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Deutsche Wirtschaft in der Krise:OECD senkt Wachstumsprognose deutlich
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Die Konjunkturaussichten für Deutschland verdunkeln sich abermals. Das geplante riesige Finanzpaket bleibt dabei unberücksichtigt, dürfte aber vor 2026 kaum eine Wirkung erzielen.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, Deutschlands Konjunkturaussichten nach unten korrigiert. Für das laufende Jahr rechnet die Industriestaaten-Organisation nun nur noch mit einem Wachstum von 0,4 Prozent.
Sie halbiert damit fast ihre bereits bisher dürftige Prognose. Wenig überraschend. Zuvor hatten bereits zahlreiche Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Erwartungen zurückgeschraubt. Das Ifo-Institut traut der deutschen Wirtschaft 2025 aktuell sogar nur noch ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent zu.
Fehlende Konjunkturdynamik aus dem Vorjahr
Auch Robin Winkler, Chefvolkswirt Deutschland der Deutschen Bank, sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels.
Wir erwarten ohnehin, dass das Wachstum im Jahr 2025 nur leicht anziehen wird.
Robin Winkler, Chefvolkswirt Deutschland Deutsche Bank
Zu hoch die Altlasten aus dem vergangenen Jahr. 2024 ließ jegliche Konjunkturdynamik vermissen, und so fehlt es der deutschen Wirtschaft auch in diesen ersten Monaten des neuen Jahres an Schwung.
Geplantes Finanzpaket des Bundes noch nicht berücksichtigt
Allerdings ist in den neuen Prognosen das von Union und SPD mit den Grünen verabredete riesige Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur noch nicht berücksichtigt.
2025 würden die Effekte aber eh noch geringer ausfallen, meinen die beiden OECD-Experten Isabell Koske und Robert Grundke, "da die Implementierung von Investitionsprojekten einige Zeit in Anspruch nimmt".
Immerhin aber dürfte dadurch die Unsicherheit sinken und das Vertrauen von Investoren und Haushalten zunehmen. Beides würde helfen.
Merkliche Wachstumseffekte nicht vor 2026
"Wenn dem milliardenschweren Fiskalpaket morgen zugestimmt wird, dürfte sich dies dennoch erst von 2026 an deutlich auf das Wachstum auswirken", bremst Winkler zu hohe Erwartungen ein.
Auch Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, ist überzeugt, so schnell wird man die Impulse nicht spüren. "Diese Effekte sind auch nicht einfach per Dreisatz zu ermitteln."
Wie hoch die Konjunkturimpulse aus höheren Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben ausfallen, hängt etwa vom zeitlichen Verlauf der Ausgaben ab.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank
Immerhin, so Winkler: "Das Fiskalpaket verspricht für die kommenden Jahre zumindest eine spürbare Konjunkturspritze."
Durchgreifende Strukturreformen erforderlich
Ob die jedoch nachhaltig sein wird, hängt von anderen Faktoren ab. Ganz wesentlich sei, so Kater, "ob mehr Geld auch von durchgreifenden Strukturreformen begleitet wird.
Bleibt bei Bürokratie & Co alles wie es jetzt ist, werden die zusätzlichen Mittel eher nur ein konjunkturelles Strohfeuer von zwei oder drei Jahren auslösen."
Vereinfachte Genehmigungsverfahren und Ausbau der Produktion
Die OECD-Experten Koske und Grundke argumentieren in die gleiche Richtung. Die Effizienz der Staatsausgaben müsse gesteigert werden. Steuervergünstigungen und -ausnahmen bei Kapitalertrags- und Erbschaftssteuer, Mehrwertsteuer und Umweltsteuern sollten ihrer Meinung nach reduziert werden.
Darüber hinaus müssten Genehmigungsverfahren vereinfacht und Produktionskapazitäten zügig ausgebaut werden. "Denn sonst besteht das Risiko, dass die enorme Nachfrage durch die Investitionspakete zu einer starken Zunahme der Inflation führt", so Koske und Grundke.
Immerhin, so die Einschätzung der OECD-Experten: "Deutschland kann sich so ein Paket leisten, da seine Schuldenquote geringer ist als die vieler anderer OECD-Staaten."
Nur Mexiko schlechter in OECD-Prognose
Mindestens genauso wichtig ist jetzt aber, dass den staatlichen Investitionsversprechen eine verlässliche Wirtschaftspolitik folgt.
Es gilt zu vermeiden, dass Deutschland weiter an Boden verliert. Aktuell schneidet in der OECD-Prognose der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer nur Mexiko schlechter ab.
Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
Quelle: dpa, AFP, Reuters
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