Warum Aktivisten gegen Zement mobil machen

    Kritik an Industrie:Warum Aktivisten gegen Zement mobil machen

    ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann
    von Frank Bethmann
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    Er steckt in Gebäuden, Straßen und Brücken: Zement. Seine Herstellung belastet das Klima besonders stark. Über grüne Lösungen streiten sich Hersteller und Gegner.

    Baden-Württemberg, Heidelberg: Eine Firmenlogo des Baustoffkonzerns "Heidelberg Materials", ehemals "HeidelbergCement", ist an einem vor der Firmenzentrale geparkten Betonmischer angebracht.
    Ein Betonmischer des Baustoffkonzerns Heidelberg Materials (bis 2022 Heidelberg Cement): Klimaaktivisten werfen dem Unternehmen Greenwashing vor.
    Quelle: dpa

    Sie zählt zu den größten Feindbildern der Klimaaktivisten: die Zementindustrie. Tatsächlich bläst kaum eine Branche so viel CO2 in die Luft, wie diese verhältnismäßig kleine Branche. Zement, der bei hoher Hitze und unter riesigen Energieeinsatz aus Kalkstein und Ton gewonnen wird, ist verantwortlich für sieben bis acht Prozent des globalen Ausstoßes des klimaschädlichen Treibhausgases.
    Besonders groß ist der Widerstand in Heidelberg. Hier sitzt der weltweit viertgrößte Zementhersteller Heidelberg Materials. Der hieß bis 2022 Heidelberg Cement, änderte dann aber seinen Namen - um Kritikern weniger Angriffsfläche zu bieten.
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    Betreibt Zementindustrie nur Greenwashing?

    Die Gruppe End Cement, die vor der Haustür am Neckar gegen den Konzern mit seinen rund 51.000 Mitarbeitern mobil macht, stimmt diese Umbenennung aber keinesfalls milder. Im Gegenteil. Das Umweltbündnis, zu dem auch die Initiativen "Fridays for Future" oder "Extinction Rebellion" gehören, startet an diesem Freitag eine neue Kampagne gegen Heidelberg Materials.
    Der Hauptvorwurf: Greenwashing. In Wirklichkeit wolle das Unternehmen nur "Kohle durch Autoreifen ersetzen und Milliarden Tonnen CO2 jedes Jahr unter das Meer pumpen", wie End Cement auf seiner Internetseite schreibt.
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    Heidelberg Materials reklamiert für sich eine grüne Vorreiterrolle

    Heidelberg Materials reklamiert bei "grünen Lösungen" eine Vorreiterrolle für sich. Neun größere Projekte habe man angestoßen. Im Mittelpunkt der Anstrengungen steht dabei eine im Bau befindliche, umweltfreundliche Zementanlage im südlichen Norwegen.
    Mit Hilfe der Abscheidungsmethode, bei der das CO2 bei der Herstellung im Schornstein abgefangen wird, sollen hier jährlich 400.000 Tonnen davon - und damit die Hälfte der Produktion - aufgefangen und anschließend zum Meeresgrund in eine Lagerstätte transportiert werden.

    Es ist besser, CO2 im Boden zu haben, als in der Atmosphäre.

    Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

    Doch End Cement und andere Umweltorganisationen halten die Methode für längst noch nicht ausreichend erprobt.

    Zement: Die Zeit drängt

    Das Problem: Der Druck, Lösungen zu finden, ist enorm und das gleich aus mehreren Gründen. Die Welt braucht Zement. Vier Milliarden Tonnen. Jedes Jahr, Tendenz weiter steigend. Als wichtiger Klebstoff für den Beton ist er beim Bau bislang noch nicht ersetzbar. Gleichzeitig will die EU bis 2050, Deutschland sogar bis 2045 klimaneutral werden und macht da für die Zementhersteller keine Ausnahme.
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    Verschmutzungsrechte bald nicht mehr kostenlos

    Auch Investoren und Geldgeber sitzen der Branche im Nacken. Investitionen in schmutzige Branchen gelten inzwischen als riskant. Die grüne Transformation der Zementindustrie gilt als komplex und sehr kostspielig.
    "Was, wenn Heidelberg Materials sie nicht schafft? Dann kommen auf das Unternehmen sehr hohe Kosten für CO2-Zertifikate zu", gibt Werner Hedrich, Deutschlandchef von Globalance, zu bedenken. Globalance ist ein Vermögensverwalter, der sich auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert hat.
    Noch erhält die Zementbranche in Europa für einen großen Teil ihrer Emissionen kostenlos Verschmutzungsrechte. Das aber ändert sich bald. "Schmutzig produzieren" wird dann richtig teuer. Es ist also ein Wettlauf mit der Zeit.
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    Klimaaktivisten: Weniger Beton, weniger bauen

    Die Klimaaktivisten von End Cement fordern, den Einsatz von Beton massiv zurückzufahren. Besseres Recycling des Bauschutts und mehr mit klimaneutralen Materialien wie Holz zu bauen, sind zwei Lösungsansätze. Vor allem geht es für End Cement aber darum, generell weniger zu bauen.
    In Deutschland, sagen die Umweltaktivisten, sei eigentlich genügend Wohnraum vorhanden. "Wir müssen ihn nur besser nutzen."
    Frank Bethmann ist Redakteur in der ZDF-Börsenredaktion in Frankfurt.

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