Karriere statt Kinder: Viele stellen Kinderwunsch hinten an
Zu wenig Krippenplätze:Umfrage: Karriere statt Kinder
von Sina Mainitz
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Kinder und Karriere unter einen Hut bringen: Das fällt Paaren zunehmend schwer, weshalb der Wunsch nach Nachwuchs immer öfter zurückgestellt wird - mit Folgen für den Arbeitsmarkt.
Für viele ist Job und Kinder unvereinbar. Das stellt eine Herausforderung für die deutsche Wirtschaft dar. (Symbolbild)
Quelle: Imago
Weil der Betreuungsplatz für die Kleinsten fehlt, stellen immer mehr Paare ihren Kinderwunsch zurück. Laut einer Studie im Auftrag des Versicherers HDI sagt ein Fünftel der rund 3.750 befragten Frauen und Männer, dass sie deswegen generell den Kinderwunsch oder den Wunsch nach weiteren Kindern hintenanstellen würden.
Immer mehr Paare entscheiden sich gegen oder für weniger Kinder. Das zeigt eine Studie der HDI-Versicherung. Wie sich das auf die Wirtschaft auswirkt, erklärt Valerie Haller.24.09.2024 | 0:59 min
Rund 1.300 Befragte waren selbst Eltern mit Kindern unter 18 Jahren. Knapp die Hälfte von ihnen empfindet das Angebot an Kinderbetreuung in Deutschland als "gar nicht" oder "weniger gut". Das hat Folgen: Kinder werden als Karriere-Killer empfunden. Was bedeutet das für eine Gesellschaft?
Das Umfrageinstitut Yougov hat Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Auftrag der Versicherung im Juni und Juli befragt. Die Erhebung war laut HDI repräsentativ nach Alter und Geschlecht in allen Bundesländern.
Professor: Zu wenig Nachwuchs nach Babyboomern
"Wir müssen wieder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinbekommen. Auf die Babyboomer, die in den Ruhestand gehen, kommen nur die Hälfte an Jüngeren nach", sagt Professor Stefan Sell von der Hochschule Koblenz.
"Hinzu kommt, dass auch viele Jüngere in Teilzeit arbeiten wollen, weil die Kinder nicht ausreichend betreut sind. Der Mitarbeitermangel wird dadurch noch geboostet. Die gut ausgebildeten Fachkräfte, vor allem Frauen, fehlen uns", so Sell weiter.
In Radolfzell am Bodensee übernehmen Eltern nachmittags abwechselnd die Kita-Betreuung ihrer Kinder. Wegen fehlender Fachkräfte hätte die Kita sonst mittags schließen müssen.18.04.2023 | 1:53 min
Kinder nachteilig bei Aufstiegschancen
Karriere oder Kinder - beides geht wohl kaum. So gaben 43 Prozent an, dass in ihrer Firma, Mitarbeiter, die sich um ihre Kinder kümmern müssten, schlechtere Aufstiegschancen hätten. Darüber hinaus beklagten 44 Prozent, dass sich ihr Arbeitgeber nicht ausreichend um Kinderbetreuung für die Belegschaft kümmere.
Rund vier von zehn befragten Eltern sagten auch, dass sie gern länger arbeiten würden, wenn es eine entsprechende Kinderbetreuung gäbe. Das Problem zeigt sich bei den Arbeitnehmern, die derzeit im Job sind, aber auch bei der Unternehmensnachfolge und den Fachkräften, wenn Eltern nicht wissen, wo sie ihre Kinder unterbringen sollen.
Im dritten Quartal 2023 waren so viele Menschen in Deutschland in Teilzeit beschäftigt wie noch nie. Zuwachs gab es vor allem in Branchen mit ohnehin hohem Teilzeitanteil.05.12.2023 | 0:26 min
"In den nächsten drei Jahren steht bei 43 Prozent der Familienunternehmen eine Unternehmens- oder Anteilsübertragung an. Das Ausscheiden der Babyboomer-Jahrgänge beeinflusst nicht nur das Angebot an Fachkräften, sondern auch an Unternehmensnachfolgerinnen und -nachfolgern", betont eine Sprecherin der Stiftung Familienunternehmen.
Arbeitsmarkt aktuell von Problem der Kinderbetreuung abgekoppelt?
HDI-Vorstandschef Jens Warkentin zeigt noch ein anderes Problem auf: "Gleichzeitig gelingt es nicht, mit bedarfsgerechten Kinderbetreuungsangeboten diejenigen zu unterstützen, die eigentlich mehr arbeiten wollen."
Es scheint, als sei der deutsche Arbeitsmarkt abgekoppelt vom Problem der Kinderbetreuung. Die Frage ist aber, wie lange sich das die deutsche Wirtschaft in vielerlei Hinsicht noch leisten kann.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, will die Ampel Rentner mit finanziellen Anreizen dazu bewegen, länger in ihrem Job zu arbeiten. Kritik kommt von den Gewerkschaften. 04.09.2024 | 1:37 min
Professor Sell ergänzt: "Das Problem liegt auch darin, dass viele immer später Eltern werden wollen und statistisch auch werden. Inzwischen sind Frauen in Deutschland 32, Männer 35 Jahre alt bei der Geburt des ersten Kindes."
Vereinbarkeit von Job und Kindern: USA machen es vor
Dass sich Job und Kind nicht ausschließen müssen, sondern beides möglich sein kann, zeigen immer mehr Firmen in den USA. Dort werden Mitarbeitenden Angebote rund ums Kinderkriegen angeboten.
So übernehmen manche Unternehmen sogenannte Fertility Benefits und damit die Kosten für Kinderwunschbehandlungen. Zu Beginn waren Fertilitätsleistungen eine Möglichkeit für das Silicon Valley, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Sie haben sich attraktiver für den Arbeitsmarkt gemacht.
Das belegen aktuelle Zahlen zur Konjunktur-Entwicklung. Viele Mittelständler leiden unter Fachkräftemangel, bürokratischem Aufwand und der Zurückhaltung bei Investitionen. 13.08.2024 | 1:34 min
Auch Hannah Zagel, die sich am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung mit dem Thema beschäftigt, erklärt, der Fokus liege auf der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, der Steigerung von Produktivität und womöglich auch der Mitarbeiterzufriedenheit.
Kinderbetreuung in Unternehmen: Deutschland muss aufholen
In Deutschland hingegen ist dies bislang noch eine Nische. Doch Experten zufolge steigt der Druck auf Unternehmen auf der Suche nach Mitarbeitenden.
Natürlich gibt es auch andere Maßnahmen zur Förderung von Familien. Dazu zählen Kinderbetreuung in Unternehmen anzubieten, flexible Arbeitszeiten für Eltern oder mehr betriebliche Leistungen für Erziehungszeiten. "Not macht erfinderisch" heißt es ja.
Mal sehen, was noch kommt in pucto Elternförderung. In Zeiten des Arbeitskräftemangels sich für die Karriere und gegen ein Kind zu entscheiden, kann jedenfalls keine Lösung sein und sollte Gesellschaft und Politik in höchstem Maße alarmieren.
Quelle: ZDF
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