Cern: 70 Jahre Forschung für den Alltag

    70 Jahre Cern:Wie Forschung den Alltag verbessert

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    Die Europäische Organisation für Kernforschung will dem Ursprung des Universums auf die Spur kommen. Seit 70 Jahren wird geforscht: Das wurde am Cern erfunden.

    Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am Genfer Cern.
    Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am Genfer Cern. Nach rund 12 Jahren Bauzeit wurde der LHC 2008 in Betrieb genommen.
    Quelle: reuters

    Beim Thema Physik denken manche Menschen mit Schrecken an ihre Schulzeit zurück, dabei ist die Arbeit von Teilchenphysikerinnen und -physikern sehr spannend. Und von ihren bahnbrechenden Erfindungen am Cern - der Europäischen Organisation für Kernforschung - in Genf profitiert jeder im Alltag: beim Internetsurfen, beim Arztbesuch und vielem mehr.

    Der Name Cern ist die Abkürzung des französischen Namens der Organisation: Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (europäischer Rat zur Nuklearforschung). Direkt beim Cern arbeiten etwa 2.500 Leute, die Kollaborationen mit Physikerinnen und Physikern in aller Welt, die Daten auswerten, umfassen mehr als 17.000 Menschen. Das Cern hat 24 Mitgliedsländer, darunter Deutschland, das mit Abstand der größte Geldgeber ist.

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    Einige am Cern entstandene Erfindungen:

    Web und Surfen

    1989 präsentierte der britische Physiker und Informatiker Timothy John Berners-Lee am Cern eine Idee, die sich als bahnbrechend für die Internet-Kommunikation herausstellen sollte: ein digitales Informationsnetz, bei dem die Inhalte als universeller Hypertext aufbereitet und mit anklickbaren Links vernetzt werden. Innerhalb weniger Monate entwickelte Berners-Lee die notwendigen Komponenten: URLs wie info.cern.ch für Web-Adressen, die Seitenbeschreibungssprache HTML für Web-Pages, das technische Protokoll HTTP für Links und das Konzept für einen Webbrowser.

    30 Jahre Internet
    :Wie das World Wide Web die Welt veränderte

    Vor 30 Jahren gab das Kernforschungszentrum Cern in Genf das WWW für die Öffentlichkeit frei. Seither hat sich der Alltag radikal verändert - in beinahe jeder Lebenslage.
    Sir Tim Berners-Lee ist der Erfinder des World Wide Web.
    Im April 1993 stellte das Cern den Programmcode des World Wide Web (WWW) der Öffentlichkeit zu Verfügung und begründete damit einen beispiellosen Siegeslauf der Web-Technologie.

    Harald Lesch mit Yoda, sich berührenden Händen und sich umarmenden Fußballern (Montage)
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    Der dänische Ingenieur Bent Stumpe entwickelte am Cern Vorläufer zweier weiterer heute gängiger Anwendungen, und das schon in den 70er Jahren: Er präsentierte den ersten transparenten Touchscreen, auf dem - wie heute bei jedem Smartphone oder Tablet - die Berührung des Bildschirms reicht, um Dinge zu bewegen. Mit Bowlingbällen baute er einen Trackingball, mit dem ein Cursor auf dem Bildschirm bewegt werden kann - ein Vorläufer der Computer-Maus.

    Medizin und Diagnostik

    Am Cern wird erforscht, was in den ersten Sekunden nach dem Big Bang, der Geburtsstunde des Universums, geschah. Ob es noch kleinere Teilchen als Quarks gibt und was es mit der Antimaterie auf sich hat. Um den Zustand unmittelbar nach dem Urknall zu simulieren, hat das Cern den Teilchenbeschleuniger LHC gebaut. In einem 27 Kilometer langen, ringförmigen Tunnel 100 Meter unter der Erde im schweizerisch-französischen Grenzgebiet werden Protonen oder Ionen mit hoher Energie zur Kollision gebracht.
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    Detektoren messen, welche Teilchen dabei entstehen. Diese Technologie macht sich auch die Medizin zunutze. Bei einem PET-Scan werden wie in Cern-Detektoren Photonen gemessen, die Zellen oder Gewebe sichtbar machen, die viel Energie verbrauchen, darunter entzündetes oder Tumorgewebe. Er unterscheidet sich von anderen bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT), die Gewebe, Organe und Knochen abbilden. Beim PET-Scan (PET steht für Positronen-Emissions-Tomographie) wird sehr wenig und praktisch unschädliches Kontrastmittel eingesetzt.
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    Neben Diagnosen sind auch Behandlungen aus Cern-Erfindungen hervorgegangen: Am Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) werden Tumore bei Krebskranken seit 2009 zum Beispiel mit Schwerionen und Protonen bestrahlt, die tief im Körper liegende Tumore zerstören können und dabei umliegendes gesundes Gewebe schonen sollen. Das ist bei Tumoren an heiklen Stellen wie der Schädelbasis oder dem Sehnerv besonders wichtig.

    Mobilität und Umwelt

    Den Teilchenbeschleuniger LHC in Gang zu setzen, braucht viel Energie. Um möglichst wenig beim Transport zu verlieren, hat das Cern Supraleiter aus Metalllegierungen mitentwickelt, die bei Temperaturen von minus 270 Grad keinen Widerstand haben. Die Ingenieure arbeiten daran, dies möglichst auch ohne so tiefe Kühlung hinzubekommen.
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    Für den Flugzeughersteller Airbus ist das interessant. Airbus arbeitet an einem Brennstoffzellen-Antrieb, der aus flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff Energie generiert. Mit Supraleitern könnte die Energie verlustfrei zu den Triebwerken gebracht werden. In Zukunft könnten Supraleiter, die nicht so tiefe Kühlung brauchen, auch bei der Nutzung von Brennstoffzellen im Alltag dienen, sagt Cern-Physiker Sascha Schmeling.

    Cybersicherheit

    Um die riesige LHC-Maschine präzise zu steuern und die vielen Daten zu verarbeiten, sind sehr spezielle Programme nötig. Cern-Entwicklungen macht sich zum Beispiel die deutsche Börse zunutze, um beim elektronischen Handel prüfen zu können, in welcher Nanosekunde wer welche Transaktion vorgenommen hat. Das Projekt trägt den Namen "White Rabbit" (Weißes Kaninchen).
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    Zwischen Cern und Bundesdruckerei in Berlin besteht ein Austausch zu Möglichkeiten, um die Sicherheit von sensiblen Daten mit Methoden des Cern zu verbessern.

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    Nach den Europa- und vor den Landtagswahlen ist das Thema Desinformation durch KI im Fokus. Experten warnen: KI kann eine Spaltung der Gesellschaft beschleunigen.
    von Antje Klingbeil
    Archiv:  Eine Wissenschaftlerin eines Landeskriminalamts arbeitet an Computerbildschirmen.
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    Die Welt der Kunst

    Mit Cern-Technologie können Gemälde analysiert werden, ohne die Werke zu beschädigen. So können mithilfe spektroskopischer Röntgenbilder tiefer liegende Farbschichten oder die Zusammensetzung der Farben erkannt werden, was Rückschlüsse auf Epochen und einzelne Maler erlaubt. So konnte das tschechische Unternehmen InsightART 2020 ein Gemälde aus einer Privatsammlung dem Renaissance-Maler Raffael zuordnen.
    Quelle: dpa

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