EU-Pläne: Scheitert das Lieferkettengesetz an der FDP?
EU-Pläne:Scheitert das Lieferkettengesetz an der FDP?
von Marie Sophie Hübner
|
Die EU war sich einig: Ein eigenes Lieferkettengesetz soll Europas Arbeits- und Umweltstandards in die Welt tragen. Jetzt blockiert die FDP.
Die Verhandlungen für ein EU-Lieferkettengesetz sind bereits weit fortgeschritten, fast abgeschlossen. Nun will die FDP das Vorhaben nicht mehr mittragen. Scheitert das Gesetz nun?01.02.2024
Marie-Christine Ostermann steht zwischen Regalen, die bis unter die Decke der Lagerhalle ragen. Ihr Handelsunternehmen hat alles, was Krankenhaus-Kantinen brauchen: Schnittbohnen aus dem Rheinland, Tomaten aus Italien, Hering aus der Ostsee - bezogen von über 1.000 Zulieferern. Das neue EU-Lieferkettengesetz bereitet ihr Sorgen.
Ostermann, früher aktiv in der FDP, ist hier geschäftsführende Gesellschafterin und sitzt nebenbei einem Interessensverband deutscher Familienunternehmer vor. Über den Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes sagt sie: "Wir haben 20.000 Produkte im Sortiment. Das ist bei knapp über 200 Mitarbeitern für ein mittelständisches Unternehmen unserer Größe nicht möglich, das umzusetzen."
Ziel der EU ist unter anderem, Zwangs- und Kinderarbeit zu verhindern und die Umwelt zu schützen - in der EU und außerhalb. In Deutschland gibt es so ein Gesetz bereits. Doch das europäische Gesetz wäre strenger: Firmen sind nicht nur für die Einhaltung der Standards bei ihrem direkten Zulieferer, sondern für die gesamte Lieferkette verantwortlich.
FDP lehnt strengere EU-Richtlinie ab
Noch im Februar soll aus dem Entwurf ein Gesetz werden. Dafür braucht es eine einfache Mehrheit im EU-Parlament und eine qualifizierte Mehrheit im Rat, also mindestens 55 Prozent der EU-Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Mitte Dezember einigten sich beide EU-Institutionen im sogenannten Trilog auf einen Kompromiss. Mehrheiten gelten damit gewöhnlich als gesichert, der Beschluss als Formsache.
Doch Mitte Januar lehnt der kleinste Koalitionspartner in der deutschen Bundesregierung den Entwurf ab. Die FDP spricht vom "Bürokratie-Burnout". Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf die gesamte Wertschöpfungskette sei "völlig realitätsfern". Die Richtlinie treffe den deutschen Mittelstand. Deswegen könnte das Gesetz auch am Widerstand Deutschlands scheitern, wie aus einem Brief der liberalen Bundesminister Buschmann und Lindner hervorgeht, der dem ZDF vorliegt.
Unverständnis beim Koalitionspartner
Anna Cavazzini, die für die Grünen im Europäischen Parlament sitzt, ärgert die Nachforderung der FDP: "Deutschland hat sehr lange bis kurz vor Schluss mitverhandelt, hat einige rote Linien aufgestellt. Die wurden alle nicht gerissen, auch um die FDP an Bord zu halten."
Und dass man jetzt so kurz vor Schluss die Reißleine zieht, ist europapolitisch unverantwortlich.
„
Anna Cavazzini, Europaabgeordnete der Grünen
Deutschland sei ohnehin berühmt-berüchtigt für den "German-Vote". Das heißt: Die Bundesregierung enthält sich im Rat, weil die Koalition sich nicht einig ist. "Das schafft Unsicherheit, die viele andere Staaten mit sich zieht", so Cavazzini.
Wen betrifft das Gesetz?
Zurück in Hamm, in der Lagerhalle. Marie-Christine Ostermann ist gegen das Gesetz, auch wenn sie noch nicht davon betroffen wäre: Sie beschäftigt 235 Mitarbeitende. Doch die Schwelle liegt - anders als im deutschen Gesetz - nicht viel höher, in Risikobereichen wie der Lebensmittelproduktion bei 250 Mitarbeitenden.
Ostermann hat durchgerechnet, was es ihr Unternehmen kosten würde, müsste es Nachweise von allen Zulieferern vorlegen: 70.000 Euro. Der Jahresumsatz beträgt rund 100 Millionen Euro. "Wir wollen natürlich Umweltschutz und Menschenrechte einhalten. Das ist wichtig, ...
aber wir brauchen hier Lösungen, die machbar, die praktikabel und die auch bezahlbar sind.
„
Marie-Christine Ostermann, Unternehmerin
plan b: Neue Quellen für nachhaltigen Schmuck24.04.2025 | 29:44 min
Vereinheitlichung für fairen Wettbewerb
Andere deutsche Firmen sehen die Vorteile eines europäischen Lieferkettengesetzes - nicht nur im guten Image beim Verbraucher. Die Geschäftsführerin des Outdoor-Ausstatters Vaude, Antje von Dewitz, forderte die Bundesregierung auf, dem Gesetz zuzustimmen. Ein europäischer Rechtsrahmen schreibe gleiche Wettbewerbschancen in ganz Europa vor. Ein Vorteil, so Dewitz. National unterschiedliche Regelungen erhöhten für deutsche Unternehmen die Komplexität und den Bürokratieaufwand wesentlich. Auch Unternehmen wie Aldi Süd und S.Oliver sprechen sich für eine Regelung auf EU-Ebene aus.
Eine Entscheidung könnte nächsten Freitag im Kreis der EU-Botschafter fallen. Enthält sich Deutschland tatsächlich beim Lieferkettengesetz, braucht es nur wenige Nachahmer - und es wäre gekippt.
Deine Datenschutzeinstellungen
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.