Covestro: Schluckt ein arabischer Ölmulti den Chemiekonzern?
12 Milliarden Euro geboten:Schluckt ein arabischer Ölmulti Covestro?
von Klaus Weber
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In der Chemieindustrie wird viel geklagt. Dennoch will ein Konzern aus Abu Dhabi den Kunststoffhersteller aus Leverkusen kaufen. Was bedeutet das für Deutschland? Wer ist Covestro?
Nach monatelangem Werben kündigte Covestro am Montag an, mit Adnoc in konkrete Übernahmeverhandlungen einzutreten.
Quelle: AFP
Wahrscheinlich löst man bei den meisten Deutschen einen fragenden Blick aus, wenn man den Namen Covestro erwähnt. Dabei ist der Konzern in Deutschlands erster Börsenliga, dem Dax, vertreten. Ist also ein Schwergewicht der Deutschen Industrie.
Ein Big-Player, der vor einigen Jahren vom Bayer-Konzern abgespalten wurde und unter anderem Vorprodukte für Lacke und Klebstoffe herstellt. Weltweit erarbeiteten 17.500 Mitarbeitern in 48 Produktionsstandorten zuletzt einen Jahresumsatz von 14,4 Milliarden Euro. Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit, aber nicht unbemerkt von der internationalen Konkurrenz.
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Übernahmeangebote vom Ölkonzern Adnoc
Seit etwa einem Jahr beschäftigt sich nämlich der staatliche Ölkonzern Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten schon mit der Übernahme des Kunststoffherstellers aus Leverkusen. Prüfte Bücher und machte erste Übernahmeangebote. Ohne Ergebnis.
Nun scheint Adnoc aber richtig ernst machen zu wollen und hat offiziellen Angaben zufolge einen Angebotspreis von 62 Euro je Covestro-Aktie in Aussicht gestellt. Damit bewertet Adnoc Covestro mit knapp zwölf Milliarden Euro.
Offenbar interessant genug für den Vorstand, der nun in konkrete Verhandlungen treten möchte. Für Arne Rautenberg, Fondsmanager von Union Investment, ist damit das Ende der Fahnenstange allerdings noch nicht erreicht:
Wissenstransfer nach Abu Dhabi
Der Poker könnte sich also noch hinziehen. Und es könnte für Adnoc noch teurer werden. Aber das dürfte für den Konzern aus den Emiraten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Denn eine Übernahme von Covestro würde dem Ölkonzern, der auch Raffinerieprodukte und petrochemische Erzeugnisse herstellt, Zugang zu fortschrittlicheren Materialien verschaffen, die in Elektrofahrzeugen, Gebäudedämmungen, Beschichtungen, Klebstoffen und technischen Kunststoffen zum Einsatz kommen.
Unter Vorstandschef Sultan Al Jaber will Adnoc in neue Energien, kohlenstoffarme Brennstoffe wie Ammoniak und Wasserstoff sowie Flüssigerdgas und Chemikalien vorstoßen.
Hinter der möglichen Transaktion offenbart sich allerdings ein viel tiefer gehendes Szenario. Anna Wolf vom Ifo-Institut beschreibt dies so:
Die Voraussetzungen in Abu Dhabi sind bessere. "Abu Dhabi sitzt an der Quelle für Energie und Grundstoffe", erklärt Wolf weiter. Heißt: Die Produktion dort wäre viel günstiger. Im Wesentlichen ginge es dem Ölkonzern aus den Emiraten damit darum, Know-how aus Deutschland in Richtung arabische Halbinsel zu transferieren.
Eine Entwicklung, die man vor allem an den deutschen Standorten genau beobachten muss. Denn gleichzeitig mit dem Übernahmeangebot startet Covestro angesichts des schwierigen Marktumfelds ein neues Sparprogramm. Bis 2028 sollen so weltweit jährliche Einsparungen von 400 Millionen Euro bei den Sach- und Personalkosten erzielt werden.
Covestro verlängerte die Beschäftigungssicherung am Standort Deutschland zwar um vier Jahre: Bis Ende 2032 sind die knapp 7.000 Beschäftigten hierzulande nun vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Aber gleichzeitig soll Personalabbau in Form von freiwilligen Aufhebungsverträgen oder Arbeitszeitreduzierungen umgesetzt werden.
Die Zeiten für die Covestro-Mitarbeiter scheinen also unruhig zu werden. Doch nicht nur das: der Übernahmepoker um Covestro könnte ein Fingerzeig für die Zukunft der gesamten deutschen Chemieindustrie sein.
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