Lebensmittelpreise: Lebensmittel und ihre wahren Kosten
Ökologische und soziale Schäden:Lebensmittel: Welche Kosten wir unterschlagen
von Laura Hohmann
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Was müssten Lebensmittel kosten, wenn man negative Folgen für Umwelt und Gesellschaft mit einpreisen würde? Bei der Berechnung stoßen Wissenschaftler auch auf Probleme.
Die "True Cost"-Ermittler begeben sich auf Spurensuche nach dem wahren Preis des Burgers: Was würde er kosten, wenn man den Wasser- und Bodenverbrauch und den CO2-Ausstoß mit einrechnet? 22.03.2025 | 28:56 min
"Uns war das Nachhaltige immer ganz wichtig, dass die Tierhaltung auch artgerecht ist", sagt Foodtruck-Betreiberin Melanie Linden in Köln. Sie verkauft Burger aus 100 Prozent Bio-Rind. Ein klassischer Cheese-Burger mit Bio-Beef und Pommes kostet bei ihr 15,20 Euro. Doch wenn man die negativen Folgen für Umwelt und Gesellschaft miteinpreisen würde, müsste man dafür 2,91 Euro mehr zahlen.
Ergeben hat das eine Berechnung von Experten der Technischen Hochschule Nürnberg: Prof. Tobias Gaugler und Benjamin Oebel ermitteln in ihren Forschungsprojekten "How much is the dish?" und "FOODCoST", was Lebensmittel kosten müssten, wenn man ökologische und soziale Schäden miteinrechnet. "True Cost Accounting" nennen die Wissenschaftler die Methode. "Diese wahren Kosten werden derzeit nicht bezahlt und entsprechend entstehen auch Schäden", sagt Oebel.
Um Menschen für diese Schäden zu sensibilisieren, berechnen wir die wahren Preise.
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Benjamin Oebel, Technische Hochschule Nürnberg
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Wahre Kosten von Lebensmitteln berechnen
Die Berechnungen dazu sind komplex: Zunächst schauen sich die Experten den Produktionsprozess eines Lebensmittels an und ermitteln, wie viele Ressourcen dabei verbraucht werden. Also zum Beispiel im Fall des Burger-Pattys, wie viel Wasser, Futter und Land ein Rind braucht, um zu leben und zu wachsen.
Im nächsten Schritt werden die negativen Auswirkungen auf Klima, Boden, Wasser und Gesundheit ermittelt und mit Hilfe von Daten zum Beispiel vom Umweltbundesamt oder vom Weltklimarat IPCC monetär bewertet.
Diese versteckten Kosten addieren die Wissenschaftler auf den Verkaufspreis und benennen so den "wahren Preis". Bei ihren bisherigen Untersuchungen ist herausgekommen, dass Lebensmittel zwischen sechs und fast 200 Prozent teurer sein müssten, als sie das Preisschild beziffert.
Der wahre Preis von Fast Food
Für die ZDF-Dokumentationsreihe "True Cost" berechneten die Wissenschaftler der TH Nürnberg wahre Preise beliebter Fast-Food-Gerichte.
Ein Burger mit Bio-Rindfleisch-Patty, konventionellem Gemüse, Brot, Käse und Pommes kostet demnach 2,91 Euro mehr. Im Vergleich dazu kommt ein Burger mit konventionellem Rindfleisch auf 2,90 Euro an Mehrkosten.
Insbesondere bei den versteckten Kosten für den Boden schneidet der Bio-Beef-Burger leicht schlechter ab als der Burger mit konventionellem Fleisch: Bei Bio sind es plus 18 Cent, bei konventionell plus 16 Cent. Das liegt vor allem daran, weil für Bio-Tiere mehr Fläche benötigt wird. Bei den zusätzlichen Kosten fürs Klima sind Bio-Beef-Burger und konventioneller Burger mit plus 62 Cent gleichauf. Beim Rinderfutter ist der Bio-Beef-Burger hingegen tatsächlich nachhaltiger, da beim Anbau von konventionellem Rinder-Futter mehr Pestizide und Chemikalien eingesetzt werden und Regenwald abgeholzt wird.
Ein Döner mit Kalbfleisch und Hirtenkäse müsste den Forscher zufolge 3,20 Euro mehr kosten, wenn man die versteckten Kosten für Klima, Boden, Wasser und Gesundheit miteinrechnet. Insbesondere der Faktor Gesundheit ist mit plus 1,55 Euro hier ausschlaggebend. Berücksichtigt werden dabei zum einen gesundheitliche Folgen, die bei der Produktion zum Beispiel durch Feinstaubbelastung entstehen. Zum anderen wird eingerechnet, inwiefern der Konsum des Lebensmittels das Gesundheitssystem finanziell belasten. Laut einer wissenschaftlichen Studie der Harvard School of Public Health steigt beispielsweise beim Verzehr von zu viel rotem Fleisch das Risiko an Diabetes Typ 2 zu erkranken.
Im Vergleich zum Döner schneidet das Falafel-Sandwich eindeutig besser ab: Hier kommen die Wissenschaftler auf einen wahren Preis von plus 27 Cent. Laut den Forschern haben pflanzenbasierte Lebensmittel wesentlich geringere Umweltfolgekosten. "Tiere haben einen schlechten Wirkungsgrad. Ich muss ziemlich viel Futter hineinbringen, um relativ wenig Kalorien an Output zu generieren und das ist ineffizient," erklärt Prof. Tobias Gaugler.
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Bio nicht gleich besser für die Umwelt
Im Fall des Burger-Pattys wirken sich etwa Landnutzungsänderungen für die Viehweide und Stickstoff in Mist und Gülle negativ auf den Boden aus. Die versteckten Kosten zeigen dabei auf, was es die Gesellschaft kosten wird, diese Schäden in der Zukunft zu beheben. Dabei sind die Boden-Kosten für Bio-Fleisch sogar höher als für konventionelles Fleisch.
"Bio-Tiere leben länger, fressen mehr und haben mehr Fläche pro Tier zur Verfügung", erklärt Gaugler. "Entsprechend wird hier mehr Fläche benötigt, was höhere externe Kosten mit sich zieht." Faktoren wie zum Beispiel Tierwohl seien noch nicht miteingerechnet.
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Nicht alle Faktoren berücksichtigt
Zwar arbeiten die Experten daran, auch Kriterien wie das Tierwohl in ihre Berechnungen miteinzubeziehen, doch diese lassen sich schwer in konkrete Kosten fassen. Auch soziale Faktoren wie unfaire Arbeitsbedingungen fließen derzeit noch nicht in die Berechnungen ein.
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"Wir müssen selbstkritisch sagen, dass dies nicht das Ende der Fahnenstange ist", sagt Gaugler. "'Wahre Kosten', wie wir sie berechnen, bilden noch nicht alle relevanten Indikatoren ab." Insgesamt sei die Richtung, die die Berechnungen aufzeigten, aber klar:
Tierische Produkte haben in der Regel hohe externe Kosten, pflanzliche Produkte haben in der Regel geringe externe Kosten.
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Prof. Tobias Gaugler, Technische Hochschule Nürnberg
Den Wissenschaftlern geht es vor allem darum, allgemeine Tendenzen aufzuzeigen und Transparenz zu schaffen. Sie sind überzeugt: Als Gesellschaft sei es langfristig günstiger, Schäden von vornherein zu vermeiden anstatt die Schäden erst später zu beheben.
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Quelle: dpa
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