Billigpampe in der Wurst:Hat Tönnies Separatorenfleisch verarbeitet?
von Hannes Vogel
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In deutschen Wurstwaren steckt womöglich ein Brei aus Schlachtabfällen, der zwar nicht verboten ist, dessen Verwendung aber auf der Packung angegeben sein muss.
Billige Wurst – ein Verkaufsschlager in deutschen Supermärkten. Aber was genau ist drin? Wirklich nur das, was auf der Verpackung steht?17.04.2024 | 44:34 min
Äußerlich deutet nichts darauf hin, dass eine Firma im münsterländischen Vreden, nur einen Steinwurf von der niederländischen Grenze entfernt, im Zentrum eines mutmaßlichen Lebensmittel-Betruges stehen könnte. Und doch könnte sie Zwischenhändler für eine umstrittene Zutat in der Wurst gewesen sein: Separatorenfleisch.
Diese Masse entsteht, wenn Fleischreste von Geflügel-Karkassen abgepresst und dann maschinell durch Lochscheiben gepresst werden. Franz Voll, ein ehemaliger Lebensmittelkontrolleur, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst, sagt:
Separatorenfleisch: Verdacht gegen Tönnies, Wiesenhof und Co
Diese Masse darf zwar in Wurst verarbeitet werden, aber es muss für den Verbraucher auf der Packung kenntlich gemacht werden. Schon seit Jahren besteht der Verdacht, dass Tönnies, Wiesenhof und andere große Produzenten ihre Wurst mit Separatorenfleisch undeklariert panschen, um so ihre Gewinnmarge zu erhöhen. Auf diesen mutmaßlichen Betrug deutete bereits 2022 ein neues Testverfahren der Hochschule Bremerhaven hin.
Separatorenfleisch ist Fleisch, das durch spezielle Verfahren vom Knochen getrennt, also separiert wird. Während des Schlachtens und Zerlegens von Tieren wie Schwein, Rind oder Geflügel bleiben oft kleine Fleischreste an den Knochen haften. Um diese Reste zu nutzen, kann der Schlachter entweder traditionell mit einem Messer das Fleisch von den Knochen trennen oder eine Maschine, einen Separator, verwenden. Insbesondere in größeren Betrieben kommt der Einsatz solcher Maschinen häufig zum Einsatz.
Bei Hochdruck-Separatorenfleisch sind vermehrt feinste Knochenteilchen in der Fleischmasse enthalten. Dieser Fleischbrei darf nur in hitzebehandelten Fleischerzeugnissen eingesetzt werden. Er wird vor allem in Brühwürsten wie Jagdwurst oder Fleischwurst verwendet. Dabei ist der finanzielle Aspekt von Bedeutung: Mit etwa 35 Cent bis 50 Cent je Kilo Fleischmasse ist "Restfleisch" auch sehr günstig.
Nicht alle Tierarten dürfen zur Produktion von Separatorenfleisch verwendet werden: Es ist erlaubt, Separatorenfleisch aus den Knochen von Geflügel und Schweinen herzustellen. Seit der BSE-Krise in den neunziger Jahren ist jedoch die Verwendung von Rind, Schaf und Ziege für Separatorenfleisch EU-weit verboten. Dies liegt daran, dass bei der maschinellen Herstellung feinste Teile des Nervengewebes oder Rückenmarks in die Fleischmasse gelangen können, die potenziell Proteine enthalten, die zur Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führen können.
Quelle: Verbraucherzentrale Niedersachsen
Quelle: Verbraucherzentrale Niedersachsen
Dieses misst den Gehalt eines bestimmten Eiweißes, das nur in Knorpel und Bandscheiben von Hühnern vorkommt. Beim Hochdruckpressen von Knochenresten in größeren Mengen landet dieses Material in der Separatorenmasse und später in der Wurst. Wie damals Spiegel TV und NRD berichteten, wurden neun Proben positiv getestet, fünf davon stammen von Tönnies-Werken.
Lieferscheine deuten auf Separatorenfleisch hin
Doch der Konzern bestritt den Einsatz von Separatorenfleisch, ebenso wie die ebenfalls betroffenen Firmen Wiesenhof und Wiltmann, und zweifelte das Verfahren an. Im Herbst 2023 prüfte die Stiftung Warentest erneut. Auch diesmal wurde u.a. die Gutfried-Wurst von Tönnies positiv getestet. Doch die zuständigen Lebensmittelbehörden ziehen daraus bis heute keine Konsequenzen.
In der ZDF-Doku "Wurst unter Verdacht" weisen nun erstmals konkrete Belege darauf hin, wie das Separatorenfleisch in die Wurst der "Zur Mühlen Gruppe" von Tönnies gelangt sein könnte. Dem ZDF-Team werden hunderte Lieferscheine der Wijdenes GmbH zugespielt - der Firma also, die von 2016 bis 2019 mehr als 1.700 Tonnen Ausgangsmasse für die Wurst der "Zur Mühlen Gruppe von Tönnies lieferte.
Dabei soll es sich laut dem Konzern um "entsehntes Hähnchenfleisch" gehandelt haben, ein Produkt, dass nicht deklariert werden müsse. In den Lieferscheinen von Wijdenes ist jedoch von "3mm-Fleisch" die Rede. Eine Masse, die jedoch nach Meinung des Experten Voll durch die maschinelle Bearbeitung beim Entsehnen genauso zerstört und in der Muskelstruktur verändert wird wie Separatorenfleisch.
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Tönnies bestreitet Verwendung von Separatorenfleisch
Im Interview mit dem ZDF verweist Tönnies-Vertreter Gereon Schulte Althoff auf eine "behördliche Stellungnahme", die man von Wijdenes erhalten habe. Diese "offizielle Bestätigung des Veterinäramtes", dass es sich bei den fragwürdigen Lieferungen der Firma nicht um Separatorenfleisch gehandelt habe, könnte jedoch gefälscht sein. Auf die Anfrage des ZDF bezüglich der Echtheit des Dokumentes teilt der zuständige Kreis Borken mit, man habe "Zweifel an der Authentizität" des Dokuments und daher "Strafanzeige erstattet".
Inzwischen läuft bei der Staatsanwaltschaft Münster ein Prüfverfahren "wegen des Verdachts des Betruges und der Urkundenfälschung". Allerdings nicht gegen Wijdenes, sondern momentan noch gegen unbekannt. Der Tönnies-Konzern teilt auf Anfrage mit, man habe das Schreiben "erst nach Beendigung der Geschäftsbeziehung von Wijdenes unaufgefordert erhalten". Es sei daher "weder bewertet noch geprüft" worden. Für die etwaige Verwendung von Separatorenfleisch in seiner Wurst weist Tönnies jegliche Verantwortung von sich.
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