Northvolt-Baustelle mit Fragezeichen: Schaffen wir das?

    Northvolt-Baustelle Dithmarschen:Wachsende Fragezeichen: Schaffen wir das?

    von Winnie Heescher
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    Es geht voran auf der Northvolt-Baustelle. Heute wurde eine temporäre Autobahnabfahrt eröffnet. Aber in der Region wachsen Zweifel, ob man mit der Geschwindigkeit mithalten kann.

    Ein Autokrahn hebt Teile einer temporären Modulanlage für ein Bürogebäude auf dem Ersten Baufeld der Baustelle der Northvolt Drei Gigafactory
    Ende März wurde der Baubeginn einer Batteriefabrik des Herstellers Northvolt in Schleswig-Holstein gefeiert. Bundeskanzler Scholz versprach Tempo – doch genau das fehlt bislang.12.06.2024 | 1:31 min
    Wenn man über die Hecke von Hans Gustav Preusler schaut, konnte man früher Schafe auf den Wiesen sehen. Heute sieht man Bagger, Kräne, 200 Lkws, die am Tag auf der Bundesstraße 203 abbremsen, um auf die Baustelle gegenüber von Preuslers Haus anzufahren: Die Batteriefabrik Northvolt wird hier gebaut.
    "Mich stört das nicht", sagt der 86-Jährige, "da leb' ich mit." Sein Sohn Frank Preusler, der nebenan wohnt, sieht das anders.

    Für die Region ist es gut, dass hier etwas passiert, aber wir wissen noch nicht, wie es weitergeht.

    Frank Preusler, Anwohner

    Er überlegt, in seinem alten Haus die Heizung auszutauschen, wagt es aber nicht. Den Nachbarn geht es ebenso. Auch das Ehepaar Jochims sagt: "Wir wissen nicht, ob das Land umgewidmet wird, wir hier nicht doch eines Tages verkaufen müssen. Es ist schwer, an Informationen zu kommen."
    Employees work at the Northvolt facility in Vasteras, Sweden
    In Nord-Schweden ist eine der modernsten Batterie-Fabriken der Firma Northvolt eröffnet worden. Der Hersteller setzt aufgrund der teuren Rohstoffe auf recycelte Materialien.19.03.2024 | 1:10 min

    Kanzler Scholz überschlug sich vor Lob

    Die Preuslers und Jochims leben in der Gemeinde Lohe-Rickelshof. 2.000 Einwohner, freiwillige Feuerwehr, ein Restaurant mit "Scholle Finkenwerder" und "Jäger-Schnitzel" auf der Speisekarte. Und nun Northvolt.
    Ende 2026 soll hier in dieser kleinen schleswig-holsteinischen Gemeinde ein 25 Meter hoher Klotz stehen, erbaut auf 110 Hektar plattem Land. Batterien für Elektroautos sollen ab 2026 produziert werden. 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen, mehrere Tausende bei Zulieferfirmen.
    Im März war Olaf Scholz zum Spatenstich da. Der Bundeskanzler überschlug sich vor Lob für die schnelle Entscheidung für das Projekt, sprach von "Dithmarschen Geschwindigkeit" und dass Deutschland viele dieser Dithmarschens brauche. Keine drei Monate später ist dieser Anfangszauber verflogen.
    Veronika Wand-Danielsson (l-r), Schwedische Botschafterin in Deutschland, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister fu·r Wirtschaft und Klimaschutz, Peter Carlsson, CEO von Northvolt, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), stehen vor einem 3-D-Modell des Fabrikareals. Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck nehmen am offizieller Baubeginn der Northvolt-Fabrik teil, in der ab 2026 Batteriezellen für Elektroautos produziert werden sollen.
    Flaches Land mit grüner Zukunft: In Schleswig-Holstein beginnt der schwedische Hersteller mit dem Bau einer Fabrik für E-Auto-Batterien. Ab 2026 entstehen 3000 neue Arbeitsplätze.25.03.2024 | 1:51 min

    Wirtschaftsverbände: Wer trägt Verantwortung für Infrastruktur?

    Kleine Fragezeichen wachsen auch bei den Wirtschaftsverbänden der Region und Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden. Sie beklagen, dass dem Projekt ein Gesamtkonzept fehle, auch jemand, der das ganze Projekt überdenkt und zusammenhält. Die Arbeiten auf der Baustelle gehen voran, aber was ist mit der Infrastruktur ringsherum?
    Wohnraum schaffen für Tausende von Menschen, die in Dithmarschen erwartet werden. Kita- und Schulplätze, ärztliche Versorgung, Bahnanschluss, neue Eisenbahnbrücke - es kommt eine Menge Arbeit auf die Region zu, die sich bislang vor allem mit Tourismus und Landwirtschaft über Wasser gehalten hat.
    Ken Blöcker, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Unterelbe-Westküste, sagt:

    Wir wissen auch nicht, wer hat denn die politische Führung, ist es die Bundesregierung, ist es die Landesregierung, ist es der Landrat, wer übernimmt hier Verantwortung?

    Ken Blöcker, Unternehmerverband Unterelbe-Westküste

    Elektroauto an einer öffentlichen Ladestation in Hamburg
    Die Elektromobilität in Deutschland kämpft derzeit mit erheblichem Imageverlust. Schuld sind nach Expertenmeinung die Sparzwänge der Bundesregierung infolge des Haushaltsurteils.02.04.2024 | 9:24 min

    Millionen-Projekt mit vielen Ebenen

    Das Land Schleswig-Holstein hatte der Region im vergangenen Jahr ein Projektbüro versprochen, das diese Funktion der Steuerung übernimmt. Das gibt es aber immer noch nicht. Es wächst die Sorge, dass die Stimmung kippen könnte.
    Claus Ruhe Madsen, Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, verspricht auch heute bei der Eröffnung der Autobahnausfahrt: Das Projektbüro komme, die Region habe sich erst abstimmen müssen, wie das aussehen solle. Die Region verweist auf das Land. Ein Multi-Millionen-Projekt auf vielen Ebenen, da ist ebenso viel Platz für Verantwortungsdiffusion. Vom Bürgermeister über den Ministerpräsidenten bis zum Bundeskanzler.
    25.03.2024: ZDF-Reporter Claas Thomsen berichtet von dem Baustart der Northvolt-Fabrik bei Heide.
    In Schleswig-Holstein startet der Batteriefabrik-Bau von Northvolt. "Mit sehr hohen Subventionen" habe man sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt, berichtet ZDF-Reporter Thomsen. 25.03.2024 | 1:22 min

    Kein öffentlicher Kommentar von Northvolt

    Northvolt äußert sich öffentlich nicht zu diesen Fragen. Es kann den Schweden nicht gefallen, wenn sich Unruhe in der Region breit macht. Der Konzern tut viel dafür, sich zu integrieren: Nimmt an Dorffesten teil, lädt monatlich zu Bürgerversammlungen ein, der Northvolt-Chef ist Mitglied im Boßel-Verein.
    Der Konzern will nicht fremdeln. Das ist bisher, so sagt es fast jeder, den man in der Region spricht, gut gelungen. Keine Bürgerinitiativen gegen die Industrieansiedlung, keine Plakate, kaum öffentliche Kritik. Damit das so bleibt, haben alle nun viel zu tun.

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