Online-Shops: Wie sich der Versandhandel neu erfinden muss
Vom Katalog zur Online-Plattform:Wie sich der Versandhandel neu erfinden muss
von Stephanie Barrett
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Vom Kultkatalog zur Shopping-App mit Online-Marktplatz - Otto hat die digitale Transformation geschafft. Doch im Online-Handel gibt es immer stärkere Konkurrenz aus China.
Der Otto Versand hält sich nach Amazon in Deutschland auf Platz zwei der Online-Anbieter. Heute wird das Traditionsunternehmen aus Hamburg 75 Jahre alt. 17.08.2024 | 1:35 min
Wer beim Namen Otto an Versandhandel denkt, ist definitiv nicht mehr auf der Höhe der Zeit, denn den klassischen Versandhandel gibt es längst nicht mehr. Auch wenn der Name Otto alte Klischees hervorruft, Deutschlands größter Online-Shop ist modern wie ein Technologie-Unternehmen und die Otto Group ein globaler Konzern mit 50.000 Beschäftigten.
In Deutschland zählen die Versandhäuser Baur, Heine, About You und Bon Prix und der Filialist Manufactum zum Unternehmen, das nun 75. Geburtstag feiert. Aber auch Finanz- und Service-Dienstleistungen gehören dazu.
Otto ist der erfolgreichste deutsche Online-Händler. Wie wurde aus dem kleinen Hamburger Modeversand mit Katalog ein weltweit agierender Multikonzern?13.02.2024 | 43:48 min
Versandhandel: Otto-Katalog-Ära endete 2018
Marc Opelt, Vorsitzender des Bereichsvorstands bei Otto, sagt: "75 Jahre sind eine stolze Zahl und trotzdem war Otto noch nie so jung wie heute. Ich kenne kein deutsches Handelsunternehmen, das eine so beeindruckende Transformation hingelegt hat." Immer wieder hat sich Otto weiterentwickelt und neu erfunden: vom Katalogversender zum Online-Shop, vom Online-Shop zur Plattform.
Der Kultkatalog von Otto mit bis zu 1.000 Seiten und 60.000 Artikeln wurde bis 2018 noch gedruckt, doch Versandhandel ist heute E-Commerce, und der wird komplett vom Marketing gedacht. Christoph Wenk-Fischer, Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland, erklärt:
Automatisierte Displaywerbung steuert Kunden immer zielgenauer an, und zwar auf allen Social-Media-Plattformen. Auch bei Otto: Hightech-Marketing und Künstliche Intelligenz gehören seit langem zum Werkzeugkasten des Online-Händlers, der schon 1995 die Ära des Internethandels einleitete und damals Vorreiter seiner Branche war.
Jetzt geht die Branche allerdings durch schwere Zeiten. Denn auf die Sonderkonjunktur durch Corona folgte der Einbruch. In den vergangenen zwei Jahren verbuchte der Otto-Konzern unterm Strich Verluste.
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Ein Problem: chinesische Billigprodukte überschwemmen mehr und mehr den deutschen Markt. 12.04.2024 | 1:53 min
Dennoch sieht man sich für die Zukunft gerüstet: Die Kernmarke Otto.de soll künftig Plattform werden, auf der sich auch externe Händler tummeln. Allerdings mit strengen Standards und Regeln, die den Konzern als nachhaltige Alternative zu Amazon positionieren sollen. Zugelassen sind nur Anbieter, die bestimmte Standards erfüllen und eine Präsenz in Europa haben.
Zunehmende Konkurrenz durch chinesische Firmen
Denn neben Amazon treiben heute zunehmend die chinesischen Wettbewerber Temu und Shein europäische Online-Händler vor sich her und jagen ihnen Marktanteile ab.
Europäische Standards sind den asiatischen Rivalen dabei oftmals egal, Sicherheitsvorschriften, Nachhaltigkeit - Fehlanzeige. Otto verankerte bereits 1986 Umweltschutz als Unternehmensziel. Müll wurde getrennt, Pelze und schädliche Lacke aus dem Sortiment verbannt.
Welche Tricks wendet die Plattform an, um die Käufer zu locken, noch mehr vermeintlich heißen Kram in "bester Qualität" zu kaufen? Diese und weitere Fragen beantwortet ZDF-Redakteur Sven-Hendrik Hahn.11.12.2023 | 7:10 min
Heute beteuern Kunden zwar in vielen Umfragen, wie wichtig ihnen der ökologische Fußabdruck von Produktion und Versand sind. Am Ende aber ist anscheinend vor allem eines kaufentscheidend: der Preis.
Das sagte der 81 Jahre alte Michael Otto im Juni vor Wirtschaftsjournalisten in Hamburg. Der Gründersohn entwickelte Otto zu einem der größten Versandhändler der Welt und führt noch bis März nächsten Jahres den Konzern-Aufsichtsrat.
Paradigmenwechsel im digitalen Shopping
Die Zukunft von Online-Handel und E-Commerce zeigt Trendsetter TikTok mit seinem Online-Shop. In der Social-Media-App können Marken ihre Produkte sogar direkt in TikTok-Videos integrieren und auch gleich den Verkauf direkt auf der Plattform abwickeln. Die Videos sind damit nicht nur Werbebühne, sondern gleichzeitig selbst Online-Shop.
Vergangenen September erst ging TikTok Shop in den USA an den Start und strebt bereits in diesem Jahr einen Plattform-Umsatz von 17 Milliarden Dollar an. Das ist zwar noch weit hinter Amazon, doch immerhin die Nummer sieben unter US-Online-Händlern. TikTok wird insbesondere von der Altersgruppe der unter 24-Jährigen genutzt - sie ist für Werbetreibende und den E-Commerce die entscheidende Zielgruppe.
Die Social Media Plattform TikTok dringt ins Online-Shopping Geschäft ein und macht Amazon und Co. damit Konkurrenz. Rechtsanwältin Tatjana Halm im Gespräch zu Veränderungen im digitalen Handel.24.11.2023 | 7:34 min
TikTok stellt Logik des Online-Shopping auf den Kopf
TikTok Shop, eine Tochter des chinesischen Mutterkonzerns Bytedance Shop, stellt die bisherige Logik, nach der Online-Händler wie Amazon, Otto und Zalando funktionieren, auf den Kopf, erklärt Jana Kasper:
"Das ist ein echter Paradigmenwechsel", betont die Handelsexpertin des Beratungshauses Publicis Sapient.
Die Nutzer wischen sich bei TikTok durch kurzweilige Videos, Hersteller und Händler haben nur wenige Sekunden, um den Konsumenten für ihre Inhalte zu gewinnen. "Marken müssen schnell sein und authentisch in den Videos rüberkommen", rät Kasper.
Noch steht der Starttermin für Europa nicht fest, doch es wäre ein (weiterer) großer Angriff auf den europäischen Online-Handel.
Stephanie Barrett ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen.
Quelle: ZDF
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