Corona - ein Virus wie jedes andere? Was Virologen sagen

    Interview

    Was Virologen sagen:Corona - ein Virus wie jedes andere?

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    Die Covid-Zahlen steigen an, die Arztpraxen sind voll. Grund zur Sorge? Das sagen die Virologen Jürgen Rissland und Hendrik Streeck über die momentane Erkältungswelle.

    Das Bild zeigt eine Person, die eine FFP2-Maske in der Hand hält.
    Sollte man aufgrund der Erkältungswelle wieder häufiger auf Masken zurückgreifen? Virologen erklären die aktuelle Lage.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Die Covid-Inzidenzen steigen stark, liegen örtlich über 1.000. Ist das eine neue Welle?
    Jürgen Rissland: Wir sind in einer Herbstwelle, aber sicher nicht in einer neuen Pandemiewelle. Es bleibt dabei - wir sind eigentlich auf dem Weg der Normalisierung. Wir müssen dieses Virus praktisch auch behandeln, wie jeden anderen respiratorischen Erreger. Natürlich muss man die Augen offen halten, inwiefern es sich weiterentwickelt. Ob es neue Varianten gibt. Aber die Herdenimmunität in unserer Bevölkerung ist so groß, dass ich mir derzeit keine großen Sorgen mache.
    Hendrik Streeck: Die Corona-Fallzahlen gehen nach oben. Wir haben auch vermehrt Personen, die wieder im Krankenhaus behandelt werden müssen. Aber wir haben eine andere Situation als in den Jahren davor.

    Jetzt haben wir eine extrem hohe Grundimmunität.

    Hendrik Streeck, Virologe an der Uniklinik Bonn

    Das Virus verändert sich zwar weiter, aber es steckt im Omikron-Korsett, es ist immer noch das Omikron-Virus. Das gibt uns die Möglichkeit, es eher so zu behandeln wie andere grippale Infekte.
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    Archiv: Hendrik Streeck
    Quelle: dpa

    ... ist Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Streeck war zudem Mitglied des Expertinnen- und Expertenrats, der die Bundesregierung auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse während der Corona-Pandemie beraten hat.

     Dr. Jürgen Rissland, Virologe der Uniklinik Homburg.
    Quelle: imago

    ... arbeitet am Zentrum für Infektionsmedizin an der Universitätsklinik Homburg. Er leitet derzeit das Projekt "Aufbau eines Impf-Informations-Systems Saarland". Zuvor war er leitender Oberarzt der Virologie an der Uniklinik.

    Quelle: epd

    ZDFheute: Impfen - ja oder nein?
    Rissland: Jeder von uns, der in den letzten zwölf Monaten keinen Kontakt hatte zu dem Virus, auf natürliche Art und Weise oder zu dem Impfstoff, der sollte darüber nachdenken.
    Streeck: Die Stiko gibt da eine klare Empfehlung. Kurzgefasst: Über 60-Jährige oder Personen, die Risikofaktoren haben, wie zum Beispiel chronische Lungenerkrankungen oder Herzerkrankungen - die sollten sich lieber noch mal boostern lassen, analog zur Grippe-Impfung. Denn auch für die gilt eine ähnliche Stiko-Empfehlung. Wenn jetzt die Grippesaison kommt, sollte man sich bei Risikofaktoren gegen Grippe und gegen Corona impfen lassen.

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    FAQ
    ZDFheute: Es gibt viele neue Covid-Erkrankungen. Besteht die Gefahr, dass die Anzahl der Long-Covid-Fälle langfristig ansteigt?
    Streeck: Zum einen gibt es Studien, die gezeigt haben, dass Impfungen Long-Covid-Fälle heruntersetzen. Zum anderen haben wir mittlerweile so eine breite Verteilung des Virus gehabt, dass eher eine Wiederansteckung stattfindet als eine wirkliche Neuansteckung. Bei einer Wiederansteckung ist es extrem unwahrscheinlich, dass sich dann nochmal Long Covid entwickelt.
    Dr. Thomas Harder, stellv. Leiter des Fachgebiets Impfprävention im Robert-Koch-Institut
    Besonders gefährlich seien die Viren "für Risikogruppen, die ein Risiko haben für eine schwere Erkrankung", so Dr. Thomas Harder, stellv. Leiter des Fachgebiets Impfprävention im Robert-Koch-Institut.01.11.2023 | 4:41 min
    Rissland: Je weiter diese Wellen voranschreiten, umso mehr müssen wir auch damit rechnen, dass wir Long- und Post-Covid-Fälle bekommen. Und genau das ist momentan der Aufmerksamkeits-Schwerpunkt. Wir müssen versuchen, die Fallzahlen etwas einzudämmen. Nicht wie früher mit irgendwelchen Geboten, sondern eigentlich nur mit Empfehlungen.

    Es ist besser, keine Infektion zu haben, als eine Infektion durchzumachen und damit das Risiko einzugehen, dass man Long- oder auch Post-Covid bekommt.

    Jürgen Rissland, Virologe an der Uniklinik Homburg

    Das bedeutet, dass man ein bisschen vorsichtig sein muss. Wir wissen heute: Die wichtigste Maßnahme ist eigentlich der Mund-Nasen-Schutz, der hilft effektiv. Plus Impfung. Dann hat man schon zwei wesentliche Barriere-Maßnahmen vorgenommen. Und wenn man dann noch ein bisschen darauf achtet, wo man sich bewegt, dann glaube ich, hat man das Bestmögliche getan.
    Auf dem Bild ist ein Kind zu sehen, dass auf einer Behandlungsliege liegt und unter Long-Covid leidet.
    Atemproblemen, Konzentrationsproblemen und Wortfindungsstörungen. Einige Menschen leiden noch immer an Long Covid, darunter auch Kinder und Jugendliche. 06.10.2023 | 2:03 min
    ZDFheute: Sollte es neue Varianten geben - gibt es genügend Impfungen? Genügend Tests? Sind wir vorbereitet?
    Streeck: Wir haben während der Pandemie viele neue Maßnahmen ergriffen, in Laboren, in Teststationen. Wir könnten genug testen. Wir haben genug Masken auf Lager. Ich glaube nur nicht, dass sich das Coronavirus so verändern würde, dass diese Situation eintritt.
    ZDFheute: Es gibt sehr viele andere Atemwegserkrankungen. Ist das eine epidemische Lage?
    Streeck: Nein, das ist eigentlich die typische saisonale Entwicklung von grippalen Infekten. Das kannten wir schon aus der Zeit vor der Corona-Pandemie, dass wir einen Anstieg von einem wirklich größeren Mix an unterschiedlichen Viren hatten. Dieses Jahr hat damit begonnen, dass wir sehr viele Rhinoviren gesehen haben. Das ist der banale Schnupfen. Gefolgt jetzt vom Coronavirus. Aber es kann genauso gut sein, dass die Grippe wieder eine Welle macht.
    Rissland: Ich glaube, es ist so ein bisschen Ausdruck der neuen Lust am Leben. Menschen bewegen sich wieder, sind im öffentlichen Raum unterwegs, nutzen alle Möglichkeiten. Und ich glaube, das ist auch völlig nachvollziehbar.
    Aber die Kehrseite der Medaille ist eben, dass wir auch tatsächlich mehr Atemwegsinfektionen haben, mehr akute respiratorische Erkrankungen. Und das bedeutet natürlich auch in den Praxen, dass sich die Menschen jetzt wieder etwas stärker tummeln. Aber da ist es momentan noch nicht so, dass wir jetzt in irgendeiner Weise auch nur an die Grenzen der Belastung unseres Gesundheitswesens ankommen.
    Das Interview führte Susanne Freitag-Carteron, Leiterin des ZDF-Landesstudios Saarbrücken.

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