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BGH prüft:Darf Katjes mit Klimaneutralität werben?
von Mischa Ehrhardt
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Der Bundesgerichtshof hat verhandelt, ob und wie der Süßwarenhersteller Katjes mit Klimaneutralität werben darf. Eine Tendenz gibt es, ein Urteil steht aber noch aus.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, ob und wann ein Unternehmen mit Klimaneutralität werben darf. Die Frankfurter Wettbewerbszentrale hatte gegen den Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes geklagt.
Quelle: Imago
"Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral" - dieser Satz einer Werbeanzeige in einer Lebensmittel-Fachzeitschrift ist Stein des Anstoßes und Streitpunkt bei dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Es geht um Grün-Ohr-Hasen mit Kirsch oder Himbeergeschmack des Süßwarenherstellers Katjes. Für den Geschmack der klagenden Wettbewerbszentrale führt die Werbung der Klimaneutralität bei den Schaumzuckerhäschen aber in die Irre.
Wie "klimaneutral" in der Werbung erklärt wird
"Aus unserer Sicht wird der durchschnittliche Verbraucher den Eindruck gewinnen, dass es dem Unternehmen gelungen ist, das Produkt ohne klimaschädliche Emissionen herzustellen", sagt die Anwältin Ulrike Gillner von der Wettbewerbszentrale. Diese hat ihren Sitz in Bad Homburg nahe Frankfurt und ist eine Selbstkontrollinstanz der Wirtschaft für fairen Wettbewerb.
Denn es mache einen Unterschied, ob Klimaneutralität durch den Ankauf von Umweltzertifikaten erreicht werde oder durch konkrete Einsparungen von Emissionen in der Produktion.
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Konkret geht es also um die Frage, wie deutlich in einer Werbung ersichtlich sein muss, was hinter dem Begriff der Klimaneutralität eigentlich steckt. Eine ähnliche kritische Frage hatte bereits die Deutsche Umwelthilfe der Drogeriemarktkette dm gestellt. Da hat im vergangenen Jahr das Landgericht Karlsruhe entschieden, dass dm die fraglichen Produkte nicht mehr als "klimaneutral" oder "umweltneutral" bezeichnen dürfe. Das Unternehmen hatte schon während des Verfahrens reagiert, die fraglichen Produkte abverkauft und erklärt, die Produkte nicht mehr auf diese Weise bewerben zu wollen.
Strengere Maßstäbe für umweltbezogene Werbung
Anders verlief der Prozess gegen Katjes in der ersten Instanz am Oberlandesgericht in Düsseldorf. Die Richter wiesen die Unterlassungsklage mit dem Argument zurück, dass Verbraucher den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz verstünden. Sie wüssten also, dass die Neutralität auch durch Kompensationsmaßnahmen wie den Kauf von Umweltzertifikaten erreicht werden kann. Entscheidend für das Urteil war auch die Tatsache, dass Katjes in seiner Werbung einen QR-Code mitveröffentlicht hatte, wo man nachlesen konnte, welche Maßnahmen Katjes konkret ergriffen hat, um sich als klimaneutral zu verstehen.
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Zum Prozessauftakt am Bundesgerichtshof in Karlsruhe an diesem Donnerstag verwies der zuständige Erste Zivilsenat auf einige mögliche Probleme. So habe das Oberlandesgericht eventuell nicht ausreichend berücksichtigt, dass an umweltbezogene Werbung besondere rechtliche Maßstäbe angelegt würden, erklärte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.
Das sieht auch Ulrike Gillner von der Wettbewerbszentrale so. Mehr Transparenz über die Art und Weise und das Verständnis von Klimaneutralität sei notwendig - und zwar im Sinne eines fairen Wettbewerbs. Denn es entstünden höhere Kosten für wirkliche Emissionseinsparungen als beim Ankauf von Umweltzertifikaten.
Vielen Produkten fehlt Nachweis für klimabezogene Werbung
In der Tat ist der Unterschied zwischen der Reduktion klimaschädlicher Emissionen in der Produktion und dem Ausgleich solcher Emissionen durch den Kauf von Umweltzertifikaten entscheidend. Denn Emissionen, die gar nicht erst entstehen, entlasten das Klima direkt. Kompensationsprojekte dagegen - wie die Aufforstung von Wäldern - mildern nur die Folgen von Emissionen durch Ausgleich andernorts, was in seiner Wirkung nur schwer zu beziffern ist.
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Ein Marktcheck der Verbraucherzentralen hat kürzlich ergeben, dass bei vielen als umwelt- oder klimafreundlich beworbenen Produkten in den Supermarktregalen unklar sei, was eigentlich damit gemeint ist. Bei rund einem Drittel der untersuchten Produkte fehlten nähere Erläuterungen und Belege für den Grund der klimabezogenen Werbung.
Urteil kommt zu späterem Zeitpunkt
Dem will die EU einen Riegel vorschieben. So hat das Europaparlament im Januar eine Richtlinie beschlossen, die sogenanntes "Greenwashing" verhindern soll. Sie wird verbieten, Produkte ohne Nachweis als klimaneutral zu bewerben, und soll bis 2026 in den Nationalstaaten gesetzlich verankert sein.
Bei Katjes selbst war zunächst auf Anfrage niemand zu erreichen, der sich zu dem Verfahren äußern konnte oder wollte. Vor Gericht argumentierte die Rechtsanwältin des Unternehmens, die Werbung habe sich nur an gewerbliche Kunden gerichtet, bei denen von ausreichend Fachwissen auszugehen sei. Das Urteil des Bundesgerichtshofs in dem Fall soll zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden.
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