Brenner Basistunnel: Nie wieder Staus in Richtung Süden?

    Deutschland bremst EU-Projekt:Stau am Brenner: Wann enden die Geduldsproben?

    von Alexandra Hawlin und Elisa Miebach
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    Er soll eine der wichtigsten Routen Europas entlasten, Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen: der Brenner Basistunnel. Warum Deutschland das Mega-Projekt ausbremst.

    Grafik Verlauf Brenner-Basistunnel
    Der neue Brenner-Basistunnel für den Schienenverkehr soll zukünftig Staus auf dem Weg nach Italien verhindern. In Deutschland ist das Mega-Projekt jedoch in Verzug. Hinzu kommen Klagen von Anwohnern über die geplante Großbaustelle.29.07.2024 | 2:01 min
    Wer sich jetzt zur Reisesaison auf den Weg nach Italien macht, muss auf der Straße Zeit und Geduld mitbringen. Denn spätestens an der Grenze zwischen Österreich und Italien kommt der Verkehr meist ins Stocken.
    Der Brennerpass, das Tor Richtung Süden, ist das Nadelöhr auf einer der wichtigsten Reise- und Handelsrouten durch Europa. Nicht nur Touristen überqueren den Brenner, auch rund 2,5 Millionen Lkw jährlich.
    Baustelle Brenner Basistunnel
    Eine Riesen-Baustelle für ein Jahrhundertprojekt gegen Staus in Richtung Süden. Die Reportage "Mega-Projekt Brenner Basistunnel". 26.07.2024 | 13:29 min

    Österreich: Gemeinden ächzen unter Verkehr aus Deutschland

    Wenn auf der Brennerautobahn alles still steht und viele auf die Straßen durch die kleinen österreichischen Gemeinden ausweichen, dann kommt etwa in Steinach am Brenner an Sommertagen nicht mal mehr der Krankenwagen durch den Ort, erzählt Bürgermeister Florian Riedl.
    Manche Bürger der Gemeinde verlassen an Wochenenden nicht mal mehr das Haus, weil es auf der Straße kein Durchkommen gibt.

    Früher hat der Ort vom Tourismus gelebt, mittlerweile gibt's nur noch Durchzugsverkehr. Am Wochenende trauen sich die Einheimischen gar nicht mehr, irgendwo hinzufahren.

    Bernadette Stockhammer, Anwohnerin Steinach am Brenner

    Ohne Stau nach Italien im Brenner Basistunnel

    Um vor allem den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, entsteht zwischen München und Verona eine neue Hochleistungsstrecke. Ein Jahrhundertprojekt als Lösung gegen das Verkehrschaos. Herzstück der neuen Brennerachse ist der Brenner Basistunnel vom österreichischen Innsbruck bis nach Franzensfeste in Südtirol.
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    Der Brenner in den Alpen ächzt unter dem Verkehr. Ändern soll sich das mit dem längsten Eisenbahntunnel der Welt.26.07.2021 | 0:32 min
    55 Kilometer werden neu gebaut. Sie schließen an den bestehenden Inntaltunnel an und kreieren so mit 64 Kilometern die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt.
    Durch zwei Tunnelröhren, eine Richtung Norden, eine Richtung Süden, fahren ab 2032 Personen- und Güterzüge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 230 km/h. Zehn Milliarden Euro wird der Tunnel kosten, gemeinsam von der EU sowie Italien und Österreich finanziert.

    Deutschland bremst Hochleistungsstrecke aus

    Die neue Hochleistungsstrecke von München nach Verona wird allerdings nicht funktionieren - ohne die sogenannten Zulaufstrecken im Norden und Süden des Tunnels. Vor allem der Nordzulauf ist entscheidend für das EU-Projekt, denn der Hauptverkehr kommt über Deutschland.
    Stau auf der Autobahn
    In den seltensten Fällen sind Unfälle die Ursache. Aber wie kommt es zu Staus auf der Autobahn? Wer trägt die Schuld? Könnten smarte Verkehrsplanung und Tempomaten die Lösung sein? 05.07.2024 | 6:07 min
    Das Problem: Während in Österreich und Italien schon gebohrt, gesprengt und gebaut wird, hat Deutschland für seinen Teil der Zulaufstrecke noch nicht mal eine Baugenehmigung. Derzeit plant die Deutsche Bahn den Brenner-Nordzulauf.

    Wir haben einen umfangreichen Prozess aufgezogen, weil wir keine Möglichkeit ausschließen wollten. Wir haben 100 Trassen-Vorschläge entwickelt und Vorschläge aus der Region miteinfließen lassen.

    Matthias Neumaier, Gesamtprojektleiter Brenner-Nordzulauf, Deutsche Bahn

    Deutschland hinkt Jahre hinterher

    Die Planung - ein Kompromiss zwischen Hochleistungsstrecke, Eingriff in die Natur und Sorgen der Anwohner. Für die neue Strecke, den Nordzulauf in Bayern, muss niemand sein Haus verlassen, doch die geplanten Baustellen verärgern die Bürger vor Ort.
    So etwa im bayerischen Einöden. Dort werden die Bestandsgleise verlegt und für Jahre eine Großbaustelle eingerichtet, die direkt an den Garten der Familie Wagner grenzt.

    Wir haben das Haus selber gebaut und haben gedacht, in der Rente ist man schuldenfrei, dann kann man da in Ruhe leben.

    Andrea Wagner, Anwohnerin in Einöden

    Eine Petition gegen die neue Strecke erreichte 30.000 Unterschriften, wurde aber vom Bundestag abgelehnt. Die ausgewählte Vorzugsstrecke muss erst noch vom Bundestag abgesegnet werden, voraussichtlich 2025. Mit einer Fertigstellung rechnet die Deutsche Bahn frühestens 2040.
    Zwischen München und Verona soll mit dem EU-Projekt "Brenner Basistunnel" eine Hochleistungsstrecke entstehen. Dafür braucht es Zulaufstrecken im Norden und Süden.
    Zwischen München und Verona soll mit dem EU-Projekt "Brenner Basistunnel" eine Hochleistungsstrecke entstehen. Dafür braucht es Zulaufstrecken im Norden und Süden.
    Quelle: ZDF

    Das Verkehrsministerium erklärt auf ZDF-Anfrage, der Zeitplan sei auf europäischer Ebene abgestimmt. Es würde noch dauern, bis wegen des Tunnels mehr Verkehr auf der Schiene rollt.

    Die Planungen für den Brenner-Nordzulauf bewegen sich innerhalb dieses Terminrahmens, [...] entsprechend der erst nach Fertigstellung des Basistunnels kontinuierlich steigenden Bedarfe.

    Bundesverkehrsministerium, schriftliches Statement

    Kommission für Trennung von Bahn und Schiene
    Die Folgen der FDP-Sparpolitik machen sich schon jetzt an vielen Stellen bemerkbar, unter anderem beim maroden Schienennetz. Dabei sollte das ausgebaut werden.23.04.2024 | 7:53 min

    Brenner Basistunnel - die Lösung gegen Staus?

    Damit die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene funktioniert, braucht es allerdings nicht nur die Zulaufstrecken. Auch die Transportkosten per Lkw müssten angepasst werden, fordert die Deutsche Bahn.

    Die Straße muss teurer werden, die Schiene attraktiver und leistbarer. Momentan ist es noch einfacher, die Tomaten per Lkw nach Deutschland zu holen. Da müssen wir mit verschiedenen Maßnahmen dran arbeiten, eine ganz zentrale ist die Schaffung einer attraktiven Infrastruktur.

    Ingrid Felipe, Vorständin lnfrastrukturplanung DB InfraGO

    In der Schweiz haben sie mit dem Gotthard Basistunnel bereits gezeigt was möglich ist. 70 Prozent des alpenquerenden Verkehrs dort läuft über die Schiene. Im Brenner Basistunnel ist das noch Zukunftsmusik.
    Bis ein Großteil des Verkehrs wirklich von der Straße auf die Schiene verlegt ist, muss noch einiges passieren. Statt 5,5 Stunden soll es dann in nur 2,5 Stunden von München nach Verona gehen, einmal quer durch die Alpen.

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