Einsamkeit - die "stille Pandemie" | Terra-X-Kolumne

Fehlen Ihnen Nähe und tiefe Verbundenheit zu anderen Menschen? Fühlen Sie sich einsam - oder kennen Sie jemandem, dem es so geht? Ich wette, vor allem letztere Frage beantworten viele mit "Ja".

Kein Wunder, denn Einsamkeit trifft immer mehr Menschen, sie wird zu einer stillen Pandemie, die unbemerkt Fahrt aufnimmt. Für den ZDF-Terra-Xplore-Dreiteiler "Bist Du einsam?" habe ich Forschende und junge Menschen getroffen, die das Gefühl der Einsamkeit besonders gut kennen und an einem wissenschaftlichen Experiment teilgenommen.

Im Labor der Universität Luxemburg wurde ich in eine Spielsituation mit anderen Mitspielenden gesteckt, ohne zu wissen, was genau passieren würde. Als diese mich während des Spiels zunehmend ignorierten und ausschlossen, sank nicht nur meine Laune rapide. Mein Herzschlag wurde schneller und meine Hirnaktivität veränderte sich. Selbst dieser kurze soziale Ausschluss löste in mir eine Art Schmerz aus, denn unser Körper reagiert unweigerlich auf Isolation.

Einsamkeit fühlt sich nicht nur schlimm an, sie begünstigt auch Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Demenz. Auch das Sterberisiko steigt. Von den psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzuständen ganz zu schweigen. Als soziale Wesen sind wir Menschen nicht für Einsamkeit gemacht - werden aber immer einsamer.

Die Dimension des Problems ist riesig: Laut dem sozio-ökonomischen Panel (SOEP) gaben im Jahr 2017 etwa 14 Prozent aller in Deutschland repräsentativ Befragten an, sich einsam zu fühlen. 2021 waren es rund 42 Prozent!

Eine andere, 2022 durchgeführte Studie legt den Fokus auf junge Menschen und zeigt: 55 Prozent der 16- bis 23-Jährigen fehlt es manchmal oder immer an Gesellschaft. Und aktuelle Zahlen aus Nordrhein-Westfalen besagen, dass dort jeder fünfte Jugendliche "stark einsam" ist. Einsamkeit hat sich also auch in nachpandemischen Zeiten festgesetzt und das vor allem bei Jüngeren.

Gerade junge Menschen, erzählt mir Einsamkeitsforscherin Prof. Dr. Maike Luhmann, seien gefährdet. Durch viele, kurz aufeinanderfolgende Umbruchphasen, eine Überforderung in einer immer komplexeren Welt und durch stetig wachsende digitale Kommunikation. Außerdem wirke die Corona-Zeit noch erheblich nach.

Und: Unser Streben nach persönlicher Entfaltung macht uns zwar zu einzigartigen Individuen. Doch je individueller wir sein wollen, desto mehr verlieren wir die Gemeinschaft aus dem Blick und fühlen uns in der Vereinzelung einsam, erklärt der Neurourbanistiker Prof. Dr. Mazda Adli.

Diese Entwicklung birgt enorme Gefahrenpotentiale. Wer sich nicht zugehörig und verstanden fühlt, ist offener für extreme Gedanken und sucht die vermisste Gemeinschaft möglicherweise in radikalen Gruppen, die ihre Kommunikation mittlerweile gezielt darauf abstimmen. Eine Studie aus dem Jahr 2022 zieht die Verbindung zwischen Einsamkeit und der Tendenz zu Verschwörungstheorien und autoritären Einstellungen. Einsamkeit kann also enorm dazu beitragen, unsere Demokratie allmählich auszuhöhlen.

Einsamkeit lässt sich bekämpfen - aber nur gemeinsam. Indem wir ein Bewusstsein dafür schaffen und das Thema aus der Tabuzone holen. Und dann als Gesellschaft aktiv werden: durch das Fördern gemeinschaftlicher Projekte, den klugen Umgang mit digitaler Kommunikation, das Schaffen sozialer Räume oder durch menschenfreundlichere Stadtarchitektur, die Raum für Begegnungen und Miteinander eröffnet - ohne Eintritt oder Konsumzwang.

Aber vor allem können wir alle selbst etwas gegen Einsamkeit tun. Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihren Nachbarn gesprochen? Bei dem einen Freund nachgefragt, der sich immer weniger meldet? Im Bekanntenkreis darüber geredet, wer ein offenes Ohr gebrauchen könnte? Oder bewusst Gemeinschaft gepflegt? Im Alltag der Einsamkeit entgegenzutreten, ist leichter, als gedacht - wir müssen es nur tun.

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