Kernenergie für Klimaschutz? "Eine absolute Nullnummer"

    Interview

    Atomkraft für Klimaschutz?:"Ökonomisch eine absolute Nullnummer"

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    Kann Kernenergie das Klima retten? Ja, hat eine Gruppe von 20 Ländern am Rande der COP28 in Dubai behauptet. Energieexperte Sven Teske hält sie dagegen für eine "Nullnummer".

    Das Bild zeigt das abgeschaltete AKW Emsland in Lingen, Niedersachsen. (Archivbild)
    Deutschland hat den Atomausstieg vollzogen. Andere Staaten wollen dagegen verstärkt auf Kernenergie setzen - macht das Sinn? (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Bis zuletzt wurde hart verhandelt auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai. Es ging um den Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl und um den Ausbau der Erneuerbaren. Kernenergie spielte dabei zwar kaum eine Rolle. Trotzdem löste eine Initiative von rund 20 Ländern einiges Aufsehen aus.
    Die Staaten, darunter Frankreich, die USA und Großbritannien, fordern, für das Klima die Kernenergie deutlich auszubauen. Der deutsch-australische Energieexperte Prof. Sven Teske hält davon nichts.
    Eine Frau läuft vor dem Gebäude der Weltllimakonferenz in Dubai.
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    ZDFheute: Die Initiative behauptet in ihrer Erklärung, dass ohne Kernenergie bis 2050 Klimaneutralität nicht zu erreichen sei. Ist das so?
    Teske: Nein, es ist nicht so. Wir haben schon seit über 15 Jahren einen abnehmenden Anteil von Strom aus Atomenergie und einen Anstieg aus erneuerbaren Energien. Wir haben über 400 alte Reaktoren, die nach und nach das Ende der Laufzeit erreicht haben. Es werden mehr vom Netz genommen als neu aufgenommen. Das hat einen Grund: die Kosten.

    Die durchschnittliche Bauzeit für ein neues Atomkraftwerk liegt bei etwa zwölf Jahren. Das heißt, für die 2030-Klimaziele wäre es schon zu spät, für die 2035-Ziele eher auch.

    Sven Teske, University of Technology Sydney

    Bis dahin müssen wir im Strombereich eine Dekarbonisierung von fast 80 Prozent haben. Insofern ist das rein technisch, rein mathematisch und ökonomisch eine absolute Nullnummer. Da sieht man auch daran, was wirklich an Markt umgesetzt wird: 80 Prozent waren Solar und Wind in den letzten fünf, sechs Jahren. Das liegt an den niedrigeren Kosten und an den ganz schnellen Implementierungsmöglichkeiten.

    Prof. Sven Teske
    Quelle: UTS

    … ist Associate Professor an der University of Technology im australischen Sydney, wo er seit zehn Jahren lebt. Forschungsschwerpunkt des Elektroingenieurs sind Pfade der Dekarbonisierung von Ländern, Städten und Regionen. 2011 war Teske Leitautor für den Sonderreport zu erneuerbaren Energien des Weltklimarates IPCC.

    ZDFheute: Sie sagen, Kernkraftwerke kosten viel Geld. Gibt es denn Investoren, die in neue Anlagen investieren?
    Teske: Man will ja als Investor Geld geben, damit man mehr wieder rauskriegt. Das geht mit Atom nicht. Atomenergie ist sehr teuer. Es gibt nicht ein einziges privat finanziertes Atomkraftwerk auf der Erde. Die müssen staatlich finanziert werden. Es sind unglaubliche Summen, die man bindet.
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    Man gibt Milliarden und bekommt erstmal überhaupt keinen Return of Investment, bis die den ersten Strom erzeugt haben, was, wie gesagt, zehn, 15 Jahre dauert. Und dann sind die Stromerzeugungskosten derzeit etwa Faktor fünf bis zehn über denen von Offshore-Wind.

    Insofern: ökonomisch absolut chancenlos.

    Sven Teske, University of Technology Sydney

    ZDFheute: Bei den Verhandlungen in Dubai spielte der Ausbau der Erneuerbaren eine große Rolle, die Kernenergie aber eher keine. Was steckt denn hinter der Initiative?
    Teske: Ich bin seit der ersten COP dabei. Das ist so ein bisschen im Schweinezyklus. Das kommt und geht immer mal wieder. Es sind immer die gleichen, die die immer gleichen Argumente nehmen, nämlich dass erneuerbare Energien fluktuierend seien, wobei fluktuierend das falsche Wort ist. Fluktuation heißt, dass ich nicht weiß, wann etwas an und aus ist.

    Bei Solar kommt weder der Sonnenaufgang noch der Sonnenuntergang als Überraschung und auch Wind kann ich vorhersagen.

    Sven Teske, University of Technology Sydney

    Insofern haben wir inzwischen im Prinzip grundlastfähige Erneuerbare, die inklusive der Kosten für die Speicherung günstiger sind als Atomenergie.
    Diskussion auf der Klimakonferenz
    Raus aus den Fossilen, lautet die Forderung in Dubai. Eine Einigung ist schwierig. Wie groß ist die Chance, dass sich trotzdem etwas bewegt?08.12.2023 | 4:21 min
    ZDFheute: Dennoch: In Deutschland sollen jetzt Gaskraftwerke gebaut werden. Sogar die Laufzeit einiger Kohlekraftwerke wurde verlängert. War der Atomausstieg ein Fehler?
    Teske: Nein, das war kein Fehler. Nach der Invasion der Ukraine ist aber der Gasmarkt praktisch mehr oder weniger explodiert. Und Deutschland hat sehr viel Strom nach Frankreich geschickt, weil deren Atomkraftwerke nicht vernünftig liefen.
    Insofern waren da kleine Geburtswehen, bei denen man kurze Zeit vielleicht eine Unterversorgung hatte. Aber das Problem hat sich in den nächsten zwei, drei Jahren schon erledigt. Wir haben genug Erzeugungskapazität in Deutschland. Und wir haben auch eine Menge Speicher, die jetzt gebaut werden, auch auf privater Ebene.

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    ZDFheute: In dem Aufruf wird Kernenergie als umwelt- und klimafreundliche Technologie bezeichnet. Auch, weil dabei sehr wenig CO2 freigesetzt wird.
    Teske: Atomenergie ist nicht klimafreundlich. Wir brauchen Ressourcen dafür, wir müssen Uran abbauen. Wir haben den ganzen Prozess des Baus. Das ist sehr, sehr materialintensiv. Und dann haben wir auch noch den Betrieb. Es geht ja nicht nur um CO2, das wir hier beachten müssen, sondern wir haben auch den Atommüll.
    Im deutschen Haushalt sind ungefähr 1,1 Milliarden nur für das Management des Atommülls festgeschrieben, und diese plus Inflationsausgleich werden für die nächsten Generationen bleiben. Atomkraft ist teuer, langsam, unflexibel und dazu auch noch gefährlich.
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