BASF-Partner: Dienstreisen für die Überwachung von Uiguren

    Exklusiv

    Überwachung auf Dienstreisen:Uiguren von BASF-Partner ausspioniert

    Thomas Reichart
    von Thomas Reichart
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    Mitarbeiter eines BASF-Partners sollen Uiguren ausspioniert haben. Das zeigen Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel". Der Chemie-Konzern erklärt, er habe davon nichts gewusst.

    Das Werk, das BASF zusammen mit seinem chinesischen Joint Venture Partner in Korla, Xinjiang, betreibt.
    Mitarbeiter der chinesischen Firma Markor sollen eine Dienstreise genutzt haben, um Uiguren auszuspionieren. Das Unternehmen ist ein Joint-Venture-Partner der BASF.02.02.2024 | 2:49 min
    Kurz vor dem Chinesischen Neujahrsfest im Februar 2018 machen Mitarbeiter der Firma Xinjiang Markor Chemical aus Korla eine Art Dienstreise. Ihr Ziel ist das Dorf Aqiang am südlichen Rand der Taklamakan-Wüste, dort wo die schroffen Berge des Kunlun-Gebirges aufragen.
    Auf der Webseite des Unternehmens, mit dem der deutsche Chemiekonzern BASF zwei Joint Venture in der Region Xinijang betreibt, findet sich ein Bericht der Reise. Dort heißt es: "Am Abend des 15. Februar gab es für das erste "Fanghuiju"-Arbeitsteam von Markor ein einfaches Abendessen."
    Bild einer Überwachungskamera: Daten von Verkehrsteilnehmern auf einer Straßenkreuzung in China
    Wie Chinas Hightech-Überwachung funktioniert13.04.2023 | 13:31 min

    Ein heimliches Unterdrückungsprogramm

    "Fanghuiju" ist eine Abkürzung und bedeutet übersetzt so viel wie "die Menschen besuchen, das Leben verbessern, die Gefühle des Volkes vereinen".
    Was lieblich klingt, ist in Wahrheit ein Unterdrückungsprogramm, bei dem Beamte und Offizielle sich bei uigurischen Familien einquartieren, um sie auszuspionieren und Daten zu sammeln für mögliche Internierungen.
    Tatsächlich erreichen die Massenverhaftungen zu diesem Zeitpunkt, im Frühjahr 2018, ihren Höhepunkt. Haben Mitarbeiter eines BASF Joint Venture Partners mit ihren Besuchen dazu beigetragen?

    Berichte von Markor-Mitarbeitern

    Der Xinjiang-Experte Adrian Zenz, der für ZDF frontal und "Spiegel" die Berichte entdeckt und ausgewertet hat, ist davon überzeugt.
    "Anhand der von Markor selbst veröffentlichten Berichte ist es offensichtlich", so Zenz, "dass Markor-Mitarbeiter nicht nur an der staatlichen Sicherheit und Überwachung, sondern auch an Aktivitäten direkt teilgenommen haben, die der Masseninternierung der Minderheiten dienten."
    Markor-Mitarbeiter sammeln und überprüfen Informationen über Dorfbewohner.
    Markor-Mitarbeiter sammeln und überprüfen Informationen über Dorfbewohner.
    Quelle: Markor Chemical

    So schreiben die Markor-Mitarbeiter, dass sie nicht nur mit Dorfbewohnern die Frühlingsfest-Gala im Staatsfernsehen angeschaut, sondern kurz darauf auch bei einer Sitzung des Dorfkomittees teilgenommen hätten.
    "Es gibt 24 Haushalte, die gezielt kontrolliert werden müssen", berichten sie. "Bei der Sitzung wurden besondere Vorkehrungen für nächtliche Hausbesuche getroffen."

    Nächtliche Besuche und Listen für Festnahmen

    Nächtliche Hausbesuche - auch das ein harmloser Ausdruck, hinter dem sich eine bedrückende Wirklichkeit verbirgt. Wir fahren nach Almaty, Kasachstan, um dort eine wichtige Zeugin zu treffen.
    Gülpiya Quazibek war beteiligt an solchen Hausbesuchen, im Auftrag von Partei und Staat. Sie ist eine ehemalige Täterin, eine der ganz wenigen, die es wagt, offen darüber zu sprechen.
    Markor-Mitarbeiter beim Hausbesuch.
    Markor-Mitarbeiter beim Hausbesuch.
    Quelle: Markor Chemical

    "Wir nahmen die Leute nicht tagsüber fest, sondern abends", erzählt sie.

    Ich habe es gesehen, ich war selbst dabei. (…) Es standen zehn Busse bereit. Jeder von uns bekam eine Liste. Ihr fahrt an diese Häuser, ihr an diese und nehmt sie fest.

    Gülpiya Qazibek

    Die 46-jährige Kasachin berichtet, dass eigentlich ausschließlich han-chinesische Beamte die uigurischen oder kasachischen Minderheiten überwachen sollten. "Aber in unserem Bezirk gab es nicht genug Han-Chinesen, deshalb wurden wir auch hingeschickt."

    Qazibek: Lager für Kinder eingerichtet

    Von 40.000 Menschen in ihrem Gebiet hätten sie 10.000 eingesperrt. "Und für die Kinder, deren Eltern im Lager waren, haben sie auch Lager eingerichtet", sagt Quazibék.
    Gülpiya Quazibék in Almaty. 2019 flüchtete sie nach Kasachstan.
    Gülpiya Qazibek in Almaty. 2019 flüchtete sie nach Kasachstan.
    Quelle: ZDF

    "Wir hatten alle Angst. Heute Du, morgen ich. Wir warteten alle darauf, selbst irgendwann mitgenommen zu werden. Wir sahen die Liste der Bauern, die festgenommen werden sollten", erzählt sie.

    Sie haben alle angefangen in ihren Klamotten zu schlafen, damit sie bereit seien, falls sie nachts abgeholt würden.

    Gülpiya Qazibek

    Belege für die Aktivitäten von Markor-Mitarbeitern finden sich auch in Berichten aus anderen Jahren. "Im Jahr 2019 setzte Markor seine Bemühungen im Rahmen der Aktivität "Nationale Einheit als eine Familie" fort und hielt an langfristigen und kontinuierlichen Partnerschaftsaktivitäten fest."
    Während zahlreicher Feste seien "Hausbesuche" durchgeführt worden, bei denen insgesamt 18 Kader und Angestellte teilgenommen hätten. Ziel sei es, "doppelzüngige Personen zu entlarven und zu kritisieren."
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    In der chinesischen Provinz Xinjiang werden Muslime systematisch überwacht, verfolgt und interniert. Selbst im Ausland können sich geflüchtete Uiguren nicht sicher fühlen. 27.12.2022 | 44:07 min

    BASF: "Keine Kenntnis" von den Aktivitäten

    BASF teilt auf Nachfrage mit: Bisher gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeitende an Verhaftungen oder Ähnlichem teilgenommen hätten. Frühere Überprüfungen hätten keine Hinweise auf Zwangsarbeit oder andere Menschenrechtsverletzungen im Werk Korla ergeben.

    Bislang hatten wir keine Kenntnis von den genannten Berichten von 2018/19 und den darin beschriebenen Aktivitäten bei Markor. (…) Wir nehmen diese Hinweise sehr ernst und werden ihnen weiter nachgehen.

    BASF

    Adrian Zenz sagt, das reiche nicht. "Meiner Meinung nach ist es unglaublich, dass BASF nach all diesen Jahren nach wie vor diesen Standort in Xinjiang betreibt. Und das einzig Richtige wäre natürlich, dass man zwar zu spät, aber immerhin jetzt sich zurückzieht."
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