Warum Tomaten überwiegend nach Deutschland importiert werden

    Gemüseanbau in der Klimakrise:Mehr Tomaten aus Deutschland - aber wie?

    von Judith Paland
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    Rund 90 Prozent unserer Tomaten werden importiert. Das belastet Klima und Umwelt. Lässt sich das ändern? Tomatenexperte Bernd Horneburg sieht noch Potenzial im eigenen Land.

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    In Deutschland werden Tomaten vor allem im geschützten Anbau gepflanzt, also unter Folie oder Glas. Das kostet allerdings Ressourcen, vor allem Energie. Dabei hätte der Freilandanbau noch großes Potenzial, findet Pflanzenzüchter Dr. Bernd Horneburg, Wissenschaftler für das Fachgebiet "Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrobiodiversität" an der Universität Kassel. Der Vorteil: "Je nach Boden braucht man keine Bewässerung oder nur beschränkte Bewässerung. Man braucht natürlich keine Heizung und man spart sich den ganzen Überbau, sei es Folientunnel, sei es Gewächshaus."

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    Bislang kann Deutschland seinen Bedarf nur zu einem geringen Teil selbst decken und ist stark auf Einfuhren angewiesen. Rund 650.000 Tonnen frische Tomaten werden im Jahr importiert. Allein aus den Niederlanden kamen 2023 etwa 293.000 Tonnen. Doch über 85 Prozent der niederländischen Gewächshäuser werden mit fossilen Energieträgern betrieben. Der Anbau konzentriere sich dort auf wenige Sorten, die sich effizient kultivieren lassen und Transportwege unbeschadet überstehen, kritisiert Tomatenexperte Horneburg.
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    Das gehe zu Lasten der Vielfalt und des Aromas:

    Ich kann nicht gleichzeitig auf guten Geschmack und noch Eigenschaften, die den Transport erlauben, züchten.

    Dr. Bernd Horneburg, Wissenschaftler für das Fachgebiet "Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrobiodiversität" an der Universität Kassel

    "Ich muss dann als Züchter Abstriche machen", sagt Horneburg. "Und das ist das, was wir schmecken". Im Gegensatz dazu sieht er die Freilandtomate, die weder im Substrat steht noch mit künstlichem Licht versorgt werden müsse.

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    Ernteausfälle im Freiland aufgrund von Fäule möglich

    Doch es drohe eine andere Gefahr: "Das Hauptrisiko in hiesigen Breiten im Tomatenanbau im Freiland ist der mögliche Befall mit Phytophthora infestans, der Kraut- und Braunfäule." Wenn die Witterung lange feucht ist, könne es im Extrem zu Totalausfällen kommen, erläutert Horneburg.

    Der Pilz, der die Braun- und Krautfäule verursacht, ist Ende der 1980er, Anfang der 1990er mutiert und hat durch den stärkeren Befall den Anbau erwerbsmäßig fast unmöglich gemacht.

    Dr. Bernd Horneburg, Pflanzenzüchter und Tomatenexperte

    Das Risiko sei allerdings gesunken, sagt der Wissenschaftler. Grund dafür seien zum einen erfolgreiche Resistenzzüchtungen, zum anderen die Klimakrise: Es gäbe mehr trockene, heiße Jahre. Das sei gut für die Tomate, schlecht für den Pilz.
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    Saatgut von Freilandtomaten für Öffentlichkeit gedacht

    Im Ökologischen Freiland-Tomatenprojekt, das seit 2003 von Horneburg geleitet wird, konzentrieren sich die Pflanzenzüchter daher unter anderem auch vermehrt auf Freilandtomaten, die mit Trockenheit besser umgehen können.
    Dabei setzt das Projekt auch auf den freien Austausch von Wissen. Das Saatgut werde der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Und das sei eher unüblich, erklärt der Experte. Normalerweise würden Züchtungsergebnisse wie ein wertvoller Schatz gehütet. Schließlich bedeuteten sie hohe Einkünfte für die Saatgut-Hersteller.
    Ein Mann hält eine Hand voll Saatgut; im Hintergrund unscharf ein Traktor.
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    Selbstversorgung auf dem Balkon

    Auch deshalb sieht Horneburg Potenzial im Amateuranbau: "Schlussendlich gibt es in Deutschland Millionen von Leuten, die Balkone haben, Terrassen, kleinere oder größere Gärten, die die Chance haben, mit geeigneten Sorten die Inlandsversorgung zu verbessern."
    Das Problem: Der deutsche Tomatenhunger kennt keine Saison. Auf dem Balkon gibt es die Tomate von Juni bis August. Im Supermarkt das ganze Jahr über. Es sei denn, man sorgt vor und legt sich Vorräte in Einmachgläsern an.
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