Überschwemmte Straßen nach den schweren Regenfällen in Klodzko, Polen.
Quelle: dpa
Die
Hochwasser-Lage in mehreren Nachbarländern Deutschlands spitzt sich zu. In der tschechischen Stadt Opava an der Grenze zu Polen wird ein Jahrhunderthochwasser befürchtet, es könnte sogar eine schlimmere Flut drohen als bei der Katastrophe von 1997.
In Niederösterreich führen die Donau-Zuflüsse Flüsse Thaya und der Kamp Jahrhunderthochwasser. Die letzten Jahrhunderthochwasser dort sind noch gar nicht so lange her: Eine verheerende Flut traf 2002 die Region um den Kamp, 2006 führte die Thaya Jahrhunderthochwasser, 2013 erneut der Kamp.
An mehreren Orten in Polen sei bereits mehr Regen niedergegangen als bei der sogenannten Jahrtausendflut im Jahr 1997, sagte Polens Regierungschef
Donald Tusk.
In Rumänien und Tschechien hat sich die Hochwasserlage zugespitzt. In Rumänien starben mindestens vier Menschen, im tschechischen Brno musste ein Krankenhaus evakuiert werden. 15.09.2024 | 0:24 min
Und die Flut von 2002 an der Elbe, das Rekord-Hochwasser von 2013 in weiten Teilen Deutschlands und die
Katastrophe vom Ahrtal 2021 mit 135 Toten sind noch nicht vergessen.
Warum ist dennoch immer wieder die Rede von "Jahrhunderthochwasser", obwohl zwischen den Ereignissen nur wenige Jahre liegen? Und was hat der Klimawandel mit den Flutkatastrophen zu tun? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
In Polen bleibt die Hochwasserlage angespannt. Regierungschef Tusk spricht von einer "dramatischen Herausforderung". Auch in Österreich wurden Orte zu Katastrophengebieten erklärt.15.09.2024 | 0:26 min
Was ist ein "Jahrhunderthochwasser"?
Ein "Jahrhunderthochwasser", auch "HQ100" genannt, ist ein hydrologischer Fachbegriff, der ein Hochwasserereignis beschreibt, das statistisch gesehen nur einmal in hundert Jahren auftritt. Das H steht für Hochwasser, das Q für die Menge an Wasser, die an einer Pegelstelle durchfließt (lateinisch Quantitas). Es ist eine wichtige Größe im Hochwasserschutz und der Planung von Bauwerken und Infrastruktur.
Warum kommen "Jahrhunderthochwasser" nun häufiger vor?
Das Problem: Der statistische Mittelwert kann nur aus Daten von Hochwasserereignissen der Vergangenheit berechnet werden und unterliegt einer hohen Unsicherheit - weil solche Ereignisse eben nur selten vorkommen. Und verschiedene Faktoren wie eine veränderte Landnutzung oder Flussregulierung - aber allen voran der
Klimawandel - können dazu beitragen, dass die Häufigkeit von "Jahrhunderthochwassern" steigt.
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Dass solche Jahrhundertereignisse nun häufiger vorkommen, betrifft nicht nur Europa: Weltweit gab es in den vergangenen Jahren immer wieder massive Überflutungen, wie sie zuvor nur äußerst selten oder noch nie beobachtet wurden.
Was hat der Klimawandel damit zu tun?
Warme Weltmeere: Durch den Klimawandel erwärmen sich die Meere. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind die
Temperaturen an der Wasseroberfläche der Weltmeere warm wie nie zuvor. So wird viel mehr Wasser in die Atmosphäre verdunstet. Insbesondere das Mittelmeer ist seit Monaten deutlich zu warm - die Wassermassen, die in Bayern und Baden-Württemberg abregneten, stammen von dort.
Durchschnittliche Temperatur der Wasseroberfläche der Weltmeere
Quelle: ClimateReanalizer.org, Climate Change Institute, University of Maine
Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen: 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Industrialisierung, im Schnitt war es fast 1,5 Grad wärmer. Mit jedem Grad, das sich die Luft erwärmt, kann sieben Prozent mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre gespeichert werden. Das ganze Wasser wird natürlich irgendwo auch wieder abregnen.
Veränderte Großwetterlagen: Der Klimawandel hat auch Einfluss auf Großwetterlagen und begünstigt Situationen, in denen sich Hoch- und Tiefdruckgebiete länger an einem Ort halten. So kann es eher zu wochenlangen, sonnigen, heißen Phasen kommen - oder langanhaltendem Regen über einer Region, wie gerade in Teilen Europas.
"Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.03.06.2024 | 3:34 min
Die Ursache sind wohl Veränderungen bei den Strömungen in der Atmosphäre, erklärt ZDF-Wetterexperte Özden Terli. "Die sind schon seit Jahren zu beobachten. Der Jetstream, das Starkwindband in etwa neun Kilometern Höhe, mäandert stärker." Die Folge: Die Tiefdruckgebiete ziehen nur sehr langsam, es kommt zu tagelangem Dauerregen.
Somit müssen wir uns darauf einstellen, dass es in Zukunft noch häufiger als heute zu Hochwasserlagen kommt. Denn die Aufheizung der Atmosphäre geht weiter.
Wie können wir uns vor Hochwasser schützen?
Deutschland hat in den vergangenen Jahren zwar in
Hochwasserschutz investiert - Rückhaltebecken und Deiche gebaut, Polder angelegt, Schutzwände installiert. Doch weil extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel häufiger werden, ist das vielerorts noch zu wenig: "Für solche Situationen sind unsere Hochwasserschutzmaßnahmen nicht ausgelegt", erklärt der Hydrologe Bruno Merz bei ntv.
Das Hochwasser befeuert die Debatte um eine Pflicht, sich gegen Elementarschäden zu versichern.
von Dorthe Ferber
Auch die Versiegelung der Böden schreitet immer weiter voran, mahnt Fred Hattermann vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung am Montag im ZDF. Dennoch: Selbst mit einer Entsiegelung wäre das dramatische Hochwasser der letzten Tage "kaum zu vermeiden" gewesen.
Alle Schäden lassen sich - auch mit noch besserem Hochwasserschutz - kaum verhindern, sagen die Experten. Es gehe jetzt darum, im Notfall die kritische Infrastruktur zu schützen. Im Ereignisfall müssten die Hilfsdienste erstärkt werden und das Warnsystem besser funktionieren, so Hattermann - um eine Katastrophe mit so vielen Toten wie im Ahrtal zu verhindern.
Dieser Beitrag war bereits am 4.6.2024 erschienen und wurde nun aktualisiert.