Folgen der US-Wahl:"Deutsche Wirtschaft muss Hausaufgaben machen"
von Frank Bethmann
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Vor der US-Wahl zeigen sich Unternehmensverbände im Gespräch mit ZDFheute besorgt - über einen möglichen Präsidenten Trump und über den Zustand der deutschen Wirtschaft.
Die deutsche Wirtschaft blickt mit Bangen auf den Wahlausgang in den USA. Fachleute meinen allerdings: Deutschland müsse sich dringend um die eigene Wettbewerbsfähigkeit kümmern, bevor es sich um die Auswirkung von Entscheidungen anderswo auf der Welt sorge. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Angespannt blickt die deutsche Wirtschaft auf die US-Wahlen am 5. November. Die Wirtschaftsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten sind historisch gewachsen. Zahlreiche deutsche Unternehmen haben große Produktionsstätten in den USA und zählen regional zu den wichtigsten Arbeitgebern. Ebenso haben sich amerikanische Unternehmen in Deutschland und Europa angesiedelt.
Inzwischen sind die Vereinigten Staaten sogar wieder wichtigster Handelspartner für Deutschland; auch weil China schwächelt. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sagt daher wenig überraschend:
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Ton unter Trump dürfte rauer werden
"Beide Wirtschaftsräume sind nahezu untrennbar miteinander verflochten und voneinander abhängig", ergänzt Dirk Jandura. Der Präsident des Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) lässt keinen Zweifel aufkommen, wer ihm künftig lieber wäre:
Trump gilt als unbequemer und vor allem unberechenbarer. "Der Ton wird sicher rauer werden unter Trump, das kennen wir ja schon von der ersten Amtszeit", erinnert Jandura.
Angst vor Zöllen
Auch Russwurm denkt an die erste Präsidentschaft des Republikaners nur ungern zurück: "Der während seiner Amtszeit eskalierte Handelskonflikt mit China hatte gravierende Auswirkungen auf den Welthandel."
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Auch Jandura schüttelt innerlich den Kopf: "Trumps Ankündigung, generelle Importzölle zum Schutz der amerikanischen Wirtschaft zu erheben, im Falle Chinas sogar in Höhe von 60 Prozent, hätte definitiv weitreichende und schwerwiegende Folgen. Ein amerikanisch-chinesischer Handelskrieg, dessen Grundzüge heute bereits erkennbar sind, würde die Weltwirtschaft insgesamt in Mitleidenschaft ziehen." Auch Deutschland würde das treffen.
Auch Startups warten gespannt auf Wahlsieger
Zustimmung auch von anderer Seite: "Auch Startups profitieren generell von einem weltweit freien und fairen Handel", sagt Verena Pausder. Sie ist Vorsitzende des deutschen Startup-Verbandes und selbst Unternehmerin.
Insofern, ergänzt Pausder, "kann es auch für deutsche Startups einen Unterschied machen, wer die US-Wahlen gewinnt."
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US-Wahlen Weckruf für die deutsche Wirtschaft
Jandura versucht dem Ganzen etwas die Schärfe zu nehmen. "Es bleibt abzuwarten, welche Wahlkampfankündigungen der Kandidaten nur 'Säbelrasseln' sind und was tatsächlich umgesetzt werden wird", so der BGA-Chef.
Das gilt auch für Kamala Harris. Die Tatsache, dass sie für die meisten die "bevorzugte Wahl" ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Demokratin den Kurs, den bereits Joe Biden eingeschlagen hat, fortsetzen würde: America First.
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"Sowohl bei der Wahl von Harris als auch Trump müssen wir davon ausgehen", sagt Russwurm, "dass die USA ihren Fokus auf die Stärkung der heimischen Industrie - gegebenenfalls auch zu Lasten von Verbündeten - fortsetzen werden."
Zusammenarbeit jenseits von Personalien wichtig
In ihrer Analyse sind sich die Chefs von BDI und BGA daher einig. "Am Ende", so Jandura, "muss Deutschland mit jeder amerikanischen Regierung zusammenarbeiten können - egal wer Präsident wird."
Das Fazit von Russwurm:
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Vieles liegt hierzulande im Argen, monieren die Verbandspräsidenten. Energiepreise und Steuern sind zu hoch. Bürokratie gibt es zu viel, Fachkräfte zu wenig. "Das Problem liegt nicht in der Erkenntnis, sondern in der Umsetzung", sagt Pausder.
Jandura spitzt es zu:
Deutschland, darüber herrscht Einigkeit, muss vor allem erst einmal seine eigenen Hausaufgaben machen.
Quelle: ZDF
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