Darum wird starkes Hochwasser zur Normalität

    FAQ

    Folgen des Klimawandels:Darum gibt es so oft "Jahrhunderthochwasser"

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
    |

    Alle paar Jahre ein "Jahrhunderthochwasser" - wie kann das sein? Und warum begünstigt der Klimawandel solche Ereignisse? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.

    Hochwasser - Überschwemmte Straßen nach den schweren Regenfällen in Klodzko, Polen
    Überschwemmte Straßen nach den schweren Regenfällen in Klodzko, Polen.
    Quelle: dpa

    Die Hochwasser-Lage in mehreren Nachbarländern Deutschlands spitzt sich zu. In der tschechischen Stadt Opava an der Grenze zu Polen wird ein Jahrhunderthochwasser befürchtet, es könnte sogar eine schlimmere Flut drohen als bei der Katastrophe von 1997.
    In Niederösterreich führen die Donau-Zuflüsse Flüsse Thaya und der Kamp Jahrhunderthochwasser. Die letzten Jahrhunderthochwasser dort sind noch gar nicht so lange her: Eine verheerende Flut traf 2002 die Region um den Kamp, 2006 führte die Thaya Jahrhunderthochwasser, 2013 erneut der Kamp.
    An mehreren Orten in Polen sei bereits mehr Regen niedergegangen als bei der sogenannten Jahrtausendflut im Jahr 1997, sagte Polens Regierungschef Donald Tusk.
    Rumänien Hochwasser: Galati Country
    In Rumänien und Tschechien hat sich die Hochwasserlage zugespitzt. In Rumänien starben mindestens vier Menschen, im tschechischen Brno musste ein Krankenhaus evakuiert werden. 15.09.2024 | 0:24 min
    Auch Teile von Süd- und Ostdeutschland bereiten sich auf Hochwasser vor. Dabei war die letzte große Flut in Bayern und Baden-Württemberg erst im Sommer - und auch das war bereits das dritte heftige Hochwasser in Deutschland in diesem Jahr, nach der Flut in Norddeutschland zum Jahreswechsel und dem Hochwasser im Saarlands an Pfingsten.
    Und die Flut von 2002 an der Elbe, das Rekord-Hochwasser von 2013 in weiten Teilen Deutschlands und die Katastrophe vom Ahrtal 2021 mit 135 Toten sind noch nicht vergessen.
    Warum ist dennoch immer wieder die Rede von "Jahrhunderthochwasser", obwohl zwischen den Ereignissen nur wenige Jahre liegen? Und was hat der Klimawandel mit den Flutkatastrophen zu tun? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
    Donald Tusk Hochwasser in Polen
    In Polen bleibt die Hochwasserlage angespannt. Regierungschef Tusk spricht von einer "dramatischen Herausforderung". Auch in Österreich wurden Orte zu Katastrophengebieten erklärt.15.09.2024 | 0:26 min

    Was ist ein "Jahrhunderthochwasser"?

    Ein "Jahrhunderthochwasser", auch "HQ100" genannt, ist ein hydrologischer Fachbegriff, der ein Hochwasserereignis beschreibt, das statistisch gesehen nur einmal in hundert Jahren auftritt. Das H steht für Hochwasser, das Q für die Menge an Wasser, die an einer Pegelstelle durchfließt (lateinisch Quantitas). Es ist eine wichtige Größe im Hochwasserschutz und der Planung von Bauwerken und Infrastruktur.

    Warum kommen "Jahrhunderthochwasser" nun häufiger vor?

    Das Problem: Der statistische Mittelwert kann nur aus Daten von Hochwasserereignissen der Vergangenheit berechnet werden und unterliegt einer hohen Unsicherheit - weil solche Ereignisse eben nur selten vorkommen. Und verschiedene Faktoren wie eine veränderte Landnutzung oder Flussregulierung - aber allen voran der Klimawandel - können dazu beitragen, dass die Häufigkeit von "Jahrhunderthochwassern" steigt.
    Aktuelle Hochwasserwarnungen

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Dass solche Jahrhundertereignisse nun häufiger vorkommen, betrifft nicht nur Europa: Weltweit gab es in den vergangenen Jahren immer wieder massive Überflutungen, wie sie zuvor nur äußerst selten oder noch nie beobachtet wurden.

    Was hat der Klimawandel damit zu tun?

    Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit für solche Hochwasser-Ereignisse. Das hat mehrere Gründe:
    Warme Weltmeere: Durch den Klimawandel erwärmen sich die Meere. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind die Temperaturen an der Wasseroberfläche der Weltmeere warm wie nie zuvor. So wird viel mehr Wasser in die Atmosphäre verdunstet. Insbesondere das Mittelmeer ist seit Monaten deutlich zu warm - die Wassermassen, die in Bayern und Baden-Württemberg abregneten, stammen von dort.
    Grafik: Temperatur Wasseroberfläche
    Durchschnittliche Temperatur der Wasseroberfläche der Weltmeere
    Quelle: ClimateReanalizer.org, Climate Change Institute, University of Maine

    Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen: 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Industrialisierung, im Schnitt war es fast 1,5 Grad wärmer. Mit jedem Grad, das sich die Luft erwärmt, kann sieben Prozent mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre gespeichert werden. Das ganze Wasser wird natürlich irgendwo auch wieder abregnen.
    Veränderte Großwetterlagen: Der Klimawandel hat auch Einfluss auf Großwetterlagen und begünstigt Situationen, in denen sich Hoch- und Tiefdruckgebiete länger an einem Ort halten. So kann es eher zu wochenlangen, sonnigen, heißen Phasen kommen - oder langanhaltendem Regen über einer Region, wie gerade in Teilen Europas.
    SGS Slomka x Horneffer
    "Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.03.06.2024 | 3:34 min
    Die Ursache sind wohl Veränderungen bei den Strömungen in der Atmosphäre, erklärt ZDF-Wetterexperte Özden Terli. "Die sind schon seit Jahren zu beobachten. Der Jetstream, das Starkwindband in etwa neun Kilometern Höhe, mäandert stärker." Die Folge: Die Tiefdruckgebiete ziehen nur sehr langsam, es kommt zu tagelangem Dauerregen.
    Somit müssen wir uns darauf einstellen, dass es in Zukunft noch häufiger als heute zu Hochwasserlagen kommt. Denn die Aufheizung der Atmosphäre geht weiter.

    Wie können wir uns vor Hochwasser schützen?

    Deutschland hat in den vergangenen Jahren zwar in Hochwasserschutz investiert - Rückhaltebecken und Deiche gebaut, Polder angelegt, Schutzwände installiert. Doch weil extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel häufiger werden, ist das vielerorts noch zu wenig: "Für solche Situationen sind unsere Hochwasserschutzmaßnahmen nicht ausgelegt", erklärt der Hydrologe Bruno Merz bei ntv.  
    Auch die Versiegelung der Böden schreitet immer weiter voran, mahnt Fred Hattermann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung am Montag im ZDF. Dennoch: Selbst mit einer Entsiegelung wäre das dramatische Hochwasser der letzten Tage "kaum zu vermeiden" gewesen.
    Alle Schäden lassen sich - auch mit noch besserem Hochwasserschutz - kaum verhindern, sagen die Experten. Es gehe jetzt darum, im Notfall die kritische Infrastruktur zu schützen. Im Ereignisfall müssten die Hilfsdienste erstärkt werden und das Warnsystem besser funktionieren, so Hattermann - um eine Katastrophe mit so vielen Toten wie im Ahrtal zu verhindern.
    Dieser Beitrag war bereits am 4.6.2024 erschienen und wurde nun aktualisiert.

    Mehr zu Unwetter und Hochwasser