Bayer-Aktie: Chemieriese hofft auf Ende der Talfahrt
Hauptversammlung:Bayer hofft auf Ende der Talfahrt
von Ralph Goldmann
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Seit fast zehn Jahren verlieren die Anteile des Leverkusener Chemie- und Pharmariesen an Wert. Investoren bleiben zögerlich. Der neue Vorstand Bill Anderson bittet um Geduld.
Hohe Verluste, Schulden und fehlende Patente sorgen für Diskussionsstoff auf der Bayer-Hauptversammlung. Die Aktie des Pharma-Konzerns hinkt der Konkurrenz seit Jahren hinterher.26.04.2024 | 1:13 min
Man muss schon lange zurückschauen, um herauszufinden, wann die Aktie des einstigen Chemieriesen Bayer AG zuletzt so billig war wie jetzt. Es war Anfang der 2000er-Jahre. Als nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 die Aktienmärkte zusammenbrachen, da traf es auch die Bayer-Aktie, die in den Folgejahren auf 10 Euro abstürzte. Bis 2015 legte das Papier dann deutlich zu und kletterte auf mehr als 140 Euro.
Dann kam die 60 Milliarden Euro teure Übernahme des Agrarchemieproduzenten Monsanto mit dem Unkrautvernichter Roundup und dem Wirkstoff Glyphosat. Viele Klagen und Schadenersatzforderungen in den USA belasten seitdem den Konzern. Der Aktienkurs stürzte in einer Dekade auf unter 30 Euro, während der deutsche Aktienindex Dax im gleichen Zeitraum um etwa 50 Prozent zulegte.
Pläne zum Konzernumbau senken Aktienkurs
Geht der Ausverkauf der Aktie weiter - wird sie zum Ramsch-Papier? Welche Gründe sprechen überhaupt noch für einen Kauf der Bayer-Anteile? Die jüngste Einschätzung kommt von den Analysten der Deutschen Bank. Sie setzen das Kursziel auf 29 Euro. Die US-Bank JPMorgan ist optimistischer. Ihr Kursziel: 34 Euro. Das wäre ein sattes Plus von mehr als 25 Prozent.
Die US-Investmentgesellschaft Blackrock hält als größte Einzelaktionärin derzeit zwar weiter an ihrem Anteil (derzeit zwischen fünf bis zehn Prozent) fest, andere aber wandten sich ab. Nachdem der neue Vorstand Bill Anderson im März namhaften Investoren seine Ideen zum Konzernumbau verkündet hatte, fiel der Aktienkurs noch am gleichen Tag um sieben Prozent.
2023 Verlust von drei Millliarden Euro
Die Hiobsbotschaften, nicht nur aus den USA, reißen nicht ab: 2023 stand ein Verlust von drei Milliarden Euro, die Dividende wird radikal von 2,40 Euro auf nur noch 11 Cent gekürzt und die Performance von Konkurrenten wie Boehringer Ingelheim oder Stada sieht deutlich besser aus.
Dennoch sagt Bill Anderson: "Das Unternehmen ist im Kern gesund." So sei die Sparte Agrarchemie 2023 stärker gewachsen als der Markt, die neuen Medikamente Kerendia und Nubeqa erwiesen sich als wahre Blockbuster, und das Dermatologie- und Hautpflegegeschäft verzeichne seit zwei Jahren zweistellige Wachstumsraten.
Fehlende Patente, teure Prozesse, hohe Schulden
Man habe also "drei großartige Geschäftsbereiche", aber vier große Baustellen: zu wenig neue Pharma-Patente, die Prozesse in den USA, 36 Milliarden Euro Schulden sowie interne Hierarchien und die damit ausufernde Bürokratie. Das alles will Anderson jetzt anpacken.
Wann diese Baustellen abgeräumt sind und Anleger wieder Vertrauen haben, ist aber völlig offen: "Es wird keine schnelle Lösung innerhalb eines Jahres sein, und es wird schwierige Momente geben. Aber ich bin überzeugt, dass es einen Weg gibt, die Wende bei Bayer zu schaffen - und genau diesen Weg gehen wir."
Ingo Speich von der Deka Investment GmbH, die ein Prozent der Bayer-Aktien hält, übt anlässlich der Hauptversammlung deutliche Kritik und greift Anderson direkt an:
Aktie ein "Investment mit Risiken"
Ob die Bayer-Aktie wieder auf die Beine kommt, hänge davon ab, wann die Diskussionen zu Ende seien. Und: "Vor allen Dingen muss die Verschuldung zurückgeführt werden, damit wieder Bayer Luft zum Atmen hat und auch möglicherweise durch Akquisitionen die Pharma-Pipeline stärken kann", erläutert Speich.
So bleibt die Bayer-Aktie trotz des niedrigen Kurses weiter ein Investment mit Risiken. Immerhin, so würden Spötter einwenden, empfiehlt derzeit kein Analyst, die Bayer-Aktie zu verkaufen. Die große Frage ist, ob Bill Anderson den Konzern für Anleger wieder attraktiv machen und so die Talfahrt stoppen kann.
Ralph Goldmann ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.