Deich und Düne: So schützt sich Deutschland vor Hochwasser

    Starkregen und Sturmfluten:Wie schützt sich Deutschland vor Hochwasser?

    von Anne-Kathrin Dippel
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    Starkregen und Sturmfluten führen immer wieder zu Hochwasser. Wie schützt sich Deutschland vor Überflutungen? Ein Überblick.

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    Flüsse treten über die Ufer, Sturmfluten drücken gewaltige Wassermassen ins Landesinnere: Wie lässt sich die Bevölkerung effektiv vor der Naturgewalt Wasser schützen? Und wo können die Schutzmaßnahmen in Deutschland noch verbessert werden? Ein Überblick. 

    Wie entsteht Hochwasser?

    Entscheidend für die Entstehung von Hochwasser ist die Gestaltung der Landschaft um die Flussbetten herum, erklärt das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Demnach sind Auen, also Überflutungsflächen entlang der Flüsse und Bäche, maßgeblich. Bei Hochwasser werden die Auen überflutet, bei Niedrigwasser fallen sie wieder trocken.  
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    Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz gibt es allerdings immer weniger Auen. Sie machen demnach nur noch 32 Prozent der ufernahen Flächen aus - die restlichen Gebiete seien für Landwirtschaft oder zum Bau von Siedlungen entwässert worden. "Deichbau und Entwässerung, die lokal sinnvoll waren, haben durch ihre flächenhafte Umsetzung dazu geführt, dass heute ganze Landstriche anfälliger für Hochwasserereignisse sind", erklärt IGB-Forscher Martin Pusch.  

    Welche technischen Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser gibt es ... 

    ... an der Küste? 

    Küstengebiete profitieren vom Schutz, der sowohl durch natürliche Dünenlandschaften als auch durch künstlich errichtete Deiche geboten wird. 
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    Dünen und Deiche unterscheiden sich dabei in ihrer Beschaffenheit und Entstehung: Dünen entstehen, wenn Sand durch starken Wind angehäuft wird. Sie bieten Lebensraum für Pflanzen und Tiere, sind Teil des Ökosystems der Küste und wirken als natürliche Barrieren, etwa gegen Sturmfluten. 
    Deiche werden als künstlicher Schutz vor Hochwasser, Fluten oder Sturmfluten errichtet. Aus welchem Material sie bestehen, hängt von ihrer Aufgabe ab und den örtlichen Gegebenheiten der Gewässer, an denen sie gebaut werden. Deiche an Binnengewässern sind hauptsächlich darauf ausgerichtet, Wasserdruck bei hohen Wasserständen standzuhalten, während Küstendeiche zusätzlich gegen die Einwirkungen von Wellen konzipiert sein müssen. Außerdem sind sie meist mit Gras bewachsen, um sie so vor Erosion zu schützen. 
    Deichlängen in den Bundesländern
    ZDFheute Infografik
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    "Die gesamte Festland-Küste ist eingedeicht, mit kleinen Ausnahmen, wo natürliche Schutzanlagen in Form von Strand-Dünen-Systemen vorhanden sind", erklärt der Küstengeologe Christian Winter, Professor an der Universität Kiel. Diese Strände und Küsten seien jedoch auch von den häufiger werdenden Sturmfluten und dem steigenden Meerwasserspiegel bedroht. 
    Die Inseln seien nur auf der Wattseite, also der Seite zwischen Insel und Festland, eingedeicht. Die zum Meer gerichtete Seite und die Inselkerne seien durch natürliche Dünen-Systeme geschützt, die laut Winter "erfreulich gut funktionieren". 

    ... im Binnenland? 

    In Hochwasser-Risikogebieten würden Orte hauptsächlich durch Deiche geschützt, sagt Dr. Uwe Müller, Vizepräsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall. Wo Häuser nah am Ufer stehen oder kein Platz für Deiche in der nötigen Höhe ist, würden stattdessen Hochwasserschutzwände gebaut. 
    Um große Wassermassen besser zu kontrollieren, gibt es an Fluss-Oberläufen außerdem Talsperren und Rückhaltebecken. "Das Wasser, was dort zufließt, wird dann erstmal aufgefangen und zwischengespeichert und wird dann abgegeben, wenn in den Flüssen wieder weniger Wasser ist", sagt Müller. 
    Welche Maßnahmen helfen gegen Hochwasser? Die Infografik zeigt, dass Deiche besiedelte Gebiete schützen. Wenn Gebäude direkt am Ufer stehen, können Hochwasserschutzwände helfen. Des Weiteren gibt es Rückhaltebecken und Talsperren - aber auch die Kanalisation kann verbessert werden.

    Was erschwert den Hochwasserschutz? 

    In vielen Hochwasser-Risikogebieten befinden sich Wohngebiete in Ufernähe, so Müller. Diese seien folglich schneller von Hochwasser betroffen. Besonders kritisch sieht Müller dabei auch, dass in Hochwasser-Risikogebieten weiterhin neue Baugebiete erschlossen würden. 
    Außerdem sei zu viel Fläche durch Bebauung versiegelt und Böden durch längere Dürreperioden so stark ausgetrocknet, dass große Wassermengen nur schwer versickern könnten. 
    Blick auf das Hochwassergebiet, nachdem der Fluss Ems über die Ufer getreten ist steht das Wasser auf vielen flachen im Landkreis Emsland.
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    Mit welchen Maßnahmen kann der Schutz vor Hochwasser verbessert werden? 

    Für Regionen mit erhöhtem Hochwasserrisiko empfiehlt Müller weniger Neuversiegelung und auch die Entsiegelung von Flächen. Ein weiterer wichtiger Faktor: der Erhalt und Ausbau von naturnahen Gewässern und Auen für einen besseren Hochwasserschutz. "Durch Wasserrückhalt in der Fläche, wie etwa durch Gewässer und Auen, fließt das Wasser nicht schnell weg. Das Versickerungsvermögen in den Gebieten bleibt erhalten und das Wasser kann so ins Grundwasser gelangen." 
    Eine zusätzliche Maßnahme zum Schutz vor Hochwasser in Küstenbereichen sind Klimadeiche, die angesichts sich verändernder Klimabedingungen flexibler angepasst werden können. 
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    "Bei diesen Deichen ist eine nachträgliche Erhöhung schnell möglich", sagt Küstengeologe Winter. Bisher wird dieses Verfahren jedoch nur bei Deichen in Schleswig-Holstein genutzt. Winter fordert: "Heutige Bemessungskonzepte sollten den Anstieg des Meeresspiegels, erhöhten Wellenauflauf und die Überlagerung verschiedener Ereignisse mitberücksichtigen."
    Winter betont, dass zukünftige Schutzkonzepte sowohl den steigenden Meeresspiegel als auch verstärkten Wellengang berücksichtigen sollten, ebenso wie das gleichzeitige Auftreten verschiedener Naturphänomene. Weiteres Verbesserungspotenzial sieht er auch bei den Prognosemodellen für Hochwasser. Ein hundertprozentiger Schutz vor Schäden sei jedoch nicht möglich.  
    "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Extremereignisse und die extremen Wasserstände zukünftig nicht weniger werden. Und wir müssen uns von der Erwartungshaltung verabschieden, 'ich wohne in der ersten Reihe und werde von den Behörden geschützt'", sagt Winter.
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