Dudenhöffer zur VW-Krise: "Deutschland ist eine Katastrophe"

    Interview

    Automobilexperte Dudenhöffer:"Deutschland ist eine Katastrophe" für VW

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    Der Betriebsrat sieht die Schuld für Volkswagens Krise beim Management. Autoexperte Dudenhöffer widerspricht. VW habe ein Kostenproblem, verursacht durch den Standort Deutschland.

    Beschäftigte verlassen das Volkswagen-Werk in Zwickau
    Seit Wochen ringen VW und Betriebsrat um mögliche Werkschließungen und Entlassungen. Jetzt liegen laut Betriebsrat konkrete Pläne auf dem Tisch. Mindestens drei VW-Werke sollen dicht gemacht werden, Zehntausende Arbeitsplätze sind in Gefahr.29.10.2024 | 2:29 min
    ZDFheute: Kann man es sich einfach machen und sagen, im Management findet man die Schuldigen für die Krise bei VW?
    Prof. Ferdinand Dudenhöffer: Natürlich kann man es sich nicht so einfach machen. Die gleichen Autos wie bei VW werden auch von Skoda gebaut. Skoda ist hoch erfolgreich. Die gleichen Produktionsmethoden, die gleichen Plattformen. Der Unterschied sind die Kostenstrukturen.
    Also ist es kein Management-Problem, sondern ein Kostenstrukturproblem. Dieses Kostenstrukturproblem hat zwei Elemente. Einmal Deutschland. Deutschland ist eine Katastrophe:
    In Deutschland, da brechen die Brücken zusammen. In Deutschland ist die Bahn unvorstellbar schlecht. In Deutschland haben wir die höchsten Energiepreise der Welt. Wir könnten das fortsetzen. Also Deutschland ist ein riesiges Sanierungsproblem. Und deshalb hat VW in Deutschland ein Problem.
    Florian Neuhann, 	Leiter des Teams Wirtschaft/Finanzen in der ZDF-Hauptredaktion
    Laut ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann sind die Entscheidungen von VW nicht der einzige Grund für die Krise. "Der Absatz von Autos ist regelrecht eingebrochen", so Neuhann.10.09.2024 | 3:12 min
    Aber VW hat noch ein zweites Problem und das sitzt in Niedersachsen, und zwar deshalb, weil in Niedersachsen die Landesregierung eine 20 Prozent-Beteiligung an den Aktien von VW hat. Damit ist die Landesregierung und die IG Metall durch das Betriebsverfassungsgesetz in der absoluten Mehrheit im Aufsichtsrat.
    Der Aufsichtsrat bestimmt den Vorstand, der Aufsichtsrat bestimmt die Strategie. Vorstand und Strategie wurden immer so orientiert, dass eine Schutzglocke über Niedersachsen liegt. Und damit sind Strukturen entstanden, die einbetoniert waren.
    Die Volkswagen-Werke

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    ZDFheute: Wäre VW mit anderen Strukturen international konkurrenzfähig?
    Dudenhöffer: Nehmen wir mal Opel, so wie es früher war, und nehmen wir Opel, wie es heute ist - mit Stellantis. Opel war früher ein schrecklich schwieriges Unternehmen. Entweder in leichten Verlusten oder in leichten Gewinnen. Und dann ist es zu Stellantis gekommen und ist heute mit acht bis zehn Prozent Umsatzrendite zum Teil hoch erfolgreich. Fast so erfolgreich wie Mercedes.

    war langjähriger Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und gründete dort das Center Automotive Research (CAR). Er ist zum Thema Automobilindustrie ein viel zitierter Gesprächspartner in deutschen und chinesischen Medien.

    Der Grund ist, dass man gleiche Plattformen hat, bei denen man mal einen Peugeot und mal einen Opel und mal einen Fiat draufbauen kann - dann kommt man in die sogenannten Skalierungseffekte. Diese Skalierungseffekte prägen die Automobilindustrie. Toyota ist erfolgreich mit niedrigen Kosten pro Fahrzeug, weil Toyota Zehn Millionen Autos baut und damit Skalierungsvorteile hat, die bei anderen Herstellern so eben nicht erreichbar sind.
    ZDFheute: Warum agiert die VW-Gruppe nicht so wie die Stellantis-Gruppe es tut?
    Dudenhöffer: VW laufen die Kosten weg, weil VW 100.000 Mitarbeiter in Niedersachsen und viele Mitarbeiter in Deutschland hat. Die Kostensysteme bei uns sind aber jenseits von Gut und Böse - kurz: nicht wettbewerbsfähig.
    Und weil bei VW die Kosten so hoch sind, sind auch die Preise der Fahrzeuge zu hoch. Das heißt, die Kunden lassen immer stärker Volkswagen links liegen und gehen zu Skoda oder zu Cupra oder zu Seat, weil die gleichen Fahrzeuge mit niedrigeren Preisen verkauft werden.
    Arbeiter in einer japanischen Toyota Fabrik.
    Die deutsche Autoindustrie schwächelt - und das schlägt sich auch in den Zahlen für das erste Halbjahr nieder. Währenddessen verzeichnet der Konkurrent Toyota Rekordumsätze.08.10.2024 | 1:36 min
    ZDFheute: Kommt der Wagen für das Volk gar nicht mehr aus Wolfsburg?
    Dudenhöffer: Die Volksautomobile kommen immer stärker aus China. China wird die wichtigste Nation im Autogeschäft werden - ist es heute schon zum Teil. Das neue Auto, das entsteht in China. Das ist das Elektroauto und das sind die Software getriebenen Fahrzeuge.
    Stefan Bratzel
    Der Automobilexperte Stefan Bratzel erklärt bei Lanz, warum E-Mobilität mit einem Verlust von Arbeitsplätzen bei Autobauern einhergeht - und wo neue Arbeit entstehen könnte.30.10.2024 | 1:17 min
    In beiden Positionen hat China sich einen natürlichen Wettbewerbsvorteil erarbeitet. So wie wir in Europa einen natürlichen Wettbewerbsvorteil bei den Verbrennern hatten. Die Verbrennerzeit ist vorbei. Jetzt geht es in die neue Zeit und in der neuen Zeit wird China das Maß der Dinge.
    ZDFheute: Und die Arbeitsplätze gehen im Autoland Deutschland verloren?
    Dudenhöffer: Die Arbeitsplätze sind ein Problem, das die deutschen Politiker zu lösen haben. Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland sind nicht das Problem der Autobauer und sind nicht das Problem der Zulieferer.
    Doku: "Made in Germany" am Ende?
    2022 entscheidet Ford, ein deutsches Werk mit 4.600 Beschäftigten zu schließen. Weitere Autobauer könnten folgen. Hat Deutschland den Einstieg in die E-Mobilität verpasst?02.10.2024 | 2:37 min
    Zulieferer und Autobauer haben die Aufgabe, erfolgreiche, langfristig erfolgreiche Unternehmen aufzubauen und nicht Länder zu subventionieren. Dazu sind in unseren demokratischen Systemen Politiker aufgerufen und wenn sie das nicht schaffen, verlieren eben diese Staaten.
    ZDFheute: Welche politischen Rahmenbedingungen braucht es, um nicht zu verlieren?
    Dudenhöffer: Von der Politik in Berlin erwarte ich langfristige Planungssicherheit, dass man nicht so chaotisch unterwegs ist, und alle drei Tage ein neues Thema durch die Dörfer jagt. Auch hat China vieles richtig gemacht. Über 30 Jahre wurde das Kernthema Batterien und ähnliche Themen genommen und Stück für Stück nach vorne entwickelt und nicht wie hierzulande nach drei Jahren wieder die Lust dran verloren.

    Eckpfeiler der Wirtschaft
    :Autoindustrie: Weg aus der Krise gesucht

    Lange war sie das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft, jetzt steckt die Autoindustrie in einer schweren Krise. Doch wer trägt die Verantwortung dafür?
    von Stefanie Reulmann und Karl Hinterleitner
    Im letzten Jahr gab es so wenig Neuzulassungen wie nie zuvor. Grund: Corona und Lieferengpässe, aber auch die großen Transformationen hin zu mehr E-Mobilität.
    mit Video
    Das ist ein wirtschaftsperspektivisches Chaos, was wir hergestellt haben und was bildlich gesprochen auch zum Einsturz der Brücken in Deutschland geführt hat. Wir brauchen eine langfristig strategische Ausrichtung unserer Industrie- und Forschungspolitik.
    Das Interview führte Lothar Becker.
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