Huthi-Attacken auf Schiffe: Drohen jetzt leere Regale?

    FAQ

    Wegen Huthi-Attacken auf Schiffe:Drohen jetzt Lieferengpässe und leere Regale?

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
    |

    Durch die Huthi-Angriffe auf Frachter gibt es Verzögerungen in Lieferketten, erste Firmen stoppen die Produktion. Welche Auswirkungen drohen der Wirtschaft - und uns Verbrauchern?

    Ägypten, Ismailia: Schiffe fahren durch den Suezkanal. Archivbild
    Schiffe im Suezkanal - welche Auswirkungen hat die Krise? (Archivbild)
    Quelle: Reuters

    Die Schiffsroute über das Rote Meer und den Suezkanal ins Mittelmeer ist eine der wichtigsten Verbindungen für Frachtschiffe überhaupt - sie erspart der Seeschifffahrt zwischen dem Nordatlantik und dem Indischem Ozean den Umweg rund um Afrika. Doch genau den müssen Reedereien jetzt wegen andauernder Angriffe durch die Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer in Kauf nehmen. Das ist mit höheren Kosten und Verzögerungen in den weltweiten Lieferketten verbunden.
    Wie sehr ist die Frachtschifffahrt beeinträchtigt und welche Konsequenzen drohen? Stehen wir bald vor leeren Regalen in den Geschäften wie in Corona-Zeiten? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen.
    Angriffe auf Huthi-Stellungen
    Als Reaktion auf die Huthi-Attacken auf Handelsschiffe im Roten Meer haben die USA und Großbritannien Stellungen der Miliz im Jemen angegriffen. ZDFheute live ordnet ein. 12.01.2024 | 38:55 min

    Wie sehr ist die Frachtschifffahrt beeinträchtigt?

    Etliche Frachtschiffsunternehmen meiden inzwischen das Rote Meer. Die Menge an Containern, die in der Region transportiert wird, ist zuletzt um fast 70 Prozent eingebrochen, berichtet das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). In der Folge stiegen die Frachtkosten und die Transportzeit im Warenverkehr zwischen Fernost und Europa.

    Die Umleitung von Schiffen aufgrund der Angriffe im Roten Meer um das Kap der Guten Hoffnung in Afrika führt dazu, dass sich die Zeit für den Transport von Waren zwischen den asiatischen Produktionszentren und den europäischen Verbrauchern deutlich um bis zu 20 Tage verlängert.

    Julian Hinz, Direktor des Forschungszentrums Handelspolitik am IfW

    Die Weltkarte zeigt ausgehend von Singapur im Vergleich die Dauer der Schiffsrouten nach Piräus, Griechenland an.
    Quelle: ZDF

    Dies zeige sich auch in den rückläufigen Handelszahlen für Deutschland und die EU - die transportierten Waren seien vielfach noch auf See sind und noch nicht wie geplant in den Häfen gelöscht.
    Zu den Problemen im Roten Meer kommt: Auch der Panamakanal ist derzeit aufgrund von Dürre nur eingeschränkt nutzbar - die Wasserstände sind zu niedrig. Nils Haupt von Hapag-Lloyd sprach im Dezember gegenüber dem ZDF von einem "Jahrhundertphänomen, dass beide Kanäle nicht vollumfänglich befahren werden können".
    SGS Haller
    Seit den Attacken der Huthi-Rebellen im Roten Meer meiden Großreedereien den Suezkanal. Wie sich das auf die deutsche Wirtschaft auswirkt, berichtet Valerie Haller.12.01.2024 | 0:56 min

    Welche Konsequenzen haben die Verzögerungen für die Wirtschaft?

    Die entstehenden Lieferengpässe zwangen zunächst den Autobauer Tesla, dann Volvo zu einem Stopp ihrer Produktion. Im Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide stehen seit Donnerstag die Bänder für rund zwei Wochen weitgehend still, weil Akkus aus China fehlen. Am Donnerstag musste der Automobilkonzern Volvo nachziehen: Die Produktion im belgischen Gent soll in der kommenden Woche für drei Tage gestoppt werden - eine Reaktion auf Verzögerungen bei Lieferungen von Getrieben, erklärte das Unternehmen am Freitag.
    Deutsche Autohersteller wie VW oder BMW sind weniger betroffen: "Sie beziehen ihre Batterien inzwischen aus Europa - eine Lehre aus der Corona-Pandemie", erklärt die Börsen-Expertin des ZDF, Valerie Haller.

    Huthi-Angriffe im Roten Meer
    :Experte: EU-Marinemission "muss robust sein"

    Wie kann die Sicherheit für Handelsschiffe im Roten Meer wiederhergestellt werden? Die EU plant eine Marinemission. Was diese leisten muss, erklärt Experte Moritz Brake im ZDF.
    Ein Frachtschiff durchquert den Suezkanal, eine der wichtigsten von Menschenhand geschaffenen Wasserstraßen, am 29.12.2023 in Ismailia, Ägypten.
    mit Video

    Wie verteuern sich Gütertransporte?

    Infolge der Angriffe des britischen und des US-Militärs gegen die Huthi-Rebellen stieg am Freitag der Ölpreis an, um vier Prozent. Vor allem aber steigen die Transportkosten durch die längeren Routen für die Frachtschiffe. Der Logistiker Schenker geht auch von einer stärkeren Nachfrage nach Luftfracht aus - die allerdings wesentlich teurer ist, zudem kann viel weniger transportiert werden. "Mit Effekten auf die Luftfracht rechnen wir in circa zwei bis drei Wochen", erklärte ein Sprecher am Freitag.
    Noch halten sich die gestiegenen Transportkosten aber im Rahmen: Der Transport eines 40-Fuß-Standardcontainers zwischen China und Nordeuropa kostet dem IfW zufolge derzeit zwar über 4.000 US-Dollar, während es noch im November nur rund 1.500 US-Dollar gewesen seien. "Der aktuelle Preis ist allerdings noch weit entfernt von den drastischen Ausschlägen während der Corona-Pandemie, als der Transport eines Containers auf dieser Route bis zu 14.000 US-Dollar kostete", heißt es in dem IfW-Bericht.
    Entsprechend erwartet Handelspolitik-Experte Julian Hinz vom IfW auch noch keine spürbaren Folgen für die Verbraucherpreise in Europa - "zumal der Anteil der Frachtkosten am Warenwert hochpreisiger Artikel etwa im Bereich Consumer-Elektronik nur im Promillebereich liegt", erklärt Hinz.
    SGS Bates Slomka
    Sollten die Huthi wieder Schiffe im Roten Meer angreifen, behalten sich die USA weitere Schritte vor, so ZDF-Korrespondentin Bates. Biden wolle ein "Jetzt reichts!"-Signal senden.12.01.2024 | 2:19 min

    Bleiben bald manche Regale in den Geschäften leer?

    Zunächst nicht: Mit leeren Regalen oder Preissteigerungen sei kurz- und mittelfristig nicht zu rechnen, erklärt der Sprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Hertel, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Handelsunternehmen hätten aus den Problemen der Vergangenheit gelernt und reagiert: Mit mehr Lagerhaltung, einer breiteren Fächerung der Beschaffungsgebiete oder auch Alternativprodukten für den konkreten Bedarf.
    Ähnlich äußerte sich auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). "Unsere Lieferketten sind heute deutlich stärker diversifiziert und damit resilienter aufgestellt als noch 2021, als der Suez-Kanal über Wochen blockiert war", sagte BGA-Präsident Dirk Jandura.
    Konkrete Auswirkungen hatte die Krise bereits auf den Discounter Aldi Nord: Weil es zu Knappheit bei Haushaltswaren, Spielzeug und Dekoration kommen könnte, würden Werbekampagnen für bestimmte Produkte verschoben, bis die Vorräte gesichert seien, teilte der Handelsriese mit. 

    EU-Marinemission
    :Bericht: Deutsche Fregatte soll ins Rote Meer

    Deutschland will sich einem Bericht zufolge mit einem Kampfschiff an einer neuen EU-Marinemission beteiligen. Die Fregatte "Hessen" soll im Februar in Richtung Rotes Meer starten.
    Niedersachsen, Wilhelmshaven: Die Fregatte "Hessen" fährt in den Hafen am Marinestützpunkt ein.
    mit Video

    Wie geht es weiter?

    Wie sich die Situation nach den erneuten Angriffen der USA auf die Huthi-Rebellen im Jemen entwickelt, ist unklar. Ein Huthi-Sprecher sagte, die Rebellen könnten die Seewege trotz der Angriffe nach wie vor kontrollieren. Der entscheidende Faktor dürfte sein, wie lange die Krise andauert. Der Chef des Schifffahrtsgiganten AP Møller-Maersk warnte in der "Financial Times", es könnte Monate dauern, bis die Handelsroute am Roten Meer wieder geöffnet wird. Das könne "erhebliche Folgen" auf die Weltwirtschaft haben, was früher oder später dann auch die Verbraucher spüren.
    Auch das chinesische Neujahrsfest könnte eine Rolle spielen: Ab dem 21. Januar feiern Chinesen ihr bedeutendstes Fest, die Wirtschaft steht still, chinesische Fabriken sind wochenlang geschlossen. Das hat weltweit Auswirkungen - in Kombination mit der Blockade im Roten Meer könnte sich die Krise noch weiter verschärfen.
    mit Material von Reuters, AFP

    Aktuelle Nachrichten zum Nahost-Konflikt