Soziologe: Wie Einsamkeit auch die Demokratie gefährden kann

    Soziologe warnt:Experte: Einsamkeit kann Demokratie gefährden

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    Millionen Menschen in Deutschland fühlen sich einsam. Das hat auch politische Folgen, so Experte Langenkamp. Sie seien dann oftmals offener für Rechtspopulismus.

    Rückansicht einer einsam wirkenden Frau, die an einem Fenster steht und hinausschaut.
    Immer mehr Menschen leiden unter Einsamkeit. Wirkt sich das indirekt auch negativ auf die Demokratie aus? Das fragen wir Alexander Langenkamp.18.06.2024 | 10:42 min
    Die einen feiern gerade ausgelassen zusammen im Stadion die Fußball-EM 2024 - die anderen bleiben alleine zuhause - und fühlen sich einsam. Seit Corona hat das Thema Konjunktur, manche Forscher sprechen auch von einer "neuen Epidemie".
    Damit aber bekommt Einsamkeit auch eine politische Dimension - und kann zur Gefahr werden für die Demokratie, meint der Soziologe Alexander Langenkamp. Er lehrt an der Goethe-Universität Frankfurt und hat promoviert zum Thema "Folgen von Einsamkeit für politische Einstellungen und Teilhabe".
    Seine These: Wer einsam ist, ist empfänglicher für radikal-populistische Thesen - eher rechte als linke.

    Unter dem Motto "Gemeinsam aus der Einsamkeit" initiierte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) eine Aktionswoche, um auf das Problem aufmerksam zu machen. In deren Rahmen gab es diese Woche viele Veranstaltungen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Auf der Jahrestagung des Deutschen Ethikrats haben sich Experten unterschiedlicher Fachrichtungen und Teilnehmer dazu ausgetauscht. Dabei gab es hinsichtlich der Frage, ob Einsamkeit zugenommen hat, unterschiedliche Positionen. Die Soziologin Sabine Diabate vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung verwies auf aktuelle Erhebungen wie das Einsamkeitsbarometer, wonach Einsamkeit in der Corona-Pandemie vor allem bei Jüngeren deutlich angestiegen und nicht wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau gesunken sei. Risikofaktoren seien unter anderen das Alleinleben, schlechte Gesundheit, aber auch ein Migrationshintergrund. Besonders einsam und öfter zurückgewiesen fühlten sich etwa Menschen aus Afrika. (Quelle: KNA)

    ZDFheute: Herr Langenkamp, inwieweit gefährdet wachsende Einsamkeit unser demokratisches System?
    Alexander Langenkamp: Was wir ziemlich sicher wissen, ist, dass Einsamkeit mit weniger Wahlbeteiligung einhergeht und mit einem geringeren Vertrauen in die eigene Umwelt, aber auch in Politiker. Und mit einer Wahrnehmung, dass die Gesellschaft auch weniger zusammenhält. Und das sind schon wichtige demokratische Ressourcen.
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    ZDFheute: Einsamkeit macht - laut Untersuchungen - empfänglicher für populistische und für radikale politische Ansätze. Ist das so?
    Langenkamp: Da müssen wir aufpassen. Noch wissen wir nicht, ob Einsamkeit radikalisiert oder ob radikale Menschen einfach einsamer sind. Wir wissen, dass Einsamkeit mit gemindertem sozialen Vertrauen zu tun hat und dass einsame Menschen tendenziell eher dazu neigen, sich auch entfremdeter zu fühlen von der Gesamtgesellschaft und das kann natürlich Räume öffnen für gewisse Narrative.
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    ZDFheute: Eines sieht man relativ deutlich, dass Einsamkeit mit Armut zusammengeht. Was fordern Sie da von der Politik, gerade in dieser Aktionswoche gegen Einsamkeit?
    Langenkamp: Das ist richtig, soziale Ungleichheit und insbesondere Armut sind Risikofaktoren von Einsamkeit, was nicht bedeutet, dass nur arme Menschen einsam sind, sondern auch, dass auch reiche Menschen einsam sein können. Es gibt viele Risikofaktoren, prekäre Lebensverhältnisse oder Mobilitätseinschränkungen durch Krankheit, zum Beispiel, das alles sind Risikofaktoren für Einsamkeit und hier kann man ganz konkrete Hilfestellung leisten.
    Und das ist auch sehr wichtig und substanziell. Man muss sich klarmachen, was einsamkeitsfördernde Strukturen sind und gegen die kann Politik durchaus etwas tun. Die Finanzierung von Vereinen, sozialen Organisationen, NGOs ist immer wieder Thema. Sie leisten einen sehr wichtigen Beitrag für die Gemeinschaftsbildung, die kommunale Lebensqualität und Einsamkeitsprävention.
    ZDFheute: Einsamkeit tritt auch oft auf bei Geflüchteten, bei emigrierten Menschen...
    Langenkamp: Diese Menschen sind mit mehreren Problemen konfrontiert. Das beginnt bei Sprachbarrieren, die durch die Spracherlernung erst einmal überwunden werden müssen und geht dann auch über zur Unsicherheit der Lebensverhältnisse, ob sie überhaupt bleiben dürfen, bis hin zu Armutsbekämpfung und Prekariat der Lebensverhältnisse. Hier gibt es ganz, ganz viele Ansatzpunkte, die man parallel angehen muss, damit diese Leute eben auch geschützt werden. Das sind ja besonders vulnerable Gesellschaftsgruppen, die auch verdient haben, dass wir da Hilfestellung leisten.
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    ZDFheute: Einsame Menschen werden in unserer Gesellschaft ziemlich oft stigmatisiert. Wer wenige Sozialkontakte hat, der wird weniger geschätzt. Was muss sich da ändern?
    Langenkamp: Ich glaube, hier ist wirklich Aufklärung und Entstigmatisierung ein sehr, sehr wichtiger Weg. Wenn die Leute lernen und begreifen, dass sie nicht alleine sind, dass sehr viele Leute einsam sind und dass Kommunikation über die Einsamkeit auch dazu führt, dass Freunde, Familie und Bekannte einem potenziell überhaupt helfen können, dann ist das ein sehr, sehr wertvolles Mittel. Also Transparenz, Offenheit, über das Phänomen zu reden, ist der erste Schritt. Und dann können auch die Sozialkontakte, die man hat, einem überhaupt entgegenkommen und helfen.
    ZDFheute: Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Langenkamp.
    Das Interview führte "Kulturzeit"-Moderatorin Cécile Schortmann. Zusammengefasst hat es ZDF-Kulturredakteur Ralf Rättig.
    Sehen Sie hier die ganze Sendung "Kulturzeit" vom 18.6. 2024:

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