Verlust bei Sportwetten: BGH entscheidet

    Klage gegen Tipico:Verlust bei Sportwetten: BGH entscheidet

    Christoph Schneider
    von Christoph Schneider
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    Sind Verluste bei Sportwetten in der Zeit von 2012 bis 2020 von den Anbietern zurückzuerstatten? Der Bundesgerichtshof urteilt heute abschließend - oder legt den Fall dem EuGH vor.

    Das Logo von Tipico, einem Anbieter von Sportwetten, ist über dem Eingang zu einer Filiale des Wettbüros angebracht.
    Der Kläger hatte beim Wettanbieter Tipico gespielt. (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Eigentlich geht es "nur" um rund 3.700 Euro - die fordert ein Tipper von Online-Sportwetten zurück. Gespielt hat er zwischen 2013 und 2018, hat immer wieder gesetzt, immer wieder verloren. Gespielt hat er beim Wettanbieter Tipico, den er verklagt hat.
    Der Wettmarkt war damals aber nicht klar geregelt; bei Sportwetten galt ein sogenannter Experimentierzeitraum. Grund war, dass das Bundesverfassungsgericht das staatliche Sportwettenmonopol 2006 kippte, weil es mit dem Grundsatz der Berufsfreiheit unvereinbar war.
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    Experimentierklausel für Online-Sportwetten

    So wurde sechs Jahre später ein neuer Glücksspielstaatsvertrag geschaffen. Nach diesem waren hierzulande Glücksspiele im Internet grundsätzlich verboten, nur für Online-Sportwetten galt eine Experimentierklausel: Die durften von den Bundesländern erlaubt werden, sofern die Anbieter eine Konzession hatten. Diese Regelung zog Klagen bis zum Europäischen Gerichtshof, EuGH, nach sich.
    Der urteilte, dass ausländische Wettanbieter nicht benachteiligt werden dürfen, solange es in Deutschland kein legales Verfahren für die Erteilung von Lizenzen gibt. Das gab es bis 2021 nicht und so hatte einst das zuständige Regierungspräsidium Darmstadt Sportwettenanbieter so ungefähr geprüft und schließlich geduldet, nicht aber ausdrücklich genehmigt.

    Kläger: Vertrag mit Tipico unwirksam

    Tipico mit Sitz in Malta hatte formal die Konzession in Deutschland beantragt, sie aber nicht bekommen. Ein aufwendiger Rechtsstreit lief viele Jahre, die Konzession für Tipico in Deutschland gab es erst 2020, kurz vor dem neuen Glücksspielstaatsvertrag von 2021. Tipico verfügte lediglich über eine maltesische Genehmigung.
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    Für den Kläger ist der Vertrag mit Tipico unwirksam, da er gegen den Glücksspielstaatsvertrag von 2012 verstoße. Außerdem gehe es um den Schutz von Spielern und ihrem Vermögen.
    Tipico argumentiert dagegen, dass sein Angebot stets legal war. Es sei Schuld der deutschen Behörden, dass sie jahrelang keine Konzession erhalten hätten. Das ungeregelte deutsche Konzessionsverfahren sei nicht diskriminierungsfrei gewesen, verstoße gegen EU-Recht.

    Tausende Fälle warten auf Gerichtsentscheidung

    In einer ersten Rechtseinschätzung machte der Vorsitzende Richter des Wettbewerbssenats des BGH, Thomas Koch, deutlich, dass alte Verträge möglicherweise nichtig sein könnten, wenn der Anbieter keine Konzession in Deutschland hatte. Dann hätte Tipico eine Leistung, nämlich die Geldzahlung des Tippers, "ohne rechtlichen Grund" erlangt und müsste sie zurückgeben, so steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch.
    Heute die Entscheidung des BGH. Denn Fälle wie die des Klägers, auch gegen andere Sportwettenanbieter, liegen zu Tausenden bei spezialisierten Anwaltskanzleien, die endlich auf ein höchstrichterliches Wort des obersten Zivilgerichts warten. "Jetzt ist der große Tag da, ein Glücksspielverfahren", sagte der Vorsitzende Richter Koch bei der mündlichen Verhandlung.
    Eine Hand an einem einarmigen Banditen.
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    BGH kann Fall dem EuGH vorlegen

    Die Entscheidung könnte aber auch ein Vorlagebeschluss sein, heißt, dass der BGH vor einer abschließenden Entscheidung den Fall erst dem EuGH vorlegt und um Auslegung des EU-Rechts bittet.
    Denn der EuGH hatte in der genannten Entscheidung auch gesagt, dass die fehlende Konzession nicht beanstandet werden darf, weil die Bundesländer den Veranstaltern über Jahre die Sportwetterlaubnis europarechtswidrig verwehrt hatten. Hieran könnten sich in diesem Verfahren neue Fragen anknüpfen. Doch erst einmal gehen alle Blicke nach Karlsruhe.
    Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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