30 Jahre Amazon: Größter Online-Händler erfindet sich neu
30 Jahre Amazon:Größter Online-Händler muss sich neu erfinden
von Stephanie Barrett
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Amazon wird 30 Jahre alt. Der Konzern begann als Onlinebuchhändler und ist heute ein globaler E-Commerce-Gigant. Doch die asiatische Konkurrenz setzt Amazon immer mehr unter Druck.
Während Bezos sich neuen Projekten widmet, muss sich der E-Commerce-Riese neu erfinden.
Quelle: Imago
"Das bestell' ich mal eben schnell bei Amazon", ein Satz, der kaum mehr wegzudenken ist aus unserem Online-Alltag. Was 1994 als Onlinebuchhändler begann, ist heute nicht nur das mit Abstand größte Onlinekaufhaus der Welt samt globalem Logistiknetz.
30 Jahre nach der Gründung ist Amazon ein Gigant, für den inzwischen weltweit mehr als 1,5 Millionen Menschen arbeiten. 2023 erreichte der Umsatz von Amazon eine schwindelerregende Höhe von 575 Milliarden US-Dollar. Sein Börsenwert macht Amazon zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Gründer Jeff Bezos hat den Online-Handel erfunden und revolutioniert, doch die asiatische Konkurrenz setzt den Giganten jetzt unter Druck.
Große US-amerikanische Unternehmenserzählungen beginnen oft in der Garage. Auch die von Amazon. Im Jahr 1994 gibt Jeff Bezos seinen sicheren und gut bezahlten Wall-Street-Job bei einer Investmentbank auf, um Bücher zu verkaufen - und zwar online. Der studierte Informatiker erkennt im Onlinegeschäft des damals noch sehr jungen Word Wide Web neue Vertriebspotenziale. Anfangs packt der Unternehmensgründer noch selbst die Bücherkartons.
Schnell stellt sich der Erfolg ein. Kunden ordern Bücher bei Amazon in riesigen Mengen, 1998 auch erstmals in Deutschland. Das Internet boomt. Die Amazon-Kassen klingeln.
Nach dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase in den 2000er-Jahren stellt sich Jeff Bezos breiter auf: Der Amazon Marketplace markiert den Grundstein für das spätere Imperium.
Amazon holt sich Händler mit ins Boot, die unter dem Amazon-Dach eigene Produkte verkaufen. Das Sortiment vervielfacht sich, und Amazon profitiert von den Verkäufen der Drittanbieter. Eine völlig neue Idee.
Aus dem Einzelgeschäft entsteht so ein ganzes Netzwerk an Unternehmen unter der Mutter Amazon. Mit dem Cloudgeschäft bietet Amazon Web Services (AWS) ab 2006 anderen Unternehmen Cloud-Infrastruktur mit Speichermöglichkeiten an. Wieder ist Amazon damit Pionier eines bahnbrechenden Geschäftsmodells, denn Rechnerkapazitäten sind damals knapp und teuer. AWS beschert dem Konzern seitdem sprudelnde Milliardengewinne.
Als Streaming noch Video-on-Demand heißt, bietet Amazon Filme und Musik zum Download an. Daraus entsteht später das Streaming-Portal Amazon Prime. Wobei der Name Prime ursprünglich für eine schnellere Versandoption steht. Wer ein Prime-Abo bei Amazon abschließt und morgens bestellt, bekommt die Ware noch am selben Tag nach Hause geliefert. Das fühlt sich schon fast an wie richtiges Einkaufen im Laden vor Ort.
Kritik am Amazon-Geschäftsmodell
Doch was der Amazon-Kundschaft das Leben erleichtert, müssen Arbeiter im Versand und Paketfahrer mühsam erarbeiten. Kundenzufriedenheit funktioniert eben nur, wenn die Logistikkette dahinter ohne Unterbrechungen rattert.
Die Schattenseite des Online-Handels und sie bietet immer wieder Angriffsfläche für Kritik an Amazon und anderen großen Online-Anbietern. Seit Jahren versucht die Gewerkschaft ver.di vergeblich Amazon an den Verhandlungstisch zu bekommen, um Arbeitsbedingungen zu verbessern und fairere Bezahlung durchzusetzen. Trotz unzähliger Streiks in den vergangenen Jahren stehen die Arbeitsbedingungen immer wieder in der Kritik. Zu Verhandlungen über Tariflöhne ist Amazon bis heute nicht bereit.
Die erhaltenen Beihilfen von Luxemburg in Form von Steuervorteilen für den Versandhändler Amazon sind rechtmäßig, so die Entscheidung des EuGH.14.12.2023 | 1:20 min
Auch den Vorwurf, der Totengräber des Einzelhandels zu sein, muss Amazon sich gefallen lassen. Doch auch der Einzelhandel selbst trägt hier Mitschuld: Jahrzehntelang ignorierte er den Online-Handel und schob neue Geschäftsideen auf die lange Bank.
Im Visier von Kartell- und Wettbewerbsbehörden steht Amazon ebenso regelmäßig. Vorgeworfen wird dem Konzern, seine marktbeherrschenden Stellung auszunutzen und Konkurrenten den Marktzugang zu erschweren. Auch das Kopieren erfolgreicher Produkte mit Eigenmarken, irreführende Preisangaben und Produktbewertungen sowie Dumpingpreise werden dem Online-Händler vorgeworfen.
Die Deutschen shoppen öfter online - vor allem bei Amazon. Der stationäre Einzelhandel dagegen steckt in einer tiefen Krise. ZDFzeit fragt: Wo ist der Einkauf besser und warum?08.12.2020 | 43:59 min
Wie stehen die Chancen gegen die asiatische Billigkonkurrenz?
Im Online-Handel werden die Karten derzeit neu gemischt: Chinesische Anbieter wie Temu und Alibaba sind dem weltweiten Marktführer im Onlinehandel bedrohlich auf den Fersen und jagen ihm zunehmend Marktanteile ab. Darauf reagiert Amazon mit noch mehr Billigangeboten aus China und plant nun sogar eine eigene Billig-Plattform, über die chinesische Händler ihre Artikel direkt an die Kundschaft verkaufen dürfen. "Das dürfte aber nicht ausreichen", erklärt Professor Gerrit Heinemann, Handelsexperte an der Hochschule Niederrhein.
Man habe es mit fünf Billig-Plattformen zu tun, die allein in diesem Jahr ihre Umsätze auf gut 350 Milliarden Dollar fast verdoppeln dürften. Fraglich auch, ob Amazon technologisch in der Lage ist, Temu & Co Paroli zu bieten, denn gerade chinesische Firmen sind mittlerweile führend darin, den Einzelhandel mittels Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz (KI) zu steuern.
Mit Informationen ihrer eigenen Plattformen und sozialen Netzwerken erkennen sie kleinste Konsumtrends früh und passen das Sortiment an. Westliche Firmen - auch Amazon - haben diese Entwicklung Experten zufolge jahrelang vernachlässigt.
Zudem funktionieren Temu und Shein selbst wie soziale Netzwerke, bei denen Unterhaltung, Spaß und Austausch im Vordergrund stehen. Der Erfolg gründet gerade darauf, dass Nutzer immer wieder und immer öfter auf die Plattform kommen - auch wenn sie gar nicht die Absicht haben einzukaufen.
Ein Geschäftsmodell auf dem Prüfstand
Nicht zuletzt steht auch das Geschäftsmodell der Online-Plattform selbst auf dem Prüfstand: Amazon ist eine Suchmaschine für Produkte, fokussiert auf die Verkaufsabwicklung. Dafür hat der Konzern ein gigantisches Logistiknetz aufgebaut, das im E-Commerce von morgen mit direkten Beziehungen zwischen Herstellern und Endkunden wahrscheinlich kaum noch gebraucht wird.
Jeff Bezos selbst ist seit 2021 nicht mehr an der Spitze von Amazon. Der Gründer und Visionär verfolgt seitdem eine neue Leidenschaft beziehungsweise ein neues Geschäftsmodell: Über sein Unternehmen Blue Origin will Bezos zahlungskräftige Kunden per Rakete ins All schießen. Amazons Entwicklung gleicht ebenfalls einem Raketenflug, der nun schon seit 30 Jahren andauert.
Stephanie Barret ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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