Anklage-Woche bei Volkswagen: Scheiden aus China täte weh

    Analyse

    Woche der Anklagen:Volkswagen: Scheiden aus China täte weh

    ZDF-Korrespondent Peter Kunz.
    von Peter Kunz
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    Turbulente Woche bei VW: Deutschlands Autobauer Nummer eins muss sich verteidigen - vor Gericht gegen Betrugsvorwürfe und gegen Menschenrechtsverletzungen in China.

    Zwei Männer betreten einen Raum
    Volkswagens früherer Vorstandschef, Winterkorn, hat erstmals vor Gericht als Zeuge zum Dieselskandal ausgesagt. Er trage keine Verantwortung für illegale Abschaltvorrichtungen.14.02.2024 | 1:53 min
    Volkswagen hatte mal einen Mini-Skandal mit kleinen Äffchen. Die Versuchstiere mussten Abgase einatmen, was offenbar nicht alle überlebt haben. An die berühmten drei Äffchen fühlte man sich erinnert, als der ehemalige Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn in dieser Woche vor dem Oberlandesgericht Braunschweig aussagen musste: Nichts gehört, nichts gesehen, und so richtig sagen wollte er auch nichts. Fest steht nur, dass der 76-Jährige den Abgasskandal von 2015 bisher ohne allzuviel juristische Blessuren überlebt hat.
    Der Gesundheitszustand des 76-Jährigen ist offenbar wieder besser als vor einiger Zeit noch. Vielleicht startet also doch beizeiten der Strafprozess gegen "Mr. Volkswagen", den der Beschuldigte bisher mit ärztlichen Bulletins weit rausschieben konnte.
    In Braunschweig geht es im Zivilprozess gegen den Konzern um möglichen Anlegerbetrug, Winterkorn war dort nur Zeuge. Aber für entscheidende Zeiträume ab Ende Juli 2015 blieb er jede Aussage mit Hinweis auf die gegen ihn noch anhängigen Verfahren schuldig. Ein Zeuge, der nur begrenzt Zeugnis ablegen wollte.
    CSU-Politiker und ehemalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer sowie Titelgrafik Der Diesel-Krimi
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    Dieselskandal: Winterkorn will kaum etwas gewusst haben

    Er habe nur am Rande mitbekommen, dass es Probleme mit den amerikanischen Behörden und den Verdacht auf eine möglicherweise illegale Abschaltvorrichtung gab. Einen Vertrauten, der vorgab, seinem obersten Boss frühzeitig Hinweise gegeben zu haben, kanzelte Winterkorn regelrecht ab.
    Der Mann habe gerne eher das halbleere Glas gesehen und außerdem "nicht genug technisches Verständnis" gehabt. Er, Winterkorn, sei mit einem Bremsenproblem bei Porsche beschäftigt gewesen, das war ihm wichtiger als die Abgasproblematik in den USA. Die amerikanische Diesel-Petitesse sozusagen. Sie hat Volkswagen bisher 32 Milliarden Euro gekostet.

    Wieder negative Schlagzeilen für VW

    Dies war auch ohne den Prozess keine gute Nachrichtenwoche für VW. Der Konzern gerät wieder wegen seines Engagements in der chinesischen Provinz Xinjiang in die Schlagzeilen. Außerdem stecken in Amerika rund 13.000 Autos in Häfen fest und können nicht ausgeliefert werden. Beides hat direkt miteinander zu tun.
    VW wehrt sich gegen den Vorwurf, dass beim Bau einer Teststrecke in Xinjiang Zwangsarbeiter der Uiguren-Minderheit eingesetzt worden seien. Und in den festgehaltenen Autos ist das Kleinteil eines chinesischen Zulieferers verbaut, bei dem der Verdacht offensichtlich zutrifft, dass bei der Produktion ein US-Gesetz gegen Zwangsarbeit verletzt wurde. Das Teil wird jetzt ausgetauscht, die Fahrzeuge dann wohl peu à peu ausgeliefert. Den Zulieferer am Ende der Lieferkette hatte niemand so genau im Blick. Kommentar VW: "Volkswagen nimmt Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen sehr ernst".

    Uiguren beim Bau von Teststrecke beteiligt?

    Dem Vorwurf, sich mit dem Volkswagen-Werk in Xinjiang und einem Joint Venture mit dem chinesischen Staatsbetrieb SAIC in dieser Beziehung immer auf dünnes Eis begeben zu haben, entkommt Volkswagen nicht mehr. Zuletzt hatte der Konzern prüfen lassen, ob in seiner Produktion Mitarbeiter aus Arbeitslagern rekrutiert waren. Der Bericht dazu fand keine entsprechenden Hinweise.
    Jetzt geht es um eine Teststrecke im Ort Turpan, die von Volkswagen und SAIC gemeinsam betrieben wird. Angeblich hat China beim Bau Insassen seiner Uiguren-Umerziehungslager herangezogen. Die Uiguren sind eine mehrheitlich muslimische Minderheit.

    Peking weist Vorwürfe zurück

    China reagierte auf entsprechende Medienberichte empört. Das Außenministerium in Peking erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: "Deutsche Unternehmen sollten sich von den Lügen über die Lage in Xinjiang nicht täuschen lassen."
    Auf dem Bild ist ein chinesischer Drache zu sehen.
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    Der Letzte, der sich von den Aufdeckungen über Internierungslager jedenfalls nicht täuschen oder ablenken ließ, war der frühere Volkswagen-Chef Herbert Diess. Er wollte 2019 nichts von solchen Praktiken in China wissen. Das erinnert wieder an die drei Äffchen oben.

    China wichtigster Markt für VW

    Volkswagen schaut jetzt aber kritischer drauf und verschickte zum Ende der Woche folgende Mitteilung: "Der Volkswagen-Konzern befindet sich derzeit in Gesprächen über die künftige Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten in der Provinz Xinjiang. Verschiedene Szenarien werden geprüft." 
    Scheiden aus China täte allerdings weh. Das Reich der Mitte balanciert auch das Betriebsergebnis des Konzerns aus. Es bleibt VWs wichtigster Markt.
    Peter Kunz ist Leiter des ZDF-Studios Niedersachsen.

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