraten. Seit 1995 nimmt er an den internationalen Klimaverhandlungen teil.
ZDFheute: Kann das angestrebte 1,5-Grad-Limit überhaupt noch gehalten werden?
Höhne: Das 1,5-Grad-Limit kann noch erreicht werden, aber ganz sicher nicht mit einem 'Weiter so'. Dazu müsste in den Notfallmodus umgeschaltet und extrem schnell Treibhausgasemissionen reduziert werden. Man müsste also das unmöglich Geglaubte möglich machen. Leider ist ein solcher Notfallmodus in der Klimapolitik noch nirgends zu spüren, trotz der extremen und überraschend heftigen Klimaschäden in diesem Jahr.
ZDFheute: Wird es in Dubai endlich ein "phase out of fossil fuels" geben?
Höhne: Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht vor, dass Treibhausgasemissionen netto null erreichen müssen, also nicht mehr ausgestoßen wird, als der Atmosphäre wieder entzogen wird. Das ist nur mit einer vollständigen Reduktion der fossilen Energien zu erreichen, um noch etwas Platz zu lassen für Emissionen, die man tatsächlich nicht reduzieren kann - zum Beispiel aus der Landwirtschaft.
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Es müsste also eigentlich ein Leichtes sein, jetzt explizit zu beschließen, aus fossilen Energien auszusteigen ("phase out of fossil fuels"). Diejenigen, die das Leben der fossilen Energien verlängern wollen, fordern weichere Formulierungen wie Reduzierung der fossilen Brennstoffe - nicht den Ausstieg - oder Null Emissionen bei Weiternutzung der fossilen Brennstoffe mit der teuren und unzuverlässigen Technologie der CO2 Abscheidung und Speicherung. Solche Formulierungen wären kein Fortschritt, sondern aus meiner Sicht sogar ein Rückschritt.
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ZDFheute: Zentrales Thema werden die "Anpassungsmaßnahmen" sein. Was muss die Konferenz hierzu leisten?
Höhne: Anpassung ist schon länger ein Thema. Aber was neu auf die Agenda gekommen ist, dass die Länder des Globalen Nordens auch für Schäden aufkommen müssen, die inzwischen unvermeidbar sind - an die man sich einfach nicht mehr anpassen kann.
Nach jahrelangem Sträuben der Industrieländer wurde letztes Jahr ein neuer Fonds ins Leben gerufen, dessen Regeln noch zu beschließen sind. Ein erstes Konzept könnte in Dubai beschlossen werden. Eine Vorlage wurde bereits von einem Komitee im Vorfeld verabschiedet.
ZDFheute: Wie steht es um die derzeitige Klimafinanzierung - was muss am Ende der COP im Schlussdokument stehen, damit Schäden und Verluste im globalen Süden ausgeglichen werden?
Höhne: Die entwickelten Länder sind ihrem Versprechen nicht gerecht geworden, 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr Klimafinanzierung zu mobilisieren. Obwohl das 2009 gesetzte Ziel eigentlich schon viel zu niedrig angesetzt ist, ist es immer noch nicht erreicht. Immerhin gibt es die Hoffnung, dass es 2023 noch erreicht wird. Aber es frustriert den Globalen Süden sehr, aus meiner Sicht zurecht.
100 Milliarden US-Dollar sind nicht viel, wenn man es mit den 30 Milliarden Euro vergleicht, die der deutsche Staat alleine für die Flutkatastrophe im Aartal gezahlt hat, oder den 65 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen, die Deutschland jedes Jahr ausgibt.
ZDFheute: Sind die derzeitigen Krisen in der Welt ein Bremsklotz in der Klimadiplomatie?
Höhne: Internationale Klimapolitik funktioniert nur, wenn Länder oder Regierungen miteinander reden und sich Zeit nehmen für das Thema. Derzeit sind aber viele Regierungen absorbiert, die anderen kurzfristigen Krisen zu bewältigen. Das bedeutet, es wird schwieriger für internationalen Klimaschutz.
Immerhin sprechen die größten Emittenten USA und China wieder über Klima, haben eine gemeinsame Erklärung abgegeben und bilden damit die Grundvoraussetzung, dass auch auf der globalen Ebene zu Fortschritten kommt.
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