Internet mal anders: 10 Jahre .berlin, .jetzt, .nrw und Co.
Zehn Jahre .nrw, .jetzt und mehr:Was alternative Internetendungen gebracht haben
von Stefan Mey
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Vor zehn Jahren änderte sich das Aussehen des Internets grundlegend. Seitdem gibt es Internetendungen für alles Mögliche, von .aaa bis .zuerich. Wie hat sich das ausgewirkt?
Fast 46.000 Internet-Adressen enden auf .berlin.
Quelle: dpa
Das Internet wandelt sich rasend schnell. Lange Zeit hatte es wenigstens eine Konstante gegeben: Die digitale Welt bestand aus wenigen allgemeinen Endungen wie .com und Länder-Endungen wie .de. Vor zehn Jahren war es auch mit dieser Gewissheit vorbei.
Anfang 2014 ging .berlin online. Es folgten .hamburg, .nrw, .reise, .kaufen, .versicherung und .jetzt. Und im globalen Kontext unter anderem .yoga, .shop, .bio und .monster. Insgesamt kamen über 1.200 neue Endungen hinzu.
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Verantwortlich für diese digitale Reform war die ICANN. Die "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers" ist eine Art digitales Grundbuchamt und führt eine Liste aller weltweit verfügbaren Internetendungen (in der Fachsprache Top-Level-Domains genannt, abgekürzt TLDs). Gegen eine Gebühr von 185.000 Dollar hatten sich Unternehmen zuvor um eine selbst gewählte neue Top-Level-Domain bewerben können.
Die "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers" ist eine Art globale Internetbehörde. Sie ist zum einen für IP-Adressen zuständig. Diese digitalen Postadressen sind die Grundlage jeder Kommunikation im Internet. Zum anderen führt die ICANN - über ihre Abteilung IANA - eine lange Liste, auf der aktuell etwa 1.600 Top Level Domains stehen (das ist der Fachbegriff für Internetendungen). Nur wenn Top Level Domains dort auftauchen, sind sie für alle Menschen auf der Welt erreichbar. Die ICANN ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz im US-amerikanischen Los Angeles. Im Vorstand sitzen Vertreter der Internetwirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft.
Man könnte Top Level Domains mit riesigen Baugrundstücken vergleichen, auf denen Unternehmen und Einzelpersonen einzelne Parzellen erwerben können. Diese Parzellen sind konkrete Web-Adressen, wie etwa bundesregierung.de oder land.nrw. Hinter den neuen Endungen stehen meist entweder kleine Einzelbetreiber (wie bei .berlin) oder große Unternehmen. Der weltweite Platzhirsch ist das US-Unternehmen Identity Digital, zu dessen Portfolio 277 Endungen gehören, darunter .reise, .gmbh oder .bio. Wer sich eine Web-Adresse zulegen möchte, geht nicht direkt zum jeweiligen Betreiber. Für das Endkundengeschäft zuständig sind sogenannte Registrare wie in Deutschland Ionos, Key Systems oder Strato. Diese verkaufen Adressen für Preise zwischen einigen Cent oder mehreren Euro pro Monat.
Internetendungen - mehr Vielfalt als Ziel
Rückblick: Am 18. März 2014 wird im Rathaus in Berlin die Hauptstadt-Endung .berlin offiziell für die allgemeine Nutzung freigeschaltet. Der extra angereiste ICANN-Manager Cherine Chalaby kündigt in großen Worten an: "Die Einführung der neuen TLDs ist eine der größten Umbrüche in der Geschichte des Internets." Die Reform bedeute drei Dinge:
Was ist zehn Jahre später von diesem angekündigten Umbruch zu sehen? Nicht viel, wie ein Blick auf die nüchternen Zahlen nahelegt. Laut des unabhängigen Statistikportals nTLDstats.com kommen alle neue Endungen zusammen auf etwa 40 Millionen Web-Adressen. Klingt viel, ist es aber nicht: Allein bei der größten klassischen Endung .com sind es rund 160 Millionen Adressen.
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Endung .com mit großem Vorsprung
Im Gespräch mit ZDFheute macht Stefan Meinecke von nTLDStats.com auf den schwer einzuholenden Vorlauf der alten Endungen aufmerksam: "Zahlenmäßig mag der Erfolg der nTLDs im Vergleich zu .com begrenzt erscheinen, aber es ist wichtig zu berücksichtigen, dass .com einen Vorsprung von Jahrzehnten hat."
Trotzdem gehe es voran: "Die neuen Internetendungen haben in den letzten Jahren definitiv an Bedeutung gewonnen, insbesondere in bestimmten Nischenmärkten oder für spezifische Anwendungen."
Top 10 neue Endungen global
ZDFheute Infografik
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Die weltweit erfolgreichste Endung ist .xyz - ein Überraschungssieger, der seinen Erfolg offensivem Marketing und purem Glück verdankt. Der neu formierte Mutterkonzern von Google Alphabet war im Jahr 2015 auf die Adresse abc.xyz umgestiegen. Das hatte für weltweite Bekanntheit gesorgt.
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Hierzulande kommen vor allem geografische Endungen für Städte, Bundesländer oder Regionen an. Der Berliner Dirk Krischenowski ist der Geschäftsführer der Firmen hinter .berlin und .hamburg und eine prägende Figur der kleinen deutschen Szene neuer Internetendungen.
Ja, in der Branche habe man mehr erwartet, sagt er. Dennoch laufe das Geschäft: "Unseren schlanken Businessplan haben wir nicht ganz eingehalten, trotzdem sind wir profitabel." Außerdem sei man inhaltlich zufrieden:
Ab 2026 wieder neue Endungen möglich
Trotz des zahlenmäßig eher überschaubaren Erfolgs schaut die Branche bereits gebannt auf die nächste Runde der Erweiterung. Ab April 2026 wird es wieder möglich sein, sich bei der Internetbehörde ICANN um eine neue Endung zu bewerben. "Die Pläne sind mittlerweile weit fortgeschritten", so Krischenowski.
Zumindest eines hat sich durch die neuen Endungen verändert: Wer sich eine Webseite zulegen will, hat seit 2014 eine große Auswahl. Auch wenn der große "Umbruch in der Geschichte des Internets" weniger Spuren hinterlassen hat als ursprünglich erhofft.
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