Gedankenexperiment: Was, wenn es keine Grenzen mehr gäbe?
Ein Gedankenexperiment:Was wäre, wenn es keine Grenzen mehr gäbe?
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Landesgrenzen sind für uns selbstverständlich. Und doch sind sie mitunter Orte scharfer Auseinandersetzungen. Was würde passieren, wenn die Grenzen wegfallen?
Grenzen sind mitunter Orte scharfer Auseinandersetzungen. Machen sie in Zeiten internationaler Herausforderungen wie dem Klimawandel überhaupt noch Sinn?09.12.2024 | 5:24 min
In einer Welt der Nationalstaaten definieren Landesgrenzen wie selbstverständlich die Territorien der Staaten. In diesen Staaten lebt ein Staatsvolk und die Bewohnerinnen und Bewohner des Territoriums sind den Gesetzen des Staates unterworfen. Doch was würde passieren, wenn diese Grenzen wegfallen? Ein Gedankenexperiment.
Führen keine Grenzen zu einer Schwächung des Staates?
Ohne Landesgrenzen wäre es viel leichter in andere Staaten einzureisen. Die Migration könnte infolgedessen zunehmen. Für Staatsrechtler Oliver Diggelmann von der Universität Zürich bedeutet die Schwächung der Grenze eine Schwächung des Staates und somit eine Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger.
Die Länder wären überfordert, ihre Integrationskapazitäten wären überfordert.
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Oliver Diggelmann, Staatsrechtler an der Universität Zürich
Diggelmann erwartet, dass Spannungen zunehmen würden und viele Staaten "sehr rasch die Schotten dicht machen". "Die EU würde so eine Spannung kaum aushalten", führt Diggelmann aus. Das könne man schon daran ablesen, dass eine viel geringere Migration ein ganz wichtiger Faktor für den Brexit gewesen sei.
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Gemeinschaft und politische Institutionen ohne Grenzen geschwächt
Diggelmann kritisiert, dass der Diskurs um Migration vorwiegend in einer individualethischen Perspektive verharrt. Dabei ist für den Staatsrechtler die Frage der offenen Grenzen untrennbar mit der Frage nach funktionierenden gemeinsamen Institutionen verbunden. Daher müssten aus seiner Sicht offene Grenzen und Migration stärker vor dem Hintergrund der äußerst anspruchsvollen Aufgabe der Aufrechterhaltung eines Gemeinwesens mit all seinen Spannungen diskutiert werden.
Grenzen definieren das Territorium, in dem der Staat agieren kann. Sind sie grundsätzlich offen, schwäche das die politischen Institutionen und somit die Gemeinschaft, meint Diggelmann.
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Zugehörigkeit abseits von Grenzen denken?
Für die politische Philosophin Christine Abbt von der Universität St. Gallen haben Grenzen zwei Gesichter. Einerseits grenzen sie Staaten ab, andererseits seien Grenzen auch ein Ort, an dem sich die Staaten berühren und eine besondere Form der Interaktion stattfände.
Die Philosophin geht davon aus, dass die Menschen ein ganz anderes Verständnis von Zugehörigkeit entwickeln würden, fielen diese Grenzen weg: "Die Vorstellung von einer offenen Welt, wo sich alle frei bewegen könnten, ist in der Philosophie natürlich viel verbunden mit der Vorstellung von einem neuen Bewusstsein von uns als Menschen, dass wir uns viel stärker als Menschen wahrnehmen und nicht als Mitglieder von einem oder vielleicht zwei Staaten."
Zwei Szenarien für eine Welt ohne Grenzen
Viele aktuelle Krisen und Probleme wie Klimawandel, Umweltverschmutzung oder Fragen der gerechten Verteilung von Ressourcen machen vor Landesgrenzen keinen Halt. Für sie bedarf es grenzenloser Lösungen. Wie aber könnte eine Welt ohne Grenzen, ohne Nationalstaaten aussehen?
Philosophin Abbt entwirft zwei Szenarien: Demnach könnte es erstens einen Weltstaat geben. Es gäbe keine territorialen Grenzen mehr, sondern bloß einen Staat. Zweitens könnte auch ein föderales System geschaffen werden. In diesem Fall gäbe es zwar Grenzen, sie wären aber viel durchlässiger als heutige Landesgrenzen. Die ehemaligen Nationalstaaten könnten sich, wie die Kantone in der Schweiz, zusammenschließen und einen Weltstaat mit einer passenden Organisationsstruktur begründen.
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Ein weiter Weg
Wie genau eine Welt ohne Grenzen aussehen würde, wissen wir nicht. Abbt beobachtet, dass das Szenario einer grenzenlosen Welt derzeit von verschiedenen politischen Seiten als Katastrophenszenario angesehen wird. Gleichzeitig zeichnet sich das auch als reale Entwicklung ab: Die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU gerät immer wieder unter Druck, während die EU sich zunehmend nach außen abschottet.
"Unter dem Eindruck dieses Katastrophenszenarios geht manchmal vergessen, dass an der Grenze von Europa heute täglich eine Situation herrscht, die (…) mit den moralischen und politischen Vorstellungen und Prinzipien der Schweiz in keiner Weise in Übereinstimmung gebracht werden können", sagt Abbt.
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Quelle: dpa
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