Interview
Nobelpreis für Wirtschaft:"Komitee sendet anti-autoritäres Signal"
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In der Arbeit der drei Nobelpreisträger der Wirtschaft sieht Wissenschaftler Rüdiger Bachmann gleich mehrere Warnungen - und ein klares Zeichen der Akademie an die Welt.
Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm hat am Montag die Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben.
Quelle: dpa
Für ihre Arbeit zu der Frage, welche Rolle Institutionen für den Wohlstand von Nationen spielen, sind die Ökonomen und Wohlstandsforscher Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet worden. Der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann zeigt sich im ZDFheute-Interview von der Entscheidung der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften nicht überrascht. In der Arbeit der Preisträger sieht er gleich mehrere Warnungen.
ZDFheute: Sie hatten sich im Vorfeld mit den möglichen Preisträgern beschäftigt - war die Entscheidung eine Überraschung für Sie?
Rüdiger Bachmann: Nein, absolut nicht. Insbesondere, dass er an Daron Acemoglu gehen würde, war ja lange erwartet worden. Er hätte den Nobelpreis auch alleine bekommen können für sein Lebenswerk, das wichtige Beiträge zur Suchtheorie auf Arbeitsmärkten, zum technischen Fortschritt und zur Automation umfasst, und eben, wofür dieser Preis jetzt verliehen wurde: die politische Ökonomie von Institutionen und deren Bedeutung für wirtschaftlichen Wohlstand. Es ist nicht übertrieben, wenn man Daron Acemoglu als einen der bedeutendsten lebenden Ökonomen bezeichnet.
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ZDFheute: Was sind die besonderen Verdienste der Preisträger?
Bachmann: Die Arbeiten der Preisträger stehen in einer langen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Denktradition, dass (gute) Institutionen zentral für gesellschaftliche und wirtschaftliche Ergebnisse sind. Ihr besonderer Beitrag besteht nun darin, das empirisch und theoretisch besser als zuvor untermauert zu haben.
Quelle: Rüdiger Bachmann
... ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana.
Konkret verwenden sie unterschiedliche Kolonialisierungsformen, die zu unterschiedlichen Institutionen geführt haben: sogenannte inklusive Institutionen, etwa Marktwirtschaft und liberale Demokratie, die aus Siedlerkolonien entstanden sind. Man denke etwa - trotz der schlimmen Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner - an die USA.
Dagegen stehen sogenannte extraktive Institutionen, bei denen nur eine kleine Elite von Kolonialherren die Kolonien ausbeutete, dafür aber nichts Gutes im Land selbst hinterließ. Es lässt sich nun zeigen, dass insbesondere Gebiete mit inklusiven Institutionen wirtschaftlichen Wohlstand hervorgebracht haben.
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ZDFheute: Was zeichnet diese Preisträger aus?
Bachmann: Sie wagten sich an große, nur sehr schwer empirisch zu beackernde Fragen heran, denn es gibt ja so viele verschiedene Einflussfaktoren auf wirtschaftliches Wachstum. Es ist mithin gar nicht so einfach, die kausale Bedeutung eines bestimmten Faktors wirklich genau herauszuarbeiten.
Vielleicht ist es ja auch genau umgekehrt, dass nämlich nur Nationen mit großem wirtschaftlichem Wohlstand in der Lage sind, gute Institutionen herauszubilden und zu erhalten? Die Preisträger haben Methoden zur Überwindung dieser Schwierigkeiten bereitgestellt.
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ZDFheute: Welche Bedeutung hat die Forschung des Preisträgers für die Allgemeinheit? Wie lässt sich seine Forschung in der Praxis anwenden?
Bachmann: Armut von Nationen ist kein geographisches oder gar genetisches Schicksal, sondern lässt sich, wenn auch schwer - das haben die Preisträger im theoretischen Teil ihrer Arbeiten gezeigt - im Prinzip ändern. Also eine Botschaft der Hoffnung. Gleichzeitig ist es aber auch eine Warnung an uns alle:
Und dieses Potenzial gibt es ja gerade heute durchaus. In der Praxis ist es zunächst auch eine Warnung: jede noch so gut gemeinte Entwicklungshilfe ist vielleicht nicht wirklich hilfreich, wenn sie nicht langfristig dazu führt, Institutionen vor Ort zu verbessern.
Und es ist auch eine Warnung, das sogenannte Wachstums- und Entwicklungsexportmodell Chinas, letzteres zum Beispiel in Afrika, nicht zu überschätzen oder sich gar als Vorbild zu nehmen, wie man es von linken ÖkonomInnen gelegentlich hört.
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ZDFheute: Welches Signal sendet das Nobelpreiskomitee mit der Wahl dieser Preisträger aus?
Bachmann: Ich denke, es gibt hier zwei Signale: ein innerakademisches und eines in die Welt hinaus. Innerakademisch setzt die Akademie einen Kontrapunkt zu den Abgesängen auf die liberale Demokratie, die man ja immer häufiger gerade aus manchen Sozialwissenschaften heraus hört. In die Welt sendet die Akademie ein klar anti-autoritäres Signal: Wer der autoritären Versuchung erledigt, wird es über kurz oder lang auch am wirtschaftlichen Wohlstand merken.
Die Fragen stellte Stephanie Barrett aus der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen.
Quelle: ZDF
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