Warum Deutschlands Wasserstoff-Plan zur Energiewende stockt

    Ausbau und Import verzögert sich:Warum Deutschlands Wasserstoff-Plan stockt

    Schaltpartnerin Heescher zum Urteil im Prozess um die Messerattacke bei Brokstedt.
    von Winnie Heescher
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    Wasserstoff gilt als magisches Molekül, als Schlüsselelement der Energiewende. In diesen Wochen aber wachsen bei vielen Plänen Fragezeichen, wann der klimaneutrale Stoff kommt.

    Wasserstofftankstelle
    Bei Deutschlands Wasserstoff-Strategie gibt es viele Fragezeichen.
    Quelle: picture alliance / Panama Pictures | Dwi Anoraganingrum

    Schiffe, Autos, Flugzeuge, Kupfer- und Stahlhütten, die heimische Heizung - all das soll in Zukunft mit Wasserstoff laufen und damit die Klimaschädlinge Öl, Gas und Kohle ersetzen. Deutschland hat sich einen Plan verordnet, eine "nationale Wasserstoffstrategie".
    Darin wurde 2023 nochmals festgelegt, wie viel Wasserstoff hierzulande produziert wird und wie die Infrastruktur aussehen soll, welche Forschung unterstützt wird. Weil Deutschland technisch nicht dafür aufgestellt ist, rechnet die Bundesregierung damit, 50 bis 70 Prozent des benötigten Wasserstoffs bis 2030 importieren zu müssen. Soweit der Plan.
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    Kernnetz: Viele Pipeline-Abschnitte noch ohne Betreiber

    Doch die Fragezeichen wachsen. Heute hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Verzögerung das Wasserstoff-Kernnetz vorgestellt, also das Netz, das zeigt, wo hierzulande Wasserstoff-Pipelines verlaufen sollen. Eine Ankündigung, auf die die Wirtschaft in manchen Regionen sehnsüchtig seit Monaten gewartet hat: Zentrale Standorte wie große Industriezentren, Speicher und Kraftwerke müssen angeschlossen werden, um Wasserstoff zu empfangen oder weiterzugeben.
    Das Kernnetz soll 13 Knotenpunkte an den deutschen Grenzen für den Import haben und bis 2032 fertiggestellt werden. Vorgesehen sind insgesamt 9040 Kilometer, für 60 Prozent davon sollen bereits bestehende Gasleitungen dienen, die auf Wasserstoff umgestellt werden. Die Kosten belaufen sich auf knapp 19 Milliarden Euro. Das sind 800 Millionen Euro weniger als ursprünglich geplant.
    Zur Realisierung braucht es langfristige Planungen und Betreiber der einzelnen Streckenabschnitte. Die sind in vielen Bundesländern aber bislang nicht gefunden, auch weil noch nicht klar ist, wie lange noch Erdgas durch bestehende Leitungen rauschen soll. Und: In manchen Regionen wie zum Beispiel im Saarland haben Bürgerinitiativen schon ihr Veto eingelegt.
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    Drei Milliarden Euro plant der Bund in die Wasserstoff-Infrastruktur zu investieren.25.06.2024 | 1:36 min

    Wasserstoff-Importe: Verzögerungen aus Skandinavien

    Weitere Verzögerungen kommen aus Skandinavien: Dänemark hat vor zwei Wochen mitgeteilt, den Start einer Wasserstoff-Pipeline nach Deutschland, von 2028 auf 2031 zu verschieben. Begründung: Mehrere Aktivitäten seien "umfangreicher und zeitaufwendiger als ursprünglich angenommen". Weil grüner Wasserstoff, also Wasserstoff der mithilfe von erneuerbaren Energien hergestellt wird, knapp und teuer ist, soll übergangsweise auch blauer Wasserstoff eingesetzt werden können.
    Er wird wie konventioneller Wasserstoff auf Erdgasbasis hergestellt. Das dabei entstehende CO2 wird jedoch aufgefangen und unterirdisch gespeichert. Norwegen ist Vorreiter dieser Technik, hat erst kürzlich eine solche CCS-Speicher-Anlage in Betrieb genommen.
    Norwegen hatte deshalb erklärt, schnell mit Lieferung von blauem Wasserstoff beginnen zu können. Ende September die Kehrtwende: Man werde die geplante Wasserstoff-Pipeline nach Deutschland nicht bauen. Die Nachfrage nach blauem Wasserstoff sei nicht geklärt.
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    Norwegen will in Zukunft Wasserstoff liefern, auch an Deutschland. Aber ihr blauer Wasserstoff verursacht wohl mehr CO2 als gedacht.28.04.2023 | 1:50 min

    Studie zum CO2-Fußabdruck von blauem Wasserstoff

    Eine neue Studie, die das internationale Recherchenetzwerk DeSmog anhand von Daten der internationalen Energieagentur angefertigt hat, legt ein weiteres Problem offen: Blauer Wasserstoff, der von der Industrie als Übergangslösung angemahnt wird, ist bei weitem nicht klimaneutral.
    "Wir haben 46 neue Projekte für blauen Wasserstoff in der EU, Großbritannien und der Schweiz untersucht und dabei festgestellt, dass die jährlichen Gesamtemissionen sich auf 38 Millionen Tonnen CO2 belaufen", erklärt die Klimajournalistin Aline Nippert. Das sei so viel wie Dänemark in einem Jahr emittiert.

    Bevor man also über Wasserstoff als Lösung für das Klima spricht, muss man erstmal das Problem lösen, das Wasserstoff selbst für das Klima ist.

    Aline Nippert, Klimajournalistin

    Viele Fragezeichen hängen derzeit also an dem Stoff, der Deutschland helfen soll, klimaneutral zu werden.

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