Preisanstieg bei Lebensmitteln :Sollten Lebensmittelpreise überwacht werden?
von Karen Grass
|
Lebensmittel waren zuletzt oft einer der Top-Inflationstreiber. Verbraucherverbände bemängeln eine "intransparente Preisbildung" - und fordern eine Preisbeobachtungsstelle.
Lebensmittel sind in letzter Zeit stark angestiegen - Verbände fordern nun eine Preisüberwachung. (Symbolbild)
Quelle: ddp
Plus 72 Prozent - das zahlt man heute laut Foodwatch-Preisradar bei einem großen Discounter für Prinzessbohnen verglichen mit 2022. Insgesamt sind Lebensmittel deutlich teurer geworden: Im Schnitt um 34 Prozent gegenüber 2020. Silvia Monetti, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW, sagt:
Zwischen 2020 und 2024 haben sich günstige Produkte wie zum Beispiel die Eigenmarken des Handels fast doppelt so stark verteuert wie Markenprodukte. Menschen mit geringen Einkommen, die auf solche Lebensmittel besonders angewiesen sind, hatten kaum Ausweichmöglichkeiten.
„
Silvia Monetti, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW
Gleichzeitig fehle Transparenz: "Es ist nicht klar, wie sich Lebensmittelpreise zusammensetzen und wer an welcher Stelle mitverdient", so Monetti. Deshalb fordern die Verbraucherzentralen und Foodwatch nun Maßnahmen, um den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern.
Inflation in Deutschland (inkl. Nahrung und Energie)
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Tatsächlich kommen selbst offizielle Untersuchungen des Lebensmittelsektors häufig zum Schluss: Wir wissen, dass wir vieles nicht wissen. So schrieb die EZB 2024: Ein großer Anteil der Preissteigerungen bei Lebensmitteln bleibe nach Betrachtung von Vorprodukt-, Energie- und Rohstoffpreisen unerklärt.
Vor der Corona-Pandemie war hohe Inflation jahrelang kein Thema, 2021 änderte sich das und die Inflationsrate stieg mit 3,1 Prozent deutlich über 2 Prozent, was die EZB als Ziel für Geldwertstabilität ausgegeben hat.
Am stärksten stieg die Inflationsrate 2022 an, auf 6,9 Prozent. Neben Energie verteuerten sich besonders Nahrungsmittel, hier lag die Rate im Schnitt sogar bei 13,4 Prozent.
Erst 2024 normalisierte sich die Teuerung ansatzweise und es steht seitdem wieder eine 2 vor dem Komma. Das bedeutet allerdings nicht, dass alles nun wieder günstiger wird - das meiste wird nur weniger schnell teurer.
Auch der extreme Peak bei Lebensmitteln hat sich wieder beruhigt, im Januar 2025 lag die Inflationsrate bei Lebensmitteln sogar nur bei 0,8 Prozent. Im Februar allerdings stieg sie wieder auf 2,4 Prozent und lag damit wieder über der Gesamtinflation von 2,3 Prozent
Einen gewissen Anteil dürften daran die gestiegen Löhne der letzten Jahre haben. Daneben kämen Gewinne, etwa des Lebensmitteleinzelhandels, als Erklärung in Betracht. Doch wie groß deren Rolle ist, dazu seien Daten rar, so die EZB.
Trotz Rückgang der Inflation bleiben viele Preise in Deutschland auf einem sehr hohen Level, deutlich höher als noch vor der Corona-Pandemie. Immer mehr Menschen müssen rechnen. 01.02.2025 | 2:35 min
Kostensenkungen landen oft nicht bei Endkundschaft
Die Monopolkommission hat 2024 ebenfalls die Preisgestaltung bei Lebensmitteln untersucht und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH), geprägt durch vier große Unternehmen, gebe Kostensenkungen in seiner Lieferkette häufig nicht an die Endkundschaft weiter.
Und insgesamt hätten sich die Gewinnpotenziale aus der Landwirtschaft hin zum verarbeitenden Gewerbe und dem Einzelhandel verschoben. In dem Bericht der Monopolkommission heißt es:
Die Preisaufschläge sind in den nachgelagerten Märkten gestiegen, während sie im Agrarbereich gesunken sind.
„
Für die genauen Gründe müsse man allerdings Lieferketten genauer nachvollziehen, so die Kommission. Das wolle sie angehen.
Die Verbraucherverbände fürchten allerdings: Womöglich fehlen Behörden bislang wichtige Daten. "Wir fordern deshalb, Datenlücken gesetzlich zu schließen und eine neue, spezialisierte Preisbeobachtungsstelle für Lebensmittel zu schaffen", betont Monetti von der VZ NRW.
Sind Preisbremsen sinnvoll, um Verbraucher vor Inflation zu schützen?04.11.2024 | 3:08 min
Die soll erfassen, wie sich Kosten und Margen vom Feld bis ins Supermarktregal zusammensetzen und entwickeln. Politik und Behörden sollen regelmäßig informiert werden, um, falls nötig, reagieren zu können.
In Deutschland werden zwar Endverbraucherpreise monatlich veröffentlicht. Es wird aber nicht systematisch erfasst und aufbereitet, welche Kosten und Preise auf allen Vorstufen wie der Landwirtschaft, Logistik, Weiterverarbeitung und im Handel anfallen, bevor das Produkt bei den Endkund*nnen landet. Nur so ließe sich aber abschätzen, wo welche Margen gemacht werden. Andere Länder leisten sich diesen Aufwand, um Entwicklungen und Ungleichgewichte in der Lieferkette besser erkennen zu können.
In Frankreich beispielsweise soll eine spezialisierte Behörde für Politik und Öffentlichkeit Transparenz über Preisbildung und Gewinne auf den einzelnen Stufen der Absatzkette herstellen. Sie veröffentlicht dazu für die vergangenen Jahre jeweils Brutto- und Nettomargen der einzelnen Wertschöpfungsstufen. Allerdings ohne diese zu bewerten - Schlüsse sollen Öffentlichkeit und Politik selbst ziehen.
Nach diesem Vorbild könnte etwa eine Abteilung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung oder des Thünen-Instituts die Aufgabe übernehmen.
Handelsverband sieht keine Notwendigkeit
"Wir sehen für so eine Preisbeobachtungsstelle keine Notwendigkeit, es gibt genügend Transparenz. Und so eine Stelle birgt das Risiko, dass es nur wieder unnötige neue Meldepflichten und Bürokratie gibt", sagt Olaf Roik, Chefvolkswirt des Handelsverbandes Deutschland.
Zwar habe sein Verband keine Einblicke in die konkreten Margen ihrer LEH-Mitglieder. Allerdings sei der LEH ein sehr wettbewerbsintensiver Markt und man habe keinerlei Hinweise, dass sich die Lage der Mitglieder in den vergangenen Jahren entspannt habe - sodass Firmen überhaupt überhöhte Preise nehmen könnten.
Es gibt Behörden, die schreiten ein, wenn kartellrechtlich etwas schief läuft oder sich Monopole bilden - aber darüber hinaus sollten Unternehmen ihre Verträge und Preise frei verhandeln können.
„
Olaf Roik, Chefvolkswirt des Handelsverbandes Deutschland
VZ-Expertin Silvia Monetti glaubt allerdings, die Möglichkeiten reichten aktuell nicht aus. Was hingegen helfen könne: "Mehr Transparenz, um Mitnahmeeffekte zu unterbinden."