VW: Abgeordnete fordern Warnhinweis wegen Menschenrechten
Exklusiv
Kritik an Menschenrechtsreport:Abgeordnete fordern Warnhinweis für VW
von Peter Kunz, Nils Metzger, Thomas Reichart
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Heftige Kritik am Volkswagen-Prüfbericht zu Zwangsarbeit in China: Menschenrechtspolitiker fordern parteiübergreifend, dass VW mit einem Warnhinweis für Investoren versehen wird.
Das VW-Werk im chinesischen Xinjiang steht seit Jahren wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Ein Bericht, der das Gegenteil beweisen wollte, weist Mängel auf.19.09.2024 | 1:40 min
Der Autobauer VW steht seit Jahren wegen Vorwürfen von Zwangsarbeit in seinem Werk in der chinesischen Region Xinjiang in der Kritik. Ein von VW beauftragter Prüfbericht sollte diese Vorwürfe ausräumen - doch am Donnerstag veröffentlichte Recherchen von ZDF, "Spiegel" und "Financial Times" weckten schwere Zweifel an der Qualität des Reports.
Investoren-Warnhinweis wegen Menschenrechtsvorwürfen gefordert
In Reaktion auf die Enthüllungen fordert die Interparlamentarische Allianz zu China (IPAC), ein Zusammenschluss von rund 250 Abgeordneten aus 28 Parlamenten weltweit, dass VW von dem zentralen Finanzdienstleister MSCI erneut mit einer sogenannten "red flag" belegt wird. "Die Interparlamentarische Allianz zu China ist bestürzt über die Inhalte eines geleakten Audits zu Volkswagens Beteiligungsprojekt in Xingjiang", heißt es in einer ZDFheute vorliegenden Stellungnahme von Freitag.
Ein solcher Schritt wäre eine deutliche Warnung an Investoren; damit käme VW für zahlreiche als nachhaltig klassifizierte Geldanlagen nicht mehr in Frage. Das könnte massive Folgen für den ohnehin angeschlagenen Kurs der VW-Aktie haben. Im November 2022 hatte MSCI VW schon einmal mit einem solchen Warnhinweis wegen Menschenrechtsvorwürfen belegt, die Brandmarkung nach Erstellung des VW-Audits im Dezember 2023 aber wieder zurückgenommen.
Der Menschenrechtsbericht über das VW-Werk in der chinesischen Region Xinjiang weist nach Recherchen von ZDF, "Der Spiegel" und "Financial Times" erhebliche Mängel auf.19.09.2024 | 1:49 min
IPAC: Weiterbetrieb von VW-Werk "inakzeptabel"
Teil von IPAC sind auch Außen- und Menschenrechtspolitiker verschiedener Bundestagsparteien. Der Kritik an VW angeschlossen hat sich unter anderem Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Brand sagt ZDFheute:
"Die Vorstände von VW und auch Ministerpräsident Weil als großer Anteilseigner für das Land Niedersachsen müssen ihre toxische Ergebenheit gegenüber einem brutalen Regime in Peking aufgeben und internationale Normen achten", so Brand weiter. Das deutsche Recht kenne bei schweren Menschenrechtsverletzungen kein Vergessen.
Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Boris Mijatovic, fordert gegenüber ZDFheute:
"Die Volksgruppe der Uiguren und andere Minderheiten müssen sich auf internationale Verabredungen und Regeln verlassen können", sagt Mijatovic. "Das bedeutet, dass sich VW aus Xinjiang aufgrund fortgesetzter Verletzung von Standards aus dieser Region zurückziehen muss."
Auch für IPAC ist klar: VW dürfe an seinem Werk in Xinjiang nicht mehr länger festhalten. "Für einen Großkonzern wie Volkswagen ist es völlig inakzeptabel, weiterhin ein Werk zu betreiben, wo Assimilierungspolitik betrieben wird", schreibt die Organisation mit Blick auf die Unterdrückung der uigurischen Minderheit in der Region. "Und [es ist] inakzeptabel, dass Behauptungen über die Integrität der Lieferkettenprüfung gemacht wurden, die falsch zu sein scheinen." Außerdem fordert die Abgeordneten-Vereinigung eine Entschuldigung des Konzerns.
Vor zwei Jahren kamen bis dahin nie gesehene Fotos von chinesischen Umerziehungslagern ans Licht. Wie ist die Situation im Uiguren-Gebiet heute?22.05.2024 | 6:55 min
Volkswagen weist Täuschungsvorwurf zurück
ZDF, "Spiegel" und "Financial Times" wurde der 71 Seiten lange Prüfbericht zugespielt. Mitarbeiter der mit der Prüfung beauftragten chinesischen Anwaltskanzlei wiesen zweifelhafte Qualifikationen für so eine sensible Aufgabe auf. Die Vertraulichkeit der Mitarbeiterbefragungen in Xinjiang soll kaum gegeben gewesen sein. Dennoch sah VW die Vorwürfe von Zwangsarbeit nach Vorliegen des Berichts Ende 2023 für ausgeräumt an.
Aufarbeitungsbedarf sieht auch der VW-Konzernbetriebsrat: "Die Kernfrage dabei lautet: Wie belastbar sind die Feststellungen des Audits überhaupt noch?", sagte ein Sprecher ZDF, "Spiegel" und "Financial Times". Man erwarte vom Unternehmen eine lückenlose Klärung der Vorwürfe.
Volkswagen selbst verweist darauf, dass der Prüfbericht nach einem international anerkannten Verfahren erstellt worden sei. Den Vorwurf der Täuschung weist das Unternehmen zurück: "Volkswagen hält sich bei seiner Kommunikation stets an die rechtlichen Vorgaben. Eine Täuschung von Investoren oder der Öffentlichkeit hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden."
Lesen Sie hier die vollständige Recherche zum VW-Menschenrechtsreport:
Hat VW die Öffentlichkeit und Investoren getäuscht? Recherchen von ZDF, "Der Spiegel" und "Financial Times" legen das nah. Im Fokus: Ein Prüfbericht zu Zwangsarbeit in China.