Die entscheidende Krise | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Die entscheidende Krise der Biodiversität

    von Elisa Miebach
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    Auf der Biodiversitätskonferenz in Kolumbien verhandelt die Weltgemeinschaft über eine Krise, die unser Überleben entscheiden könnte. Doch in ihr steckt auch die Lösung.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Elisa Miebach

    Diese Krise steht nur selten ganz oben auf der politischen Agenda, doch sie wird das Leben der Menschheit heute und noch Generationen nach ihr bestimmen. Es ist eine noch stillere Katastrophe als der Klimawandel, der grollende Extremwetter verstärkt, wie etwa die jüngsten Hurrikans Milton und Helene in den USA. Die sogenannte Biodiversitätskrise ist eine stille Krise des Sterbens.
    Tier- und Pflanzenarten verschwinden für immer - und das schneller als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Wie viele genau, weiß niemand, denn der Mensch kennt längst nicht alle Arten dieser Erde. Und mit den Tieren und Pflanzen sterben letztlich ganze Biotope.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Lebensgrundlagen kippen

    Ein Ökosystem ist wie ein Jenga-Turm, ein Turm aus Holzklötzen. Wenn eine Art stirbt, ist es, als ob ein Holzklotz herausgezogen wird. Solange nur wenige Klötze gezogen werden, bleibt der Turm stehen. Doch wenn zu viele Klötze gezogen werden oder ein tragender, dann fällt der ganze Turm in sich zusammen. Sterben in einem Ökosystem zu viele Arten - oder verliert es sogenannte Schlüsselarten - dann kippt das System.
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    So sterben Wälder, kippen Meere, vertrocknen Moore. Dabei sind funktionierende Ökosysteme die Lebensgrundlage des Menschen - die Basis für saubere Luft, sauberes Wasser, fruchtbare Böden und die Bestäubung von Pflanzen.
    Der Leiter des Naturkundemuseums in Berlin und Professor für Biodiversität, Johannes Vogel, bringt das Dilemma auf den Punkt:

    Die Klimakrise bestimmt, wie wir leben werden. Die Biodiversitätskrise bestimmt, ob wir überleben werden.

    Johannes Vogel, Professor für Biodiversität

    Lösungen und Ursachen der Klima- und Biodiversitätskrise vernetzt

    Beide Krisen verstärken einander. Werden Ökosysteme geschwächt, können sie den Klimawandel schlechter überstehen. Die Treiber der Biodiversitätskrise wie Pestizideinsatz, Flächen-Versiegelung, Verschmutzung, Überdüngung, Monokulturanbau und Überfischung intensivieren also auch die Auswirkungen der Klimakrise.
    Ein Boden, auf dem eine pestizidbelastete Monokultur wächst, übersteht eine Dürre schwerer als ein Permakultur-Garten. Ein begradigter Fluss überschwemmt beim Hochwasser die anliegenden Städte und ihre versiegelten Böden, eine renaturierte Flussaue speichert das Hochwasser im Boden. Aktuell sind in Deutschland laut dem kürzlich erschienenen Faktencheck Artenvielfalt nur zehn Prozent der Flüsse, Seen und Küstengewässer in einem guten ökologischen Zustand.
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    Doch auch die Lösungen beider Krisen liegen eng beieinander. Gesunde Böden, Wälder, Moore und Meere nehmen viel CO2 auf. Auch deshalb sollen künftig die regelmäßigen UN-Konferenzen jeweils zum Klimawandel und zur Biodiversität stärker vernetzt werden.

    "Denke global, handle lokal"

    Auf der vergangenen UN-Weltnaturschutzkonferenz 2022 in Kanada stellte die Welt ein großes Ziel auf, vergleichbar mit dem 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen. 30 Prozent der Land- und Meeresflächen sollen unter Schutz gestellt werden. Auf der jetzigen UN-Konferenz in Kolumbien geht es darum, wie dies umgesetzt und finanziert werden soll.
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    Im Gegensatz zur Einsparung von unsichtbarem CO2 kann der Schutz der Biodiversität aber auch auf lokaler Ebene ganz sichtbare Erfolge zeigen, etwa wenn wieder mehr Insekten durch die Luft schwirren. Marion Mehring, Leitautorin des Faktenchecks Artenvielfalt sagt dazu:

    Jedes Engagement, sei es den eigenen Garten ein bisschen naturnäher umzugestalten, vielleicht ein bisschen mehr Wildnis zuzulassen, kann sich durchaus lohnen.

    Marion Mehring, Expertin für sozial-ökologische Biodiversitätsforschung

    Die Systemforscherin Antje Boetius steht auf einem Boot und schaut lächelnd in die Kamera. Hinter ihr im Wasser fährt ein Schiff zwischen Eisbergen entlang.
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    Zuflucht in Zeiten der Krisen

    Und auch auf einer anderen Ebene sind gesunde Ökosysteme für den Menschen unabdingbar, besonders in den Krisen dieser Zeit. Die Forschung zeigt, dass eine intakte Natur die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden steigert und sogar Heimatgefühle oft mit der Natur verknüpft sind.
    Bei Spaziergängen auf einigen Naturerlebnispfaden Deutschlands findet sich so auch immer wieder ein Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss:

    Der Mensch braucht Naturerlebnisse als Gegengewicht gegen die Unruhe und Ängste des Herzens, gegen den kalten, harten Glanz laufender Maschinen, gegen den Schatten der Atombombe. Die Welt ist unheimlich geworden, aber die Wege, die uns das Gewissen zeigt - zurück zur Natur - können uns aus dem Höllenkreis herausführen.

    Theodor Heuss, ehemaliger Bundespräsident

    ... ist Wissenschaftsjournalistin mit Schwerpunkt für Umweltpolitik. Als Reporterin der ZDF-Umweltredaktion berichtet sie von allen UN-Konferenzen zum Klimawandel und zur Biodiversität. Auch beim Abschluss des Abkommens von Montreal war sie vor Ort.

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