Interview
Zeitvariable Netzentgelte:Für wen Strom jetzt billiger werden kann
von Kathrin Haas
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Stromkosten senken durch intelligente Steuerung: Seit April geht das auch über dynamische Netzentgelte, die Betreiber anbieten müssen. Doch nicht jeder Haushalt kann profitieren.
Billiger Strom durch dynamische Netzentgelte (Symbolbild)
Quelle: dpa
So hatten es sich die Architekten der Energiewende gedacht: Jan Helbing trägt in einer App ein, wann er morgens mit dem E-Auto losfahren will. Sein Stromanbieter lädt das Fahrzeug über Nacht automatisch zu der Zeit, wenn der Strompreis am günstigsten ist. Also dann, wenn viel grüner Strom verfügbar ist.
"Ich habe das neulich mal ausgerechnet", erzählt Helbing, der in einem Zwei-Personen-Haushalt südlich von Berlin lebt und seinen Stromverbrauch minuziös per App steuert. "Damit habe ich bestimmt 2.000 Euro im letzten Jahr gespart." Dazu beigetragen habe auch seine Solaranlage, die ihn mit grünem Strom versorgt, sagt er.
Sparen durch zeitvariable Netzentgelte
Seit 1. April kann Jan Helbing seine Stromkosten noch weiter senken. Denn Netzbetreiber müssen jetzt zeitvariable Netzentgelte anbieten. Das heißt, die Gebühren für die Nutzung des Stromnetzes orientieren sich an der Netzauslastung. "Der Strom an sich kostet ja gar nicht so viel, sondern die Netzentgelte machen den Strompreis erst teuer", so Helbing.
Tatsächlich machen Netzentgelte bislang rund ein Viertel des Strompreises aus. Durch die neue Regelung sinken die Netzentgelte, wenn besonders viel Strom im Netz ist. Das soll es attraktiver machen, Strom außerhalb der Stoßzeiten zu verbrauchen - so wie Jan Helbing, der sein E-Auto ferngesteuert gegen 2 Uhr nachts lädt, anstatt direkt nach Feierabend.
Wann die Preise für Netzentgelte ab sofort höher oder niedriger sind, hänge stark vom Netzbetreiber ab, erklärt Henning Herbst, Strommarkt-Experte vom Verbraucherzentrale Bundesverband:
Wer die zeitvariablen Netzentgelte nutzen will, sollte sich beim Netzbetreiber über die Tarifstufen und Zeitfenster informieren.
Henning Herbst, Verbraucherzentrale Bundesverband
Eine gute Übersicht gebe die Website Variable Netzentgelte. Den eigenen Netzbetreiber könne man über die Website VNBdigital ermitteln.
Stromkosten senken: Wer profitiert?
Um von zeitvariablen Netzentgelten zu profitieren, braucht es zweierlei: steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie eine Wärmepumpe oder eine E-Auto mit Ladebox sowie intelligente Strommessgeräte, sogenannte Smart Meter.
Ein Smart Meter ist ein intelligentes Messsystem, das die bezogene Stromleistung und den Stromverbrauch in Echtzeit erfasst. Das Gerät besteht aus einem digitalen Stromzähler und einer Datenschnittstelle, dem sogenannten Smart-Meter-Gateway. Letzteres verarbeitet die Daten des digitalen Zählers und sendet sie an den Stromanbieter und Netzbetreiber. Erst in dieser Kombination spricht man von einem Smart Meter. Zu erkennen sind Smart Meter an einer digitalen Anzeige und an einem Internet-Kabel-Anschluss.
Smart Meter können sich für Verbraucher lohnen, wenn sie über einen flexiblen Stromtarif Ladevorgänge und Nutzung elektronischer Geräte steuern. "Es bringt dir nicht viel, wenn du theoretisch nachts weniger Netzentgelte zahlst. Das bringt dir nur was, wenn du automatisch die Ladezeit anpasst", erklärt Merlin Lauenburg, Chef des Ökostromanbieters Tibber.
Für die Energiewende seien Smart Meter und eine Steuerung des Stromverbrauchs essenziell: "Wenn wir die Spitzen des Stromverbrauchs morgens und abends nicht besser über den Tag verteilen, gehen wir davon aus, dass wir in Zukunft die vierfache Menge an Erneuerbaren bräuchten", so Lauenburg.
Doch erst zwei Prozent aller Stromzähler hierzulande sind schon smart. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich weit zurück. In Schweden und Spanien hat jeder einzelne Haushalt einen Smart Meter.
Smart Meter auf Kundenwunsch: Vorsicht Kostenfalle
Seit diesem Jahr haben alle Privathaushalte das Recht auf den Einbau eines Smart Meters, wenn sie danach fragen. Messstellenbetreiber müssen dann das Gerät innerhalb von vier Monaten installieren. "Für Haushalte mit E-Ladesäule und Wärmepumpe könnten die Ersparnisse größer sein, als die Gebühr für den Smart Meter", erklärt Strommarkt-Experte Herbst.
Hier muss man aber aufpassen: Es gibt einige Unternehmen, die relativ hohe Preise für den Einbau auf Kundenwunsch verlangen.
Henning Herbst, Verbraucherzentrale Bundesverband
Aus Sicht der Verbraucherzentrale Bundesverband sollte der Einbau eines Smart Meters nicht mehr als 100 Euro kosten.
Kathrin Haas ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Berlin.
Quelle: dpa
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