75 Jahre Patentamt: Wie steht es um deutschen Erfindergeist?

    75 Jahre Patentamt:Wie steht es um den deutschen Erfindergeist?

    Stephanie Barrett
    von Stephanie Barrett
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    Vom Melitta-Kaffeefilter bis zum MP3-Format: Seit 75 Jahren können Erfindungen beim Münchener Patentamt angemeldet werden. Das deutsche Patentsystem genießt weltweit hohes Ansehen.

    Die Prüfer im Patentamt haben viel zu tun.
    Vor 75 Jahren nahm das Deutsche Patentamt in München seine Arbeit auf.
    Quelle: Andreas Gebert/dpa

    Erfindergeist war immer schon das Markenzeichen für "Made in Germany". Von Melitta Bentz (Kaffeefilter) über Werner von Siemens (Dynamo) bis Karlheinz Brandenburg (mp3-Format für Musikdateien) prägten Erfinder und Tüftler Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg.

    60.000 Ideen 2023 zum Patent angemeldet

    Entsprechend hoch ist die Zahl deutscher Patente. Rund 60.000 Ideen wurden allein 2023 beim Deutschen Patentamt angemeldet. Mit Patenten können Tüftler Ihre technischen Erfindungen vor unerwünschter Nachahmung schützen. Andere dürfen die Erfindung dann nicht nachbauen und auch nicht Geld damit verdienen.
    Im Autoland Deutschland ist es wohl kein Zufall, dass die Fahrzeugtechnik mit großem Vorsprung bei Patenten führt - die zehn Firmen mit den meisten Patentanmeldungen sind allesamt Autohersteller und -zulieferer. Darauf folgen mit Abstand die Industrie-Bereiche Maschinenbau, Chemie und Elektroindustrie. Unterm Strich gehen Patentanmeldungen in den wichtigsten Branchen zurück, am deutlichsten in der pharmazeutischen Industrie.
    Dagegen wächst die Zahl derer, die ihr Patent in Deutschland geschützt sehen wollen. Denn das deutsche Patentsystem ist eines der hochwertigsten in der Welt. Sogar China nahm es sich vor 25 Jahren zum Vorbild.
    Grafik mit einem Emoticon, das ein Patent-Zertifikat in der Hand hält und sich freut
    Der Schutz für clevere Erfinder27.10.2023 | 1:24 min

    China wird bald "Patentmacht Nummer eins" sein

    Dabei war China jahrzehntelang berüchtigt für seine Raubkopien, hat dann aber verstanden, dass es auch seine eigenen Forschungsergebnisse besser schützen muss, damit sie nicht geklaut werden. Und vor allem, um sie gewinnbringend vermarkten zu können.
    Die meisten seiner Patente entstehen in den Zukunftsbranchen Elektro- und Informationstechnologie, 5G, bei Batteriezellen, Kommunikationstechnologien, KI und maschinellem Lernen.

    Nun wird es keine fünf Jahre mehr dauern, da wird China Patentmacht Nummer eins sein.

    Oliver Koppel, Patentexperte am IW Köln

    Wie steht Deutschland in der Welt der Patente da?

    Deutschland kann dagegen bei digitalen Zukunftstechnologien immer weniger mit der Weltspitze mithalten. In Zukunftsfeldern wie KI und Chipproduktion und auch Software ist Deutschland auf Importe angewiesen. Hier dominieren die USA, die größte Wachstumsdynamik findet dabei in China statt.
    Auch Japan und Südkorea sind stark bei Patenten. Die Forschungsleistung von deutschen Unternehmen hat am Standort nachgelassen, vielfach wird Forschung und Entwicklung im Ausland aufgestockt.




    Wer sind die Erfinder?

    Innovation wird immer mehr Sache der Konzerne. Einzelne Erfinder kommen nur noch schwer an gegen die Forschungsabteilungen milliardenschwerer Unternehmen. Viele Technologien sind so komplex geworden, dass Einzelpersonen sie kaum noch überblicken können. Entsprechend nimmt die Bedeutung freier Erfinder rapide ab. Wurden vor 30 Jahren noch gut 20 Prozent aller Patente von privaten Tüftlern angemeldet, sind es aktuell noch sechs Prozent.
    Zudem hat der Staat vor einem Jahrzehnt die Förderungen für freie Erfinder gestrichen. Tatsächlich sind die Hürden hoch: Das Verfahren dauert lange und ist nicht billig: Bis zu 7000 Euro kostet die Anmeldung eines Patents, hinzu kommen Kosten für den Patentanwalt. Für Tüftler ohne fertiges Geschäftsmodell nicht wenig, für Unternehmen dagegen Peanuts. In der Regel vergehen zwischen Anmeldung und marktreifem Produkt drei bis fünf Jahre.
    Maximal 20 Jahre läuft ein Patent - jedes Jahr kostet Gebühren. Ziel des Staates ist dabei, dass Wissen geteilt wird. Man bekommt Zeit, um seine Erfindung zu vermarkten - aber kein lebenslanges Monopol. Generikahersteller können beispielsweise nach Auslaufen des Patents deshalb Medikamente günstiger herstellen.

    ... ist seit über 145 Jahren die Zentralinstitution für den Schutz des geistigen Eigentums in Deutschland. Es ist das größte nationale Patent- und Markenamt in Europa und weltweit das fünftgrößte Patentamt. Als obere Bundesbehörde gehört das DPMA zum Geschäftsbereich des externer Link Bundesministerium der Justiz (BMJ).

    Rund 2.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an den Dienststellen in München, Jena und Berlin für das DPMA tätig. Hauptsitz des Amtes ist München, wo mit mehr als 2.200 Personen der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt ist.

    Fast 60.000 Patentanmeldungen gingen 2023 beim Deutschen Patent- und Markenamt ein. Bearbeitet werden sie von unseren mehr als 1.000 Patentprüferinnen und Patentprüfern, die in fünf Abteilungsgruppen organisiert sind: Allgemeiner Maschinenbau, Mechanische Technologie, Elektrotechnik, Chemie und Physik. Außerdem befassen sich die Prüferinnen und Prüfer mit Einsprüchen gegen erteilte Patente und führen auf Antrag Recherchen durch.

    Warum sind Patente so wichtig?

    Patente sind der Goldstandard für Innovationen. Technologisch hochwertige Neuerungen und Anwendungsergebnisse sind wichtig, um den Wohlstand zu sichern. Das gilt insbesondere für Staaten ohne große Rohstoffvorkommen wie Deutschland.

    Letztlich führt nur Innovation zu Wirtschaftswachstum von Ländern, die keine natürlichen Ressourcen haben.

    Oliver Koppel, Patentexperte am IW Köln

    Ein großer Teil der derzeitigen Wachstumsschwäche sei deswegen auch auf die Innovationsschwäche im Vergleich zu anderen Industrienationen zurückzuführen.
    Doch nicht nur in Deutschland schrumpft das Potential neuer Ideen, in vielen Ländern Europas geht die Innovationsfähigkeit - gemessen an Patenten - zurück. Selbst die USA müssen kämpfen, um ihren Spitzenplatz zu verteidigen.
    95 Prozent der Patentanmeldungen in Deutschland stammen von Absolventen mit Abschlüssen naturwissenschaftlicher Fächer - nicht etwa von Wirtschaftswissenschaftlern. Die Zahl der Absolventen in MINT-Fächern nimmt jedoch seit Jahren ab. Wird hier nicht gegengesteuert, fehlen in der Zukunft die Köpfe, die innovativen Erfindergeist weiter tragen.
    Stephanie Barrett ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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