Zoff unter Gewerkschaften:Bei Lufthansa-Tochter Discover drohen Streiks
von Frank Bethmann
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Verdi schließt erstmals einen Tarifvertrag mit Discover-Airlines ab. Das empört zwei andere Gewerkschaften: Sie starten Urabstimmungen über einen Arbeitskampf.
Bei der Lufthansa-Tochter Discover Airlines könnte es Streiks geben.
Quelle: dpa
Die Zeichen beim Lufthansa-Ferienflieger Discover stehen auf Streik - nicht zum ersten Mal in der noch jungen Geschichte des Tochterunternehmens, dass von Frankfurt und München mehr als 25 Ferienziele in Afrika, den USA und in der Karibik ansteuert.
Das Ergebnis der Urabstimmungen der beiden Gewerkschaften UFO (Unabhängige Flugbegleiter Organisation) und VC (Vereinigung Cockpit) war eindeutig: Die Piloten und Flugbegleiter von Discover Airlines sind zur Arbeitsniederlegung bereit.
Bei der VC stimmten 81 Prozent der Mitglieder für einen Arbeitskampf, bei UFO sogar knapp 92 Prozent. Vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen der beiden Spartengewerkschaften mit dem Management über eine Ersttarifierung. Tarifverträge für die rund 1.900 Beschäftigten, die überwiegend mit Zeitverträgen und niedrigeren Gehältern als bei der Lufthansa-Mutter fliegen, gab es nämlich noch nicht.
Im April hatte sich die Lufthansa mit der Gewerkschaft UFO beim Kabinenpersonal geeinigt:
Die Auseinandersetzung eskalierte, als vor gut einer Woche das Discover-Management einen Tarifabschluss aus dem Hut zauberte. Diesen erzielte es aber nicht etwa mit UFO oder VC, sondern mit der Konkurrenz - mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Cockpit-Präsident Andreas Pinheiro sagte dazu:
So geht man nicht miteinander um.
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Andreas Pinheiro, Cockpit-Präsident
Verdi-Abschluss mit vielen Verbesserungen für Beschäftigte
Die beiden Spartengewerkschaften fühlen sich hintergangen. Ihre Lage ist schwierig, weil der Verdi-Vertrag die Forderungen von UFO und VC weitgehend abdeckt. Dazu enthält er einen Vorteil für Verdi-Mitglieder in Form eines längeren Kündigungsschutzes.
Marvin Reschinsky, der bei Verdi für diesen Abschluss verantwortlich zeichnet, spricht von einem Ergebnis, das den Beschäftigten Gehaltssteigerungen von bis zu 38 Prozent "und viele weitere Verbesserungen" bringt. "Der jetzige Konflikt zeigt", so Reschinsky mit Blick auf UFO und VC, "dass es beiden deshalb nicht darum geht, mehr für die Beschäftigten zu erreichen, sondern Macht und Bedeutung im Konzern abzusichern."
Anfang April hatten Lufthansa und Verdi einen Schlichterspruch im Tarifkonflikt beim Luftsicherheitspersonal angenommen:
Welche Gewerkschaft vertritt die Interessen der Beschäftigten?
Dass es bei diesem ungewöhnlichen Tarifkonflikt tatsächlich um mehr geht, daraus macht Marcel Gröls, der bei der VC für die Tarifpolitik zuständig ist, keinen Hehl. Es geht um die Gretchenfrage: "Wer entscheidet, wer die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Lufthansa-Ferienflieger Discover vertritt?" Das Management, so der Vorwurf, versuche die Fachgewerkschaften kaltzustellen.
"Der Versuch des Arbeitgebers, durch Geschenke eine Gewerkschaft aus dem Nichts mächtig zu machen, stellt alles auf den Kopf, was in über 150 Jahren Gewerkschaftsgeschichte schlicht selbstverständlich war: Für die Mächtigkeit einer Gewerkschaft ist die Gewerkschaft zuständig, nicht der Arbeitgeber", so Harry Jäger, der für UFO die Verhandlungen führt.
Auch einen Seitenhieb gegenüber Verdi kann sich Jäger nicht verkneifen. Die Dienstleistungsgewerkschaft sei überhaupt "nicht legitimiert", einen solchen Tarifvertrag abzuschließen.
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Mitgliederzahlen der Gewerkschaften unklar
Legitimiert ist die Gewerkschaft, die die meisten Mitglieder hinter sich weiß, so sagt es das Tarifeinheitsgesetz. Doch wer ist die mitgliederstärkste Gewerkschaft bei Discover? Über genaue Zahlen schweigen sich alle drei Arbeitnehmervertretungen aus. Erst wenn alle drei Gewerkschaften einen Tarifvertrag abgeschlossen haben - darum geht es UFO und VC vor allem mit der Urabstimmung - kann überprüft werden, welche Gewerkschaft mehr Mitglieder hat und welcher Tarifvertrag gilt.
Bis das geklärt ist, sind nun also Streiks an den Flughäfen in Frankfurt und München möglich. "Auch wenn die Urabstimmungen getrennt für Kabine und Cockpit liefen und jede Gewerkschaft unabhängig für ihr Forderungspaket zu Arbeitskämpfen aufruft, sollte sich der Arbeitgeber im Klaren sein, das UFO und VC sich zum weiteren Vorgehen weiterhin eng abstimmen", zeigt sich der UFO-Vorstandsvorsitzende Joachim Vázquez Bürger kämpferisch.
Ab sofort wird jederzeit mit Arbeitskämpfen bei Discover Airlines zu rechnen sein.
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Joachim Vázquez Bürger, UFO-Chef
Ob es auch zu Solidaritätsstreiks bei der weitaus größeren Lufthansa kommen könnte, ließ der UFO-Chef offen.
Frank Bethmann arbeitet in der ZDF-Börsenredaktion.
Quelle: dpa
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