Das erwartet die deutsche Wirtschaft von Schwarz-Rot

Forderungen an Schwarz-Rot:Mittelstand:"Wir brauchen Verlässlichkeit"

von Ralph Goldmann
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Hohe Energiekosten, Bürokratie oder Fachkräftemangel: Die mittelständischen Unternehmen erwarten von der neuen Regierung bessere Rahmenbedingungen und fordern Verlässlichkeit ein.

Ein Mann bohrt in ein Stück Holz.
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Es wird ganz schön heiß in der Werkstatt der Gießerei Fitscher Guss im Zentrum von Oberhausen. So heiß, dass die Beschäftigten nur in Schutzanzügen arbeiten können, wenn die hunderte Grad heiße Kupfergusslegierung in die Form gegossen wird.

Politikwechsel gefordert - "Fünf vor zwölf"

Das Traditionsunternehmen wurde vor 125 Jahren gegründet und produziert vor allem Getriebeteile für Antriebstechnik, für Windenergieanlagen und den Schiffsbau. Die Endprodukte findet man auch in Aufzügen oder Rolltreppen, aber auch in Gepäckbändern am Flughafen.
Diana Fitscher leitet das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Vater. Die 32-Jährige ist seit fünf Jahren im Betrieb, sie ist geschäftsführende Gesellschafterin und technische Leiterin. Ein typischer mittelständischer Industriebetrieb mit 100 Beschäftigten, der mit Problemen zu kämpfen hat. Die wirtschaftliche Lage derzeit sei "besorgniserregend", sagt die Unternehmerin im Gespräch mit dem ZDF.

Es ist in Berlin noch nicht wirklich angekommen, dass wir fünf vor zwölf in Deutschland haben und dringenden Politikwechsel brauchen, der wirklich die Wirtschaft mal in den Fokus nimmt.

Diana Fitscher, Unternehmerin

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Fitscher Guss braucht für die Schmelzvorgänge viel Energie. Und die kostet. Zu viel, sagt, Diana Fitscher. Es sei der drittgrößte Kostenfaktor im Unternehmen.

Wir fordern von der neuen Bundesregierung, dass wir den Sonderweg in der Energiepolitik endlich beenden und wieder zurück zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen finden.

Diana Fitscher, Unternehmerin

Mittelstand erwartet vor allem Verlässlichkeit

Knapp 500 Kilometer weiter östlich kennen sie solche Probleme auch. Ausgerechnet an dem Tag, an dem es eine Einigung auf einen Koalitionsvertrag gibt, lädt der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zum Branchentreff nach Berlin. Und lässt kein gutes Haar an den politischen Rahmenbedingungen. Der Mittelstand erwarte jetzt vor allem Verlässlichkeit, sagt der BVMW-Geschäftsführer.

Wir brauchen Verlässlichkeit, dass wir hier wieder Rahmenbedingungen in Deutschland und in Europa bekommen, die den Mittelstand und die deutsche Wirtschaft international wettbewerbsfähig machen.

Christoph Ahlhaus, Geschäftsführer BVMW

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Für die deutsche Wirtschaft wird 2025 nur mit einem Wachstum von 0,3 Prozent gerechnet. In mehreren Städten forderten Unternehmer deshalb bei Demonstrationen eine Wirtschaftswende.29.01.2025 | 1:48 min
Allerdings mache sich fast schon Resignation breit, was die neue Bundesregierung angeht. Das jedenfalls zeige eine aktuelle Umfrage unter den mittelständischen Betrieben. Jedes zweite Unternehmen erwarte rein gar nichts mehr. Das sei ein verheerendes Signal.

Die neue Bundesregierung startet mit einer gewissen Hypothek. Sie muss schnell Vertrauen gewinnen, schnell wieder aufholen, um die klaren Signale setzen zu können.

Christoph Ahlhaus, Geschäftsführer BVMW

Größter Hemmschuh Bürokratie

Was den Mittelstand umtreibt, sind nicht nur die hohen Energiekosten, sondern auch hohe Sozialabgaben, der Fachkräftemangel oder die schleppend verlaufende Digitalisierung. Und natürlich das Dauerthema Bürokratie, wie auch Diana Fitscher immer wieder anmahnt.
ZDF-Reporterin Haller berichtet von der Börse.
Laut dem Anlegerschutzverein DSW liegt die Schuld an der deutschen Wirtschaftskrise teils bei den Unternehmen. ZDF-Reporterin Haller berichtet von der Börse.12.02.2025 | 1:34 min
Sie fordert, jedes Jahr 20 Prozent aller Regelungen und Verordnungen abzuschaffen. Denn ein Viertel ihrer 100 Mitarbeiter müsse sich auch mit Papierkram beschäftigten:

Ständig kommen neue Regulierungen aufs Tableau, die wir alle versuchen zu erfüllen und das natürlich auch tun. Aber es bündelt viele, viele Ressourcen.

Diana Fitscher, Unternehmerin

Neue Bundesregierung muss schnell liefern

Ob sich Erleichterungen für den Mittelstand im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wiederfinden und - viel wichtiger - ob sie am Ende auch wirklich umgesetzt werden, wird sich in den kommenden Jahren herausstellen.
Zumindest dürfte sich die mittelständische Industrie über die Ankündigung freuen, einen Industriestrompreis einführen und Netzentgelte sowie Stromsteuer senken zu wollen. Weil sie in Berlin zur gleichen Zeit auch genau darum rangen, mussten Markus Söder (CSU) und Lars Klingbeil (SPD) ihre Teilnahme am Mittelstandstag absagen.
Berlins Regierender Bürgermeister machte der Branche aber zumindest ein kleines bisschen Hoffnung.

Ich würde mir wünschen, dass eine Bundesregierung sehr zeitnah sagen kann, die Wirtschaft wächst in Deutschland, wir haben eine Staatsreform hinbekommen und wir bauen Bürokratie konsequent ab.

Kai Wegner, Regierender Bürgermeister Berlin

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Diana Fitscher hält das für dringend nötig. Denn der Mittelstand sei immer noch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und nur wenn die funktioniere, können man sich als Gesellschaft auch einen Sozialstaat erlauben.

Ich bin Unternehmerin, deswegen habe ich immer Hoffnung, sonst würde ich hier heute nicht stehen. Ich hoffe, dass endlich etwas passiert.

Diana Fitscher, Unternehmerin


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Quelle: dpa

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