Was Geld mit der Psyche macht | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Was Geld mit der Psyche macht

    von Leon Windscheid
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    Wer sich eine gerechtere Welt wünscht, denkt dabei immer auch ans Geld. Die Grundannahme: Zurzeit ist es unfair verteilt, aber es könnte besser werden. Stimmt das überhaupt?

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Leon Windscheid

    Wer mehr arbeitet, sollte mehr Lohn bekommen - richtig? Klingt nach einem fairen Deal. Aber was, wenn jemand dann sein hart erarbeitetes Geld an seine Kinder vererben möchte? Ist das Geld erben statt verdienen auch gerecht? Und wie viel wertvoller, im Sinne der Entlohnung, ist die Arbeit einer Managerin im Vergleich zu der eines Bäckers?

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Beim Thema Geld gibt es, wie so oft, keine einfachen Antworten. Fest steht aber, dass manche Menschen unverhältnismäßig viel davon haben und andere zu wenig. Das macht etwas mit uns als Individuen und mit der Gesellschaft.

    Ob viel oder wenig Vermögen: Alle sehen sich in der Mitte

    Besonders spannend: Trotz der häufig zitierten "Schere zwischen Arm und Reich" scheint die deutsche Bevölkerung das Ausmaß der Unterschiede gar nicht so wahrzunehmen. Das zeigt eine Umfrage des Konstanzer Ungleichheitsbarometers: Wer viel hat, unterschätzt sein eigenes Vermögen im Vergleich zum Durchschnitt eher. Umgekehrt zählen sich auch Menschen zur Mittelschicht, denen es objektiv finanziell schlecht geht.
    Leon Winscheid steht vor einer Grafik: Ein Mensch stülpt seine Hosentaschen auf Links und es fallen nur ein paar wenige Münzen heraus.
    Wie Armut Psyche, Gesundheit und Leben verändert – und warum es so schwer ist, es wieder herauszuschaffen, wenn man einmal betroffen ist.09.12.2024 | 26:51 min
    Das kann damit zusammenhängen, wie Geld in unserer Gesellschaft gesehen wird: Armut ist noch immer mit einem Stigma belegt. Und wer "zu viel" besitzt, versucht, das entweder herunterzuspielen oder zu rechtfertigen.

    Mehr Geld, mehr Zufriedenheit?

    Wenn Geld also sowohl bei jenen in Armut als auch bei den Reichen zu unschönen Gefühlen führen kann, lohnt es sich dann überhaupt, dem Geld nachzueifern? Macht Geld zufrieden?
    In der Geld-Psychologie geisterte lange Zeit die Zahl 75.000 US-Dollar herum: Der Wert, gemeint als Jahreshaushaltseinkommen, ab dem Menschen vermeintlich nicht mehr glücklicher werden. Neue Erkenntnisse deuten allerdings darauf hin, dass das nur auf insgesamt eher unglückliche Leute zutrifft. Bei allen anderen steigt das Glück noch weit über 100.000 US-Dollar hinaus, wenn auch langsamer als unter dieser Grenze.
    Leon Windscheid steht vor einer Grafik: Ein Mann mit Krawatte und einer riesigen Dollarmünze unter dem Arm, der von einem Sportwagen, einem Privatjet und einem Geldsack träumt.
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    Offenbar gilt hier tatsächlich der Satz "Viel hilft viel". Und das zeigt sich auch bei der psychischen Gesundheit.

    Angriffe auf Körper und Geist

    Reiche Menschen leiden seltener an psychischen Erkrankungen, Geldsorgen hingegen verursachen oft chronischen Stress, der der körperlichen und mentalen Gesundheit schadet.
    Außerdem kommt es in ärmeren Umgebungen häufiger zu Gewalt und traumatischen Erfahrungen. Und auch Umweltfaktoren können die Psyche belasten: Eine laute Schlafumgebung, zu kalte Räume im Winter, eine heiße Wohnung im Sommer, verschmutzte Luft in den Straßen, all das kostet Kraft.

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    Psychischer Schutzschild

    Viele von diesen Zusammenhängen scheinen offensichtlich, wissenschaftlich sind sie allerdings schwer nachzuweisen. Und dennoch deutet einiges in der Forschung auf einen schützenden Einfluss von Geld hin. Ein angenehm warmes Haus in einer ruhigen Umgebung, ein sicherer Job und Zeit für sportliche Aktivitäten geben der psychischen Gesundheit eine gute Basis.
    Das heißt natürlich nicht, dass reiche Menschen keine Depressionen oder andere psychische Störungen bekommen können, oder dass alle, die in Armut leben, psychisch leiden. Geld ist nicht alles.
    Leon Windscheid steht vor einer Grafik mit zwei Frauen – die eine zählt ihre Dollars, die andere schaut traurig und mit verschränkten Armen zu ihr hinüber: Ist es Neid?
    Einen ganz eigenen Weg hat Reiner Laux gewählt: Er überfiel zwischen 1985 und 1995 insgesamt 13 Banken. Und das auch aus Wut über die Ungerechtigkeit des Geldes. Für TerraXplore habe ich ihn getroffen und erfahren, was ihn zu seinen Taten bewegte und ob er es selbst nach seiner Haftstrafe wieder tun würde. 09.12.2024 | 26:58 min

    Zukunftspessimismus in Deutschland

    Trotzdem bleibt die Fairness rund ums Geld ein wunder Punkt. Viele können sich gar nicht vorstellen, dass es besser wird, sagt die Befragung des Konstanzer Ungleichheitsbarometers. Sie attestierte den Deutschen einen Zukunftspessimismus, vor allem mit Blick auf jüngere Generationen.
    Forschende schlagen deshalb vor, besonders die Themen soziale Mobilität, Zukunftschancen, Innovation und Bildung zu stärken. Aktuell ist in Deutschland jedes siebte Kind armutsgefährdet. Es dauert laut OECD, basierend auf einer Modellrechnung, in Deutschland durchschnittlich etwa sechs Generationen, ehe Nachkommen einer armen Familie das Durchschnittseinkommen erreichen können.
    Junger Mann schaut in die Kamera, Geld fliegt umher.
    Verpflichtet Reichtum, Gutes für das Gemeinwohl zu tun? 37 Grad begleitet drei Menschen, die ihr Geld für das Wohl der Gesellschaft einsetzen. 09.01.2025 | 28:45 min

    Was ist wirklich gerecht?

    Grundsätzlich wünschen sich die meisten Menschen Gerechtigkeit. Aber das zu erreichen, ist unglaublich schwierig, weil wir uns überhaupt nicht einig sind, was das bedeutet. Für die einen heißt Gerechtigkeit, richtig viel Geld verdienen und es am besten steuerfrei an die Erben weitergeben. Die anderen wünschen sich, dass die Reichen mehr Geld abgeben müssen.
    Soziologe Patrick Sachweh, den ich treffen durfte, hat da einen Tipp: Gegen das Gefühl von Ungerechtigkeit hilft es, sich mit anderen zusammentun. Viele Menschen können gemeinsam eher etwas verändern. Beispielsweise auch unseren Blick auf die Armut: Sie ist eine Riesenlast - körperlich und psychisch - für die Betroffenen und hinter Armut steckt in den allermeisten Fällen ein Schicksal. Daher hilft es, nicht vorzuverurteilen, sondern hinzuhören und -zuschauen.
    Mandy Mewes sitzt am Tisch, vor ihr liegt ein Ordner mit Rechnungen.
    Frauen leisten im Job, im Haushalt und bei der Kinderbetreuung enorm viel – und verdienen immer noch weniger als Männer. Ihr Armutsrisiko im Alter wird oft völlig unterschätzt.12.01.2025 | 30:05 min

    ... ist Diplom-Psychologe, Moderator, Bestseller-Autor und Podcaster. Seine große Leidenschaft ist die Psychologie. Windscheid hat Wirtschaftspsychologie in Münster, Istanbul und Witten studiert und das Studium Ende 2014 abgeschlossen. 2015 gewann er eine Million Euro bei "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch. Von 2015 bis 2017 promovierte er im Bereich Wirtschaftswissenschaften.

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